„Wir Landwirte müssen uns von der bisherigen Milch-Abliefermodalität an die Molkereien verabschieden und in verschiedenen Bereichen Lösungsvorschläge selbst erarbeiten, ehe es andere für uns tun.“ Dies betonte Karsten Schmal, Präsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), vor Mitgliedern und Gästen in der Jahreshauptversammlung des Kreisbauernverbandes (KBV) Fulda-Hünfeld vergangene Woche in Künzell.
Schmal bemängelte in seiner Rede zur „Aktuellen Agrarpolitik“, dass Tierhaltung und Ernährung in Deutschland von emotionsgeprägten Diskussionen begleitet würden, bei denen „fachliche Dinge keine Rolle mehr spielen“. Mit ihrem Misstrauen rüttelten Tierschützer, NGOs und mediale Meinungen am Image der Bauern.
Politik muss verlässlich sein
Unter anderem nannte er die zweitweise Haltung von Muttersauen in Kastenständen. Da werde aus der Erkenntnis in einem Großbetrieb in Sachsen-Anhalt ein bundeseinheitliches Vorgehen abgeleitet. Dies könne für Ställe, die vor zwei Jahren auf das Tierwohl ausgerichtet gebaut und staatlich gefördert wurden, bedeuten, dass sie plötzlich nicht mehr zulässig sind. HBV-Präsident Schmal: „Verlässlichkeit in der Politik sieht anders aus. Damit erreicht man, dass von unseren letzten 400 hessischen Sauenhaltern demnächst die Hälfte aufhört.“ So werde die Position im internationalen Handel geschwächt, so der HBV-Präsident. „Dänen und Spanier liefern uns dann die hier fehlenden Ferkel. Und diese kommen vielleicht aus Ställen, die von unseren Tierschutzauflagen weit entfernt sind.“
Schmal lobte das Land Hessen für die Aufstockung und der zeitigen Auszahlung der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete (AGZ). Allerdings gingen jene hessischen Betriebe, auch solche, die historisch im benachbarten Bayern oder Niedersachen entsprechende Flächen bewirtschafteten oder gar besäßen, leer aus. Umgekehrt jedoch zahle Hessen Gelder aus. „Dies muss geändert werden“, so seine Forderung.
Während neue Schädlinge sowie Krankheiten hinzukämen, liefen Pflanzenschutzmittelzulassungen aus, kritisierte Schmal und rief gleichzeitig alle zu dem eingeschlagenen Weg der Maßhaltung beim Mitteleinsatz auf. Die hessischen Imker wolle man mit Blühstreifen auf Feldern unterstützen. Gerade dann, wenn der Raps verblüht sei wolle man den Honigbienen Nahrung anbieten. Dies tue dem Image der Landwirtschaft gut (siehe LW Nr. 9, S. 8).
Landwirte profitieren nicht von größeren Spannen
Auch die bevorstehende Umsetzung der neuen Düngeverordnung nahm Schmal kritisch „unter die Lupe“. Ebenso die bürokratisch nicht einfache Lösung zur Antragstellung auf Agrardiesel-Zuschuss.
Auf Schmals Agenda standen zudem die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels und der Ernährungsindustrie, die die Landwirtschaft schamlos ausnutzten und Erzeugerpreise diktierten.
KBV zählt 2 424 MitgliederDer Kreisbauernverband Fulda-Hünfeld zählt aktuell 2 424 Mitglieder wie Geschäftsführer Dr. Hubert Beier in der Jahreshauptversammlung in Künzell mitteilte. Der zu betreuende Flächenbestand der Gesamtmitglieder erhöhte sich leicht auf 56 256,83 Hektar.
Beier ging auf die agrarpolitischen Rahmenbedingungen für die Landwirte in einem sehr schwierigen Jahr 2016 mit einem Preisverfall in fast allen Produktionsbereichen ein. Er stellte einen in der Öffentlichkeit und in der Politik sowohl in den Bereichen Tierhaltung als auch im Pflanzenbau sowie –schutz deutlich verstärkten Druck im Vorjahr fest. Auch unter diesem Aspekt sei es notwendig, dass der Bauernverband seine Öffentlichkeitsarbeit verstärke und mit Verbrauchern vermehrt in einen Dialog trete. Der KBV sei auf vielfältige Weise aktiv gewesen und habe die Mitglieder vertreten.
Neue Aufgaben stünden bevor. Etwa im Planungsrecht hinsichtlich neuer Stromtrassen durch den Landkreis Fulda als auch beim angepeilten viergleisigen Ausbau der Bahnverbindung Fulda – Frankfurt. Hinsichtlich der SüdLink-Stromtrasse soll die ursprünglich vorgesehene Hochspannungsleitung als Erdverkabelung verlegt werden. Zu allen Projekten habe der KBV seine Stellungnahmen abgegeben.
bhDie Spanne zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen habe eine deutliche Ausweitung erfahren, ohne dass die Landwirtschaft davon profitiere.
Der jetzige Erlös von 32 Cent/Liter Milch sei noch lange nicht für eine Existenz ausreichend, stellte Schmal fest. Man müsse mit den Molkereien die Liefermengen „selbst in den Griff bekommen und im Milchbereich besser kommuniziere“, um keine Überschüsse zu produzieren. Er nannte eine Liefermengenbegrenzung einer norddeutschen Molkerei, die den Landwirten 90-prozentige Preisabschläge für überlieferte Milch berechne.
Exportmärkte erschließen, neue Auflagen unterlassen
Innovationen müssten gefördert und umgesetzt, Exportmärkte weiter geöffnet und nicht genutzte Wertschöpfungspotenziale in den Molkereien gehoben werden. Der HBV-Präsident forderte die Politik dazu auf, die Marktorientierung mit Leitplanken fortzusetzen, ihren Beitrag bei der Erschließung von Exportmärkten zu leisten, jedoch weitere Auflagen für die Landwirtschaft zu unterlassen.
Künzells Bürgermeister Timo Zentgraf hob Probleme beim Hochwasserschutz hervor, die sich insbesondere durch starke Bebauungen ergeben. Hier sei die Bereitschaft zur Veränderung und Gespräche zwischen Kommunen und Landwirten notwendig.
Die Landwirtschaft, und damit auch das Landratsamt, tangierten viele gesellschaftliche Themen wie etwa Naturschutz und Nitrat im Grundwasser und weitere, erklärte Landrat Bernd Woide. „Über Naturschutz nur zu reden, ist billig. Verbraucher sollten Verantwortung übernehmen und den Landwirten auch das zugestehen, was sie an Entlohnung für Landschaftspflege und Naturschutz bekommen müssten.“
Für den Erhalt des regionalen Schlachthofes
Das Thema Schlachthof Fulda, das alle mit Sorge betrachten, ließ der Landrat ebenfalls nicht aus. Er trat dafür ein, die regionale Schlachtmöglichkeit aufrechtzuerhalten. Christian Bug, Agrarsprecher der Hessischen Landjugend, erwähnte die vielen Aktivitäten des Nachwuchsverbandes, der sich auch politisch, in Verbänden und Agrarausschüssen einbringe. Als Sprüche-Plakataktion „der untersten Schublade“ bezeichnete er die von Bundesumweltministerin Hendricks wieder „eingestampfte“ Aktion und entgegnete mit einem eigenen Spruch: „Wer im Winter Bauern quält, wird im Herbst gleich abgewählt.“ Bundestagsabgeordneter Michael Brand (CDU) bezeichnete die Plakatkampagne schlichtweg als eine „Sauerei“.
KBV-Vorsitzender Matthias Bug bedauerte das Ergebnis einer Umfrage, in der 72 Prozent der Befragten keine Ahnung davon hatten, was moderne Landwirtschaft bedeute. Auch er kritisierte ein unsägliches Ausmaß an Bürokratie mit einer immer „höheren Schlagzahl“ für die Betriebe, die sich zudem in einer existenziell schwierigen Phase befänden. In Bezug auf den Fuldaer Schlachthof rief er Vermarktungsorganisationen, Handwerk, Kommunen und Politiker dazu auf, sich für dessen Fortbestand, für die regionale Verarbeitung sowie die vorhandenen Arbeitsplätze in diesem einzubringen.
bh – LW 10/2017