Aufgrund seiner vielfältigen Vorteile findet der Minimalschnitt im Spalier (MSS) im deutschen Weinbau eine immer größere Verbreitung. Viele Winzer haben mit diesem neuartigen Erziehungssystem recht positive Erfahrungen gemacht und planen das Erziehungssystem in ihren Betrieben weiter auszubauen. Es gibt vereinzelt aber auch negative Erfahrungen und eine ablehnende Haltung gegenüber dem MSS. Deshalb befasst sich dieser Beitrag speziell mit Problemen, die in der weinbaulichen Praxis in Zusammenhang mit dem MSS aufgetreten sind.
Besonders im ersten Jahr nach der Umstellung liefert der Minimalschnitt extrem hohe Erträge. Ursache hierfür ist die sehr hohe Triebzahl mit einer entsprechend hohen Traubenzahl. Pro laufenden Meter Zeilenlänge ist von 100 bis 180 Trieben auszugehen und die Traubenzahl bewegt sich auch in dieser Größenordnung. Obwohl die Trauben deutlich kleiner, lockerer und 40 bis 70 Prozent leichter als Trauben vom herkömmlichen Bogenschnitt sind, ergeben sich aufgrund der Vielzahl der Trauben Erträge von 7 bis 10 kg/Stock. Bezogen auf den Hektar Rebfläche sind dies 30 000 bis 40 000 kg. Bei diesem Ertragsniveau ist ein unzureichendes Blatt-Frucht-Verhältnis gegeben und die Fotosyntheseleistung der Blätter reicht bei Weitem nicht aus, um eine befriedigende physiologische Traubenreife zu erzielen. Die Folge sind niedrige Mostgewichte und kleine, dünne, unharmonische, bei Weißwein UTA-gefährdete Weine. Dieses Produktionsziel ist abzulehnen und sollte von keinem Winzer angestrebt werden.
Überlastung und Nährstoffversorgung
Wird das hohe Ertragsniveau nicht wirksam reguliert, kann eine Überlastung der Stöcke die Folge sein. In Verbindung mit trockener Witterung im Sommer kann die Nährstoff- und Wasseraufnahme zu einem limitierenden Faktor werden und Nährstoff- und Wasserstress auslösen, was sich durch Mangelerscheinungen an den Blättern zeigt. Überlastete Anlagen reagieren im Folgejahr häufig mit schwachem Austrieb und geringem Gescheinsansatz.
Das größte Problem beim MSS besteht in der Ertragssteuerung. Manuell ist dies aufgrund der Vielzahl und Verteilung der kleinen Trauben kaum zu bewältigen. Auch mit den derzeit zugelassenen Bioregulatoren ist keine zuverlässige Ertragslenkung möglich. Als einzige Möglichkeit bleibt die maschinelle Ausdünnung übrig. Entlauber und Traubenbürste scheiden hierfür allerdings aus, da mit diesen Geräten viele Blätter entfernt werden und damit das Blatt-Frucht-Verhältnis negativ beeinflusst wird. Bei der Traubenbürste ist auch ein zu hoher Triebverlust zu erwarten. Als einzig praktikables Verfahren bleibt nur die Ausdünnung mit einem Vollernter-Schüttelwerk.
Vollernterausdünnung erfordert Erfahrung und Kompetenz
Allerdings ist die Vollernterausdünnung auch eine riskante Angelegenheit und erfordert Erfahrung und Kompetenz. Einige Winzer haben mit dieser Methode leider negative Erfahrungen gemacht, indem die Ausdünnquote zu gering oder zu hoch war. Letzteres kann einen nahezu vollständigen Ertragsverlust bedeuten. Prinzipiell gibt es beim MSS zwei Möglichkeiten der Vollernterausdünnung, entweder gleichmäßig über die gesamte Laubwand oder eine Bandausdünnung nur im unteren Laubwandbereich. Die Bandausdünnung hat gegenüber der Ausdünnung über die gesamte Laubwand folgende Vorteile:
Ein gravierender Nachteil ist das höhere Verlustrisiko. Eine zu hohe Schüttelfrequenz kann nahezu einen Totalausfall der Ernte zur Folge haben.
Leider gibt es für das Ausdünnen mit dem Vollernter kein Patentrezept. Jeder Winzer und/oder Lohnunternehmer muss seine Erfahrungen sammeln und auch damit rechnen, dass er Lehrgeld geben muss. Folgende grobe Anhaltswerte können zugrunde gelegt werden:
Die Ausdünnintensität ist vom Behang abhängig zu machen. Das Ausdünnen sollte kurz vor bis kurz nach Traubenschluss vorgenommen werden. Bei einem früheren Entwicklungsstadium sind die Effekte aufgrund der kleineren Beerengröße zu gering. Vor dem Weichwerden muss die Maßnahme abgeschlossen sein, damit es bei verletzten Beeren nicht zu erhöhtem Botrytisrisiko kommt.
Den ganzen Beitrag können Sie sich hier im PDF-Format herunterladen.Oswald Walg, DLR R-N-H, Bad Kreuznach – LW 26/2013