Mit einem Rückblick auf das schwierige Jahr 2017 begann Ludwig Schmitt, Kreisvorsitzender Mainz-Bingen im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV), seinen Jahresrückblick auf der jüngsten BWV-Kreisversammlung in Klein-Winternheim. Nach den für viele Landwirte, Obstbauern und Winzer verheerenden Wetterkapriolen mit Frost und Hagel warb er für mehr Unterstützung durch die Politik.
Gleichzeitig dankte er dem rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsministerium für die Hilfen nach dem gravierenden Spätfrost im April 2017, der einige Obstbauern in eine existenzbedrohende Lage gebracht habe. Vor diesem Hintergrund müsse auch über eine finanzierbare Mehrgefahrenversicherung diskutiert werden.
Eingehend befasste sich der Kreisvorsitzende mit den Auswirkungen der neuen Düngeverordnung auf die landwirtschaftliche Praxis in der Region. So sei Kompost im Weinbau kaum noch einzusetzen. Wenn die Ausbringung von Trester oder Grünabfälle in der Landwirtschaft untersagt würden, bestrafe man damit sowohl konventionell, als auch ökologisch wirtschaftende Betriebe. Bei der Verabschiedung der Verordnung sei es am Schluss wohl mehr um Politik, als um fachliche Aspekte gegangen, so Schmitt.
Auch das Thema Pflanzenschutzmittel sprach er an. Es gebe ohne vernünftige Mittel wie Glyphosat oder Neonicotinoide keine marktgerechte Ernte. Jeder habe das Bild vor Augen, wo der Kunde im Supermarkt den Apfel drehe und wende, ob nicht doch ein kleiner Fehler dran sei. Im Zweifel lasse er ihn liegen. Leider sei in den vergangenen Monaten in der Glyphosat-Diskussion die fachliche, objektive Betrachtung unter die Räder gekommen. Sachargumente hätten ab einem gewissen Stadium keine Rolle mehr gespielt.
Zeit der Ordnungspolitik von oben muss vorbei sein
Auf die vielen Schutzgebiete im Kreis Mainz-Bingen und ihre für die Landwirtschaft und besonders den Obstbau gängelnde Auswirkungen ging Schmitt intensiv ein. „Die Zeit der Ordnungspolitik von oben muss vorbei sein, nur mit Vertragsnaturschutz und nur gemeinsam kann die Region erhalten werden“, so der Kreisvorsitzende in einem dringenden Appell an die Umweltbehörden und -verbände.
Andy Becht, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Landwirtschafts- und Weinbauministerium und Hauptredner des Abends, bezeichnete die Landwirtschaft als Zukunftsbranche. Vor dem Hintergrund der Debatten um Pflanzenschutzmittel und Insektensterben hob Becht hervor, dass Landwirtschaft wieder die Deutungshoheit erlangen müsse. Nur mit am Wettbewerb orientierten und innovativen Methoden seien die Herausforderungen zu bewältigen. Die im Landkreis Mainz-Bingen vielfach vorhandenen Schutzgebiete führten dabei jedoch oft zu Konflikten zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Hier sei ein intensiver Dialog nötig. Zu den vom BWV kritisierten Bewirtschaftungsplänen, etwa im Vogelschutzgebiet rund um Ober-Hilbersheim, kündigte der Staatssekretär an, Lösungen zu suchen. „Wir lehnen eine Bevormundung ab und schätzen die Leistung der Praxis“, betonte Becht.
In der lebhaften Diskussion im Anschluss an das Referat wurde der späte Starttermin für das Antragsverfahren zur Betriebsprämie, der wie in den Vorjahren mit dem Arbeitsschwerpunkt der Frühjahrsbestellung zusammenfalle, ebenso bemängelt wie die fehlende Dialogbereitschaft der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD) mit den betroffenen Bewirtschaftern bei der Aufstellung der Bewirtschaftungspläne in den FFH- und Vogelschutzgebieten. Darüber hinaus wurde ein stärkerer Fokus des Landes auf Beratung und Ausbildung angemahnt. Hier stelle die Praxis leider immer wieder Defizite fest.
Auf Großlagen mit Ortsnamen verzichten
Die aktuelle Weinbaubaupolitik wurde ebenfalls intensiv in der Versammlung behandelt. Ingo Steitz, rheinhessischer Weinbaupräsident, erläuterte die Vorschläge zur Reform des Weinbezeichnungsrechts, das sich an das romanische System anlehnen solle. Innerhalb des deutschen Weinbaus habe eine Diskussion hierzu begonnen, bei der sich der rheinhessische Weinbauverband aktiv beteiligen werde. Hintergrund sei die Neuregelung der EU-Weinmarktordnung 2009, die eine europaweit einheitliche Struktur der Weinbezeichnung zum Ziel hat. Nachdem das hiesige System der Qualitäts- und Prädikatsweine viele Jahre parallel weiter bestehen blieb, fokussiere sich die Debatte immer weiter auf die Umsetzung der Qualitätspyramide nach dem Prinzip „Je höher die Qualität, desto enger die Herkunftsbezeichnung“.
Um eine klare Profilierung durchführen zu können, müsse auf Großlagen mit Ortsnamen verzichtet werden, da es hier zu einer starken Verwechslungsgefahr mit Einzellagen komme, so Steitz. Auch bei den Bereichen könne das derzeitige Bezeichnungssystem in Rheinhessen zu Verwechslungen mit Ortsnamen führen. Daher schlug er vor, die Bereichsnamen sollten vielmehr einen regionalen Bezug haben. Bei der Profilierung von Einzellagen seien zudem die durch Schutzgemeinschaften festzulegenden Kriterien sorgfältig abzuwägen. „Hier könnten zum Beispiel die Rebsorte, der Hektarhöchstertrag und das Mostgewicht herangezogen werden“.
Das in der Kreisversammlung Mainz-Bingen vorgestellte Konzept ist laut Steitz zwar nicht eins zu eins umsetzbar, die Weinbauregion Rheinhessen könne sich aber als innovativer Standort profilieren. Darüber hinaus stellte Steitz die geplante Bildung einer Schutzgemeinschaft für das Anbaugebiet vor. Diese solle als Vertretung der Erzeuger die Kriterien für die Weinproduktion und -bezeichnung festlegen.
Friedrich Ellerbrock – LW 11/2018