Wer sich in seinem Hofladen mehr Freiräume wünscht, findet mit der Selbstbedienung womöglich ein passendes Konzept. In einem Online-Seminar des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen hatten drei Betriebe aus Südhessen und dem Westerwald die Gelegenheit ihre Selbstbedienungsläden vorzustellen. Neben der Warenwirtschaft ging es dabei vor allem um Bezahlsysteme und den personellen Aufwand.
Selbstbedienungskonzepte in der Direktvermarktung sind vor allem aufgrund des geringen Personalaufwandes und dem Wunsch nach alternativen Einkaufsmöglichkeiten bei den Verbrauchern attraktiv. Zudem wirkt das Konzept innovativ und modern. Damit werden potenziell auch jüngere angesprochen und zu möglichen Kunden. Die Direktvermarktung mit Selbstbedienung kann sowohl auf der Hofstätte als auch fernab der Hofstätte an günstig gelegenen Plätzen mit viel Publikumsverkehr oder guter Verkehrsinfrastruktur betrieben werden. Die im Folgenden vorgestellten Betriebe vermarkten ihre Produkte erfolgreich über Hofläden mit verschiedenen Selbstbedienungskonzepten direkt. Daneben nutzen zwei der drei Betriebe Verkaufsautomaten, über die sie hofeigene und zugekaufte Produkte aus der Region an prominenten Stellen mit viel Publikumsverkehr verkaufen.
Einkauf, Bezahlung und Warenwirtschaft laufen digital ab
In den Hofläden von Sascha und Melanie Mathis im Rheinland-Pfälzischen Ewighausen kaufen die Kunden komplett digital ein. Das Sortiment umfasst unter anderem Eier und Fleisch ihrer Legehennen und Masthähnchen sowie einige zugekaufte Produkte wie Eis. Angefangen hatte das Ehepaar 2021 ursprünglich mit einer Vertrauenskasse und Bargeldzahlung im ersten Hofladen an ihrer Hofstätte – bereits hier mit Selbstbedienung. Schnell kamen zudem die Zahlung über den Zahlungsdienstleister Paypal und mit EC-Karte dazu. Nach der Eröffnung ihres zweiten Selbstbedienungs-Hofladens im Nachbarort fielen ihnen bei der täglichen Kassenabrechnung vermehrt Fehlbeträge und Falschgeld in der Kasse auf. Es schlichen sich erste Zweifel am Bezahlsystem ein. Zudem wurde ihnen die manuelle Kassenabrechnung und Inventur, die täglich durchgeführt werden muss, zu zeitintensiv.
2023 wurde in beiden Hofläden die Barkasse gestohlen. Daraufhin haben sich die Rechtsanwältin und der Fachangestellte für Arbeitssicherheit entschieden ein volldigitales Bezahlsystem einzuführen, das gleichzeitig auch als Zugangssystem fungiert.
Nur geringfügige Umbauten an den Hofläden vorgenommen
Das System der Firma Lokbest bietet den Kunden der Nebenerwerbslandwirte die Möglichkeit den Laden zu betreten, nachdem sie eine App heruntergeladen und ein Konto angelegt haben. Sie werden dann per SMS von Mathis validiert. Über die App können dann auch die Waren aus dem Laden gescannt und im System verbucht werden. Die Zahlung erfolgt anschließend über eine Weiterleitung an einen Zahlungsdienstleister. Mit dabei sind unter anderem Google Pay, Apple Pay oder Paypal. Auch die Zahlung über EC-Karte über einen Zahlungsterminal der Firma SumUp wird angeboten. Da das Ehepaar den landwirtschaftlichen Betrieb inklusive der Direktvermarktung im Nebenerwerb führt, ist für sie ein effektives Zeitmanagement von großer Bedeutung. Praktisch ist deshalb, dass Lokbest auch als Warenwirtschaftssystem fungiert und niedrige Bestände per E-Mail meldet. So sparen sie sich die Kontrollfahrten zu den Hofläden und können zielgerichtet Produkte nachfüllen.
Die Investitionskosten und die laufenden Kosten beschreibt Sascha Mathis als gering im Vergleich zu den fortwährenden Fehlsummen in der Kasse aufgrund von Diebstahl. An den Hofläden musste das Ehepaar lediglich einen Stromanschluss für die Türen einrichten, die mit einem Summer geöffnet werden, der auf die App reagiert. Das Kartenterminal der Firma SumUp sei ebenfalls nicht sehr teuer gewesen. Für das System von Lokbest zahlen sie im Monat etwa 100 Euro und einen gewissen Prozentsatz des App-Umsatzes.
Mathis vermutet ein paar ältere Kunden aufgrund des digitalen Einkaufssystemes verloren zu haben. Dafür seien allerdings zahlreiche jüngere Kunden dazugekommen, die es schätzen unabhängig von Öffnungszeiten zu sein. Die Laufkundschaft habe das Ehepaar ebenfalls nicht eingebüßt, da die Lokbest-App schnell heruntergeladen werden könne und die Nutzung unkompliziert sei. Als große Unterstützung im Arbeitsalltag nimmt Sascha Mathis den Telefonsupport des Anbieters wahr. Dieser ist sowohl für die Ladeninhaber als auch für die Endkunden an den Werktagen und teilweise auch darüber hinaus erreichbar, wenn Probleme mit der Technik auftreten. So müssen die Betriebsinhaber nicht dauerhaft erreichbar sein.
Selbstbedienung im Laden – aber nicht das ganze Jahr über
Christine und Ditmar Kranz vom Scholzenhof bei Wiesbaden vermarkten über einen Hofladen mit Selbstbedienung in einer Scheune an ihrer Hofstätte, den sie selbst über viele Jahre aufgebaut haben. Dort gibt es die von ihnen erzeugten Eier, Kartoffeln und Suppenhühner, aber auch zugekaufte Produkte aus der Region und Produkte aus dem Großhandel. Der Laden wird mithilfe von drei Minijobberinnen aus dem Bekanntenkreis unterhalten und bestückt. In der Erdbeerzeit ist der Laden allerdings von 8 bis 19 Uhr mit Personal besetzt, da es Probleme beim Erdbeerverkauf gab. Zu viele Kunden kamen in den Laden und einige sortierten die vorgepackten Schalen um. „Das funktioniert so einfach nicht. Wir haben gemerkt, dass wir die Erdbeeren nicht alleine lassen können“, resümiert Kranz. In der Erdbeersaison können die Kunden auf dem Hof auch Erdbeeren selbst pflücken und im Anschluss das parallel dazu geöffnete Hofcafé besuchen.
Die Bezahlung im Laden erfolgt über eine Vertrauenskasse zur Zahlung mit Bargeld oder ein EC-Terminal der Firma SumUp. Auch eine Zahlung über Paypal ist möglich. Klappt es mit keiner der Zahlungsmethoden können die Kunden auch per Überweisung – es liegt ein Zettel mit einer Bankverbindung für den Fall aus, dass das digitale System nicht funktioniert oder das Bargeld vergessen wurde.
Vorteile sieht Kranz bei der Selbstbedienung vor allem in den flexiblen Arbeitszeiten, dem Freiraum, den die Betreiber für andere Tätigkeiten auf dem Hof gewinnen und den überschaubaren Lohnkosten für Mitarbeiter. Zudem konnte sie eine Umsatzsteigerung durch unbegrenzte Öffnungszeiten feststellen, denn ihr Hofladen ist, wie auch der von Mathis, rund um die Uhr jeden Tag geöffnet. Dafür bekam die Familie besonders viel positives Feedback von den Kunden. Kranz berichtet von einem hohen Aufkommen an Laufkundschaft gerade an den Wochenenden bei schönem Wetter.
Nachteilig sieht sie den reduzierten Kundenkontakt. So kann schlechter auf die Bedürfnisse der Kundschaft eingegangen werden. Um den Kunden Neuerungen oder Nachrichten mitzuteilen muss Kranz Schilder aufhängen. „Mitunter kommen einige zusammen“, erzählt sie. „Das führt zu einem regelrechten Schilderwald, der manchen Kunden dazu übergehen lässt, die Schilder gar nicht erst zu beachten.“
Als Hauptproblem stellt auch sie klar den Diebstahl von Bargeld aus der Kasse oder Waren heraus. Kranz widerstrebt es jedoch bisher die Barkasse vollständig abzuschaffen. Die Familie hat im Laden deshalb ein System zur Videoüberwachung eingerichtet, das dabei helfen soll, vor Diebstahl abzuschrecken. Ein System zur automatisierten Warenwirtschaft kann sich Familie Kranz auch für ihren Laden vorstellen. Damit würde vor allem die allabendliche manuelle Inventur für sie vereinfacht. In Zukunft möchte die Familie außerdem mehr eigenes Gemüse anbauen und eines ihrer Hühnermobile gegen ein größeres Austauschen, um mehr eigene Produkte für die Direktvermarktung zu haben.
Den Hofladen modernisiert und attraktiver gestaltet
Im hessischen Biblis hat die Familie Ochsenschläger bereits 2002 einen Hofladen aufgebaut. Sie vermarkten ihre Kartoffeln, Gemüse, Eier, Freilandhähnchen und viele weitere Produkte direkt an ihre Kunden. Ihren gesamten Hofladen hatte die Familie Ochsenschläger mit einem hohen Anteil an Eigenleistung 2024 das Jahr über komplett umgestaltet – und das im laufenden Betrieb. Das Lichtkonzept im Laden wurde vollständig erneuert, Regale umgeräumt oder ausgetauscht und alte Möbel gestrichen. So viel wie möglich leistete das Ehepaar dabei selbst.
Ebenfalls hinzu kamen neue Kühlmöbel und das Ackerpay-System. Die Kunden können über das System Ackerpay mit der EC- oder Kreditkarte und dem Handy die Tür öffnen, sich die Ware nehmen, bei Bedarf am Terminal abwiegen und dann Zahlen über ein EC-Terminal. Das System besitzt eine Sprachsteuerung zur erleichterten Bedienung. Die vom Kunden gekauften Produkte werden automatisch aus dem in Ackerpay integrierten Warenwirtschaftssystem gebucht und der Bestand aktualisiert. Durch die Umgestaltung konnten sie den Umsatz mit ihren eigenen Produkten deutlich steigern.
Möglichkeit zum Kundengespräch von Donnerstag bis Samstag
Geöffnet ist der Hofladen täglich von 8 bis 22 Uhr. Sonntags öffnet der Laden von 8 bis 18 Uhr, damit die Gäste der Ferienappartements über dem Laden längere Ruhezeiten haben. Von Donnerstag bis Samstag ist Dagmar Ochsenschläger zusätzlich zu festen zeiten selbst im Laden, berät die Kunden und erklärt ihnen bei Bedarf die Produkte. Während dieser Zeit können die Kunden Ackerpay trotzdem nutzen, um schneller ihre Waren zu bekommen. „Das System ermöglicht mir mehr Lebensqualität, ich bin unabhängig in Bezug auf Urlaub oder Krankheit“, sagt sie. Um Diebstahl vorzubeugen haben Ochsenschlägers, wie Familie Kranz, ein Kamerasystem im Laden installiert. Sie hatten bisher allerdings nur wenige Probleme mit Diebstahl.
Um die Aufenthaltsqualität für ihre Kunden zu verbessern hat Ochsenschläger zudem eine Kaffeemaschine angeschafft, an der sich Kunden einen Kaffee aus Bohnen einer lokalen Rösterei genehmigen können. „Man muss der Kundschaft ein Shoppingerlebnis bieten, dann kaufen sie auch ein bisschen mehr ein“, erklärt sie. Pläne zur Erweiterung des Ladens hat Familie Ochsenschläger bisher nicht. Sie möchten sich zunächst auf ihre weiteren Betriebszweige konzentrieren.
AS – LW 12/2025