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Schmal kritisiert Auflagen und Kostendruck

Landwirtschaftlicher Nachwuchs braucht Perspektiven

Die Corona-Pandemie mit ihren Auswirkungen, die angespannte wirtschaftliche Situation, nationale Alleingänge in der Agrar- oder Umweltpolitik, die Roten Gebiete und zu erwartende Klagen durch betroffene Landwirte oder der unfaire Umgang des Lebensmitteleinzelhandels mit der Landwirtschaft waren einige der Themen, die HBV-Präsident Karsten Schmal anlässlich der Eröffnung der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen am Montag dieser Woche in seiner Begrüßungsansprache thematisierte.

Im Vorfeld der dieses Jahr zum erstmals in digitaler Form durchgeführten Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen (LWN) hatte HBV-Präsident Karsten Schmal (rechts) den Hauptreferenten, den früheren Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert, zu Hause besucht und mit ihm eingehend die Ergebnisse der Borchert-Kommission für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung in Deutschland erörtert. Schmal eröffnete die LWN und forderte von der Politik unter anderem Zukunftsperspektiven für den landwirtschaftlichen Nachwuchs. Foto: Dietz

„2020 war für die hessischen Bauernfamilien nicht nur wegen Corona und der erneuten Dürre ein sehr schwieriges Jahr. Die wirtschaftliche Situation auf den Höfen ist sehr angespannt. Hinzu kommen Frustration und Resignation, weil immer mehr Auflagen zu einem Kostendruck führen, dem keine adäquaten Erzeugerpreise gegenüberstehen“, betonte Schmal.

Schweinehalter am stärksten betroffen

Aufgrund der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen und der durch Corona verursachten Marktverwerfungen seien die Schweinehalter am stärksten betroffen. Ihre Situation sei existenzgefährdend. Durch die Umsetzung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung oder der vom Bundeskabinett verabschiedeten technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft und in Deutschland verschärfte europäische Vorschriften sinke die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tierhalter. Ein Ausstieg aus der Tierhaltung sei vorprogrammiert.

Landwirte sichern Ernährung zuverlässig

In der Corona-Krise habe sich die Landwirtschaft als verlässlicher Partner innerhalb der Wertschöpfungskette bei der Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung erwiesen. Die Wertschätzung für die heimische Landwirtschaft sei zwar gestiegen, die Bereitschaft, das auch an der Ladentheke durch höhere Preise zu honorieren eher weniger. Bundesumweltministerin Svenja Schulze jedoch stelle mit ihrem Entwurf zum Insektenschutzgesetz und den damit verbundenen Verboten und Auflagen beim Pflanzenschutz das Prinzip der Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz in Frage. Insektenschutz sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Der Gesetzentwurf muss dringend überarbeitet werden“, betonte Schmal. Obwohl der Umfang der Roten Gebiete hessenweit im Vergleich zur Erstausweisung 2019 nahezu halbiert worden sei, gebe es beispielsweise in Waldeck-Frankenberg eine unerwartete, deutliche Ausweitung. „Diese Erweiterung ist nach unserer Auffassung weder sachgerecht noch nachvollziehbar“, kritisierte Schmal.

Dauerniedrigpreis-Politik muss ein Ende haben

Als positiv hingegen bewertete er die Umsetzung der EU-Richtlinie gegen unfaire Handelspraktiken. Sie verschaffe Landwirten mehr Gewicht in der Lieferkette. „Die Dauerniedrigpreis-Politik des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) gefährdet bäuerliche Existenzen und muss ein Ende haben“, forderte der Bauernpräsident.

Durch Schlepperdemos aufgeschreckt, zeigten LEH-Vertreter in jüngster Zeit zumindest eine bisher nicht vorhandene Gesprächsbereitschaft mit den Landwirten. Heimische Produkte, die mit höheren Qualitätsstandards als Auslandsware erzeugt würden, benötigten einen Deutschlandbonus.

Den bevorstehenden Start der Branchenkommunikation Milch und den Abschluss des Brexit-Vertrages bezeichnete Schmal als Lichtblicke zum Jahreswechsel. Die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft werde davon profitieren.

Landwirtschaft Teil der Lösung beim Klimawandel

„Vom Klimawandel ist die Landwirtschaft einerseits betroffen, andererseits aber auch ein Teil der Lösung“, machte Schmal deutlich. Das Potential der Biokraftstoffe, der Erneuerbaren Energien und der Nachwachsenden Rohstoffe werde leider nicht ausgeschöpft. Zur Bekämpfung des Hungers auf der Welt sei eine effiziente, leistungsfähige und nachhaltige Landwirtschaft erforderlich. Neben den guten Produktionsbedingungen in Europa sollten auch Zukunftstechniken wie moderne Züchtungsmethoden und die Digitalisierung stärker genutzt werden.

Gegen Ende seines Vortrages brach Schmal eine Lanze für den landwirtschaftlichen Nachwuchs. „Unsere Jugend braucht Zukunftsperspektiven. Sie ist sehr gut ausgebildet und engagiert. Leider führt die derzeitige Agrarpolitik oft zu Resignation und ist demotivierend“, betonte er. „Agrarpolitische Vorgaben müssen umsetzbar, auf wissenschaftlicher Grundlage basieren und vor allem ökonomisch tragfähig sein. Nicht zuletzt brauchen unsere Betriebe verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit“, schloss der Bauernpräsident ab.

Die Vorträge der Eröffnungsveranstaltung der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen können auf der Homepage des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (www.llh.hessen.de/beratung/...) auch weiterhin abgerufen werden.

Dz – LW 2/2021