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Schilf-Glasflügelzikade gefährdet Lebensmittelproduktion

DBV-Präsident Rukwied fordert Notfallzulassungen

Vertreter der Landwirtschaft schlagen angesichts der Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade Alarm. Sie sehen die inländische Agrarproduktion und damit die Versorgung mit heimischen Grundnahrungsmitteln ernsthaft bedroht. Beim Runden Tisch im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) seien zwar die grundsätzlichen Probleme erkannt worden, konkrete Zusagen für kurzfristige Maßnahmen seien jedoch ausgeblieben, beklagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, Mitte Januar in Berlin.

Rukwied wirft dem BMEL vor, den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben. Foto: Messe Berlin

Das Ministerium habe stattdessen primär auf langfristige Lösungsansätze wie integrierte Züchtung und eine veränderte Fruchtfolgegestaltung verwiesen. Rukwied wirft dem BMEL deshalb vor, den Ernst der Lage offensichtlich nicht erkannt zu haben. „Wir brauchen jetzt Lösungen für 2025, und die können kurzfristig nur in der Notfallzulassung von wirksamen Pflanzenschutzmitteln liegen“, mahnte der Bauernpräsident.

Hohe Schäden in Rüben und Kartoffeln zu erwarten

Der Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV) und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauerverbände (ADR), Bernhard Conzen, schlug in dieselbe Kerbe: „Wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, gefährden wir nicht nur die Zuckerversorgung, sondern durch die Ausbreitung der Zikade auf Kartoffeln und viele Gemüsekulturen auch die Grundversorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln“, warnte Conzen. Die Zeit für lange Diskussionen sei nicht vorhanden, gebraucht würden jetzt pragmatische Lösungen.

Die von der Zikade übertragenen Krankheitserreger, die Stolbur und SBR hervorrufen, führten bereits jetzt zu erheblichen Ertrags- und Qualitätsverlusten, stellte Conzen fest. Allein bei den Zuckerrüben seien etwa 20 Prozent der deutschen Anbaufläche betroffen.

Der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ), Dr. Stefan Streng, wies ergänzend darauf hin, dass die Schilf-Glasflügelzikade nicht nur einzelne Ackerschläge befalle, sondern ganze Naturräume. Ohne Gegenmaßnahmen sei mit einem weiteren Anstieg des Befalls zu rechnen. Nach dem Austausch im BMEL erwarte er, dass das Ministerium seinen Beitrag ebenfalls leiste, betonte Streng. Anderenfalls, und da stimme er Bundesminister Cem Özdemir ausdrücklich zu, „müssen wir uns große Sorgen um die Produktion heimischer Lebensmittel machen“.

Alle Möglichkeiten des Pflanzenschutzes nutzen

Aus Sicht des Vorsitzenden der Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft (UNIKA), Olaf Feuerborn, bedarf es eines strategisch aufeinander abgestimmten Bündels von Maßnahmen, um die Eigenversorgung mit Kartoffeln zu sichern. Eine Reduzierung auf ackerbauliche oder züchterische Maßnahmen reiche nicht, um der existenziellen Bedrohung des Anbaus zu begegnen und den Rohstoff zu sichern. Feuerborn wies darauf hin, dass die Kartoffelbranche bereits Forschungsprojekte in Eigeninitiative auf den Weg gebracht habe. Um kurzfristig die Regionen zu schützen, müssten aber auch alle Möglichkeiten im Bereich des Pflanzenschutzes genutzt werden.

Laut Feuerborn ist zudem eine Anpassung in der Konditionalität der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erforderlich, um alle ackerbaulichen Maßnahmen zu erproben und zu optimieren, damit die stetig steigende Population der Zikaden eingedämmt werden kann.

Der stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK), Ernst-Rainer Schnetkamp, unterstrich die Bedeutung des heimischen Kartoffelanbaus für die Verarbeitungswirtschaft. Diese nehme mehr als die Hälfte der in Deutschland erzeugten Kartoffeln zur Herstellung von Lebensmitteln auf. Die Mengen könnten nicht durch andere Herkunftsregionen ersetzt werden, gab Schnetkamp zu bedenken.

BMEL sagt Unterstützung zu

Von Seiten des BMEL hieß es, beim Runden Tisch seien konkrete Lösungsansätze besprochen worden, um die Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade rasch in den Griff zu bekommen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Praxis, Ländern und den Behörden sowie Forschungseinrichtungen des Bundes sei entscheidend, um Schäden an den Ernten so schnell wie möglich eindämmen zu können. Das sei auch von Bedeutung für die gesamte Wertschöpfungskette.

Der Austausch werde in den kommenden Monaten fortgesetzt, teilte das Ministerium weiter mit. Das nächste bundesweite Fachgespräch zu den krankheitserregenden Bakterien SBR und Stolbur sei bereits für März geplant. Dann sollten weitere Forschungsergebnisse und mögliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Zikade und der von ihr übertragenden Pflanzenkrankheiten vorgestellt werden. Das Ministerium betonte, es setze sich intensiv für die Bekämpfung dieser Problematik ein. Bereits jetzt werde die Forschung zur Schilf-Glasflügel­zikade und den damit verbundenen Krankheiten unterstützt. Auch konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Vektors, wie etwa die Zulassung von Schwarzbrachen, seien in der Vorbereitung. Eine Erweiterung von Indikationen bei bereits zugelassenen Pflanzenschutzmitteln solle geprüft werden.

age – LW 4/2025