Die Ackerbautagung am vergangenen Dienstag auf den digitalen AgrarWinterTagen befasste sich mit aktuellen Themen, die die Landwirte derzeit umtreibt: Welche politischen Forderungen kommen auf sie zu? Wie sehen die Strategien für einen Ackerbau der Zukunft aus, auch unter Einbeziehung der neuen Düngeverordnung? Welche Biodiversitätsmaßnahmen werden erwartet? Vier Referenten stellten ihre Sicht auf die Dinge vor.
Die Diskussion über die Rahmenbedingungen für eine zukünftige Landwirtschaft in Deutschland wird derzeit auf vielen Ebenen geführt. Sie wirft die Frage auf, wie sich diese Rahmenbedingungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und damit auf die Zukunft des Agrarstandortes Deutschland auswirken werden. DLG-Präsident Hubertus Paetow stellte in seinem Vortrag auf den AgrarWinterTagen am vergangenen Dienstag drei verschiedene Szenarien vor, wie sich die Märkte für die Landwirte unter den verschärften Bewirtschaftungsauflagen hinsichtlich Düngung, Pflanzenschutz, Tierwohl und Biodiversität entwickeln könnten. Weltmarktproduktion: Die Rahmenbedingungen der Produktion werden in Richtung Nachhaltigkeit verschärft, die ökonomischen Folgen dabei vollständig ausgeglichen. Direktzahlungen werden zugunsten von Agrarumweltprogrammen reduziert. Maßstab für die Politik und die Maßnahmen sind die gesamte Nachhaltigkeit des Ernährungssystems
Premiummarkt: Die Rahmenbedingungen der Produktion werden in Richtung Nachhaltigkeit verschärft, die ökonomischen Nachteile werden aber nicht ausgeglichen. Diese werden zum Teil durch den Verbraucher übernommen, der bereit ist, für gekennzeichnete und gelabelte Produkte die Nachhaltigkeit der Produktion zu finanzieren. Zusätzlich werden die Direktzahlungen schrittweise in Zahlungen für Umweltschutz- und Tierschutzleistungen umgewandelt. Marktausstieg: In diesem Szenario werden die Rahmenbedingungen in Richtung höhere Nachhaltigkeit verschärft, ohne dass es dafür einen Ausgleich gibt, Nahrungsmittel können ungehindert eingeführt werden und die Verbraucher kaufen nach wie vor nach dem Preis. In diesem Fall wird die Rentabilität der Betriebe erheblich sinken. Viele Betriebe, vor allem auf den ungünstigeren Standorten, werden aufgeben.
Kosten der nachhaltigen Produktion verteilen
Vor allem Szenario Marktausstieg klingt erschreckend und wird nach Einschätzung von Paetow eher nicht zum Tragen kommen. Der DLG-Präsident sieht die Zukunft der deutschen Landwirtschaft eher zwischen Szenario Weltmarktproduktion und Premiummarkt. „Wir werden nachhaltiger werden müssen“, sagte er auch mit Blick auf die Green Deal-Strategie der EU. Denn die Landwirtschaft habe durchaus negative Auswirkungen in Punkto Nährstoffverlusten, Biodiversität und Klimagasen zu verantworten. „Vor allem die Stickstoffbilanzüberschüsse sind eine Herausforderung. Wir haben aber enorme Potenziale, die wir nutzen können, vor allem bei der Ausbringung von organischen Düngern“, ist sich Paetow sicher. Für den DLG-Präsidenten steht fest, dass die Zukunft des Agrarstandorts Deutschland eine Transformation zu mehr Nachhaltigkeit erfordert, bei der die Kosten auf alle Beteiligten im globalen Ernährungssystem aufgeteilt werden. „Fortschritt und Strukturwandel sind dabei unverzichtbar“, erklärte Paetow. Und noch etwas steht für ihn fest: „Wir können uns nicht vom Weltmarkt abkoppeln.“
Zu sehr ist der deutsche Agrarsektor in den internationalen Handel verwoben und beliefert auch viele Länder in der EU. „Wir haben eine Exportorientierung der Agrarmärkte“, erklärte Paetow. Vor allem bei Zucker, Kartoffeln, Schweinefleisch und Milch liege der Selbstversorgungsgrad in Deutschland über 100 Prozent. Auf der anderen Seite sei der Selbstversorgungsgrad bei Obst und Gemüse ausgesprochen niedrig. „Wir sollten darüber nachdenken, ob da nicht mehr geht“, sagte er. Insgesamt würden aber mehr Waren importiert als exportiert.
Zielgerichtete Maßnahmen statt pauschaler Einschränkungen
Dr. Mark Winter vom Industrieverband Agrar (IVA) stellte in seinem Vortrag die aktuellen politischen Initiativen vor, die in Deutschland und der EU diskutiert werden. Auf nationaler Ebene sind es die Ackerbaustrategie der Bundesregierung und das Aktionsprogramm Insektenschutz. Vor allem letzteres beschäftigt die Landwirte aktuell, denn es geht um das Verbot bestimmter Pflanzenschutzmittel an Gewässern und in Schutzgebieten. In der Ackerbaustrategie werden nach den Worten von Winter Leitlinien und Handlungsfelder benannt und diskutiert. Das Papier ist noch in der Abstimmung zwischen den Ressorts, soll aber in diesem Frühjahr veröffentlicht werden. Auch in der Ackerbaustrategie geht es unter anderem um die Reduzierung der Pflanzenschutzmittel. Die europäische Farm to Fork-Strategie bezeichnete Winter als ambitioniert und große Herausforderung nicht nur für die Landwirte, sondern auch für die Hersteller von Düngern und Pflanzenschutzmitteln. Die Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes um 50 Prozent werde für manche Kulturen zum Problem: „Die Situation ist schon jetzt nicht gut, es brechen viele Mittel weg, die nicht so leicht zu ersetzen sein werden“, erklärte Winter.
Mit den politischen Initiativen kommen viele Maßnahmen sowohl auf die Landwirte als auch auf die Hersteller zu. Der IVA lehnt pauschale Einschränkungen bei Pflanzenschutz und Düngung ab und fordert stattdessen zielgerichtete Maßnahmen. Denn der Einsatz von Mineraldünger sei vielerorts unverzichtbar. Auch der integrierte Pflanzenschutz habe noch viele Potentiale, so Winter. Beim Thema Biodiversität sei noch mehr Beratung und Förderung nötig. „Die Maßnahmen sollten maßgeschneidert und zielgerichtet sein“, so der Referent. Hier könne auch die Digitalisierung helfen. Er warnte davor, alles über das Ordnungsrecht zu regeln: „Diese Maßnahmen sind nicht immer zielführend. Wir brauchen auch freiwillige Maßnahmen, die entlohnt werden.“ Als Beispiel führte Winter die Anlage von Gewässerrandstreifen an, die Arbeit machen und entsprechend entschädigt werden müssen. „Und wir brauchen einheitliche Rahmenbedingungen in Europa.“
Weniger Stickstoff düngen in den roten Gebieten
Die neue Landes-Düngeverordnung ist in Rheinland-Pfalz seit Jahresbeginn in Kraft. Dr. Friedhelm Fritsch, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, stellte die Auflagen und pflanzenbaulichen Anpassungen für die nitratbelasteten Gebiete vor (ausführlicher Bericht in LW 3/2021, S. 21-23). Fritsch erklärte, dass ab diesem Jahr im Rahmen des Monitorings reale Daten aus der Düngung erfasst werden und dafür genutzt werden, die Ausweisung der „Roten Gebiete“ auf reale Daten zu stellen. Er verband damit die Hoffnung, eine bessere Differenzierung der Flächen auf Ebene der Ortsgemeinden zu erreichen. Mit der neuen Düngeverordnung sind Nmin-Untersuchungen vor der Düngung auf allen Flächen vorgeschrieben.
Die Ergebnisse der Untersuchungen werden in eine Datenbank eintragen, die über den Geoboxviewer allen Landwirten zur Verfügung steht. „Dadurch entsteht ein Nmin Referenznetz, das alle Landwirte nutzen können“, hob er hervor. Was können die Landwirte und Winzer tun, deren Flächen in einem nitratsensiblen Gebiet liegen? Die Düngeordnung schreibt eine Reduzierung der N-Düngung um 20 Prozent unter Bedarf vor und eine Zwischenfrucht vor Sommerungen. In Gebieten mit weniger als 550 mm Niederschlag gab Fritsch den Landwirten mit auf den Weg, die Sommerbraugerste bereits im späten Herbst zu säen.
Vor Leguminosen besteht ebenfalls keine Zwischenfrucht-Pflicht, und Perser- oder Alexandrinerklee als Zwischenfrucht vor Zuckerrüben liefert Stickstoff. Auch der Anbau von E-Weizen werde für die Ackerbauern interessanter. Eine weitere Möglichkeit könnte nach den Worten von Fritsch für einige Betriebe und Winzer der Einsatz von organischen Düngern sein. Denn Betriebe, die maximal 160 kg Gesamt-N je ha und davon maximal 80 kg N/ha in Mineraldüngerform düngen, sind von der Reduzierung der Stickstoffmenge um 20 Prozent ausgenommen. „Die 160 kg N gelten für den Durchschnitt der Flächen in den roten Gebieten, das gibt Spielraum über die Fruchtfolge“, erklärte der Referent. Wer Flächen sowohl in nitratbelasteten als auch in unbelasteten Gebieten hat, dem empfahl Fritsch zwei getrennte Düngebedarfsberechnungen zu machen.
Mehr und bessere Biodiversitätsmaßnahmen nötig
Mit der Düngeverordnung müssen sich die Landwirte heute schon auseinandersetzen. Die Diskussionen um mehr Biodiversität in der Landwirtschaft werden immer lauter geführt. Doch welche Maßnahmen haben Erfolg und in welchem Umfang müssten sie eingesetzt werden, um einen positiven Effekt auf die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu erzielen? Dr. Rainer Oppermann vom Institut für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB) in Mannheim beantwortete die Eingangsfrage seines Vortrags „Kann die Landwirtschaft die Artenvielfalt retten?“ mit einem klaren Ja. „Das geht, wenn die Gesellschaft es will und es bezahlt wird“, so seine Aussage. Damit das gelingt, müssten die Biodiversitäts- und Umwelt-Maßnahmen allerdings massiv in die Fläche gebracht werden. Die Maßnahmen, die aktuell über das Greening umgesetzt werden, reichten nicht aus. „Der Anteil der ökologisch wertvollen Maßnahmen ist zu gering“, sagte Oppermann.
Große Flächen, die sich gut bewirtschaften lassen, sind aus Sicht der Landwirtschaft richtig. Die Flächen werden in der Regel intensiv bewirtschaftet, es steht kein Unkraut in den gleichmäßig dichten Getreidebeständen. Was für den Landwirt aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn macht und auch fachlich ein korrekter Zustand ist, trägt aber nach Aussage von Dr. Oppermann zum Rückgang der Artenvielfalt bei. Diese Bestände bieten Insekten wenig Nahrung, weil nichts blüht. Sie bieten aber auch den typischen Feldvögeln wie Rebhühnern oder Feldlerchen keinen guten Lebensraum, auch, weil ihnen die Nahrungsgrundlage fehlt. Wegränder und Brachestrukturen sind im Laufe der Zeit weggefallen, die vielen ehemals typischen Arten Raum gegeben haben. „Die Vielzahl der Einzelfaktoren greifen ineinander“, so Oppermann. Wobei der Agrarökologe, selbst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, klarmachte, dass die Gründe für den Artenrückgang nicht nur bei der Landwirtschaft zu suchen sind, auch Lichtverschmutzung, Versiegelung und weitere Faktoren führen zu einem Rückgang der Insekten.
Gezielte Förderung der Biodiversität
Wie lässt sich Biodiversität fördern? Nach Aussage von Dr. Oppermann sind viele ineinandergreifende Faktoren nötig: eine reduzierte Düngung, ein Pflanzenschutzverzicht auf Teilflächen, lichtere Bestände etwa durch Weitsaat. Im Weinbau fördern artenreiche Rebgassen die Biodiversität. Ergänzend zu diesen Maßnahmen im Feld wirken naturnahe Weinbergsmauern oder die Anlage von Blühflächen strukturfördernd. Auch Graswege zwischen den Feldern sind wichtige Lebensräume. „Wir brauchen die Vielfalt der Maßnahmen“, erklärte der Agrarökologe.
Die Wissenschaftler am Institut haben 24 Leitarten in der Agrarlandschaft von der Feldlerche über verschiedene Vogelarten bis hin zu Insekten und Wildbienen definiert und geschaut, welche Ansprüche sie an den Lebensraum haben und daraus den Umfang der Maßnahmen definiert. „Über alle 24 Leitarten hinweg wird durchschnittlich 15 bis 25 Prozent des Ackerlandes und 20 bis 30 Prozent des Grünlands für Biodiversitätsmaßnahmen benötigt“, erklärte Oppermann. „Die Maßnahmen müssen sich aber für die Landwirte rechnen, sie müssen zum Betrieb passen und sie müssen von der Gesellschaft anerkannt werden“, schloss er. Kooperative Maßnahmen zwischen mehreren Landwirten seien ein guter Ansatz, in der Fläche mehr für den Erhalt der Artenvielfalt zu erreichen.
lbs – LW 5/2021