Der Arbeitskreis Industrie-Landwirtschaft Hessen war am 19. Dezember zu Gast bei der Vereinigten Hagelversicherung VVaG in Gießen. Nach der Mitgliederversammlung des Arbeitskreises stand der Vorstandsvorsitzende der Vereinigten Hagel, Dr. Rainer Langner, Rede und Antwort.
Zunächst stellte er das Unternehmen, das 1993 aus dem Zusammenschluss der beiden großen berufsständischen Hagelversicherungen auf Gegenseitigkeit, der Leipziger Hagel (1824 gegründet) und der Norddeutschen Hagel (1869 gegründet) entstanden ist, vor. Mit einem Prämienaufkommen von insgesamt 97,7 Mio. Euro und einer Versicherungssumme von 7,5 Mrd. Euro ist die Vereinigte Hagel Marktführer in Deutschland, ihr Marktanteil beläuft sich auf 55,1 Prozent. 110 000 Mitglieder werden von 190 Mitarbeitern und 3 000 Agenturen betreut. Das Bundesgebiet ist in acht Bezirksdirektionen aufgeteilt, 1 000 Sachverständige kümmern sich um eine schnelle und qualifizierte Schadensfeststellung.
Mittlerweile unterhält die Vereinigte Hagelversicherung auch Niederlassungen in Luxemburg, Italien, den Niederlanden und Litauen. Auch im Ausland ist das Unternehmen mit einem Gesamtbeitrag von 40 Mio. Euro sehr erfolgreich. Gegenüber 2010 gab es einen Zuwachs von rund 50 Prozent. Hagel, Sturm, Starkregen, Frost und Auswinterung sind die versicherten Risiken in Deutschland, in einigen Nachbarländern kommen Trockenheit und Feuer als weitere versicherbare Risiken hinzu.
Mitglieder können aktiv mitbestimmen
Dr. Langner hob besonders die Rechtsform der Vereinigten Hagel als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit hervor. Jedes Mitglied sei zugleich Versicherer und Versicherungsnehmer. Es gelte das Prinzip „alle für einen, einer für alle“. Auf den jährlichen Bezirksversammlungen werde nicht nur offen und lückenlos über den Geschäftsverlauf und die Verwendung der Beiträge informiert. Die Mitglieder könnten dort aktiv mitbestimmen, Anträge stellen und die Delegierten für die Mitgliedervertreterversammlung wählen.
„Das Risikobewusstsein der Bauern hat deutlich zugenommen, denn die versicherte Fläche ist in Deutschland mit rund 5,7 Mio. Hektar im Jahr 1991 auf ca. 7,8 Mio. Hektar im Jahr 2010 angestiegen“, stellte Dr. Langner fest. Der Versicherungsbeitrag erhöhte sich 2011 gegenüber 2010 in Deutschland um 12,1 Mio. Euro oder 14 Prozent auf insgesamt 97,7 Mio. Euro. Die höchsten Steigerungsraten gab es bei Mais, Getreide und Kartoffeln.
2011 waren die Schadenmeldungen über ganz Deutschland verteilt, mit Schwerpunkten in Baden-Württemberg und Bayern. Dort hat es erhebliche Hagelschäden im Mais, Kartoffeln und Hopfen gegeben. Extreme Schäden traten punktuell auch in Hessen, beispielsweise am 5. Juni in Silomais im Raum Alsfeld und am 24. August in Kartoffeln in Lich auf. „In diesem Jahr mussten mit rund 24 000 Schadensmeldungen etwa doppelt so viele Schäden reguliert werden wie im Jahr 2010“, so Dr. Langner. In den vergangenen 25 Jahren habe es noch nie solche schwere Spätschäden im August und September gegeben wie im Jahr 2011. Der Gesamtschaden lag bei 129,5 Mio. Euro. In Bezug auf den Gesamtbeitrag von 138 Mio. Euro ergab sich somit eine Schadenquote von ca. 94 Prozent. Im Durchschnitt der Jahre liegt die Schadenquote laut Dr. Langner zwischen 75 und 80 Prozent. Der Vorstandsvorsitzende gab einen Überblick zum weltweiten Stand von Ernte- und Mehrgefahrenversicherungen. Während beispielsweise in Nord- und Südamerika Ernteversicherungen seit Jahren Standard seien, auch Russland und die asiatischen Länder hätten mittlerweile nachgezogen, tue sich vor allem Deutschland diesbezüglich schwer. In Italien, Portugal, Spanien, Luxemburg und Österreich würden Ernteversicherungen vom Staat unterstützt, die durchschnittlichen Prämienzuschüsse lägen dort zwischen 46 und 68 Prozent. Deutschland habe sich bis heute nicht zu einer Bezuschussung durchringen können.
Wettbewerbsverzerrungen durch Zuschüsse und Besteuerung
Dr. Langner kritisierte die durch unterschiedliche staatliche Förderung und Besteuerung von Mehrgefahrenversicherungen verursachten Wettbewerbsverzerrungen in der Europäischen Union. Außerdem beleuchtete er sehr kritisch die künftige Ausrichtung der EU-Agrarpolitik. Während zum Beispiel in Spanien, Frankreich und Litauen keine Versicherungssteuer erhoben würde, müssten die deutschen Bauern eine Steuerbelastung von 19 Prozent auf die Risikoprämie hinnehmen. Am Beispiel eines 700 Hektar großen Ackerbaubetriebes aus Litauen verdeutlichte der Vorstandsvorsitzende eindrucksvoll den Wettbewerbsvorteil gegenüber einem deutschen Betrieb, dessen Prämie das 2,4-fache seines litauischen Kollegen ausmachen würde.
Für Dr. Langner stellt die staatlich unterstützte Ernte-Mehrgefahrenversicherung ein bewährtes und anerkanntes Risikomanagement-Instrument zur Stabilisierung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums dar. Infolge des Klimawandels mit längeren Trockenperioden und heftigeren Niederschlagsereignissen sowie aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen, werde die Bedeutung von Ernteversicherungen weltweit zunehmen. Nach dem interessanten und informativen Vortrag von Dr. Langner schloss sich eine rege Diskussion an.
we – LW /2012