Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere müssen für Tierhalter oberste Priorität haben – sowohl aus Tierschutzgründen als auch aus ökonomischen Aspekten. Da die Leistung der Tiere die Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebes letztendlich maßgeblich beeinflusst. Deshalb fand die theoretische und praktische Schulung zum Umgang mit Nottötungen kürzlich in den Arbeitskreisen Milcherzeugung durch Dr. Theresa Scheu, praktische Tierärztin der Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle, statt.
Trotz tiergerechter Haltung, Hygiene und Fütterung sind Erkrankungen oder Verletzungen in der Tierhaltung jederzeit möglich. Damit Rinderhalter gut geschult agieren können, ist Fort- und Weiterbildung unerlässlich. Sie tragen die Verantwortung für den fachgerechten Umgang mit den Tieren, müssen über Transportfähigkeit entscheiden oder als letzte Option eine Nottötung in Erwägung ziehen.
Notwendigkeit einer Nottötung hinterfragen
Dr. Theresa Scheu, praktische Tierärztin an der Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung Hofgut Neumühle, referierte in mehreren hessischen Arbeitskreisen, die sich schwerpunktmäßig dem Thema Milcherzeugung widmen. Das Netzwerk Fokus Tierwohl (NFT), in dem der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) Verbundpartner ist, übernahm die Veranstaltungskosten. Weiterhin stellte das NFT den Teilnehmenden in den Veranstaltungen ein Rinderkopf-Modell für praktische Übungen zur korrekten Bolzenschussbetäubung zur Verfügung.
Im Tiergesundheitsmanagement hat eine intensive und vor allem tägliche Beobachtung den höchsten Stellenwert. Die mindestens einmalige Tierbeobachtung pro Tag ist nicht nur laut Tierschutznutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) vorgeschrieben, sondern bietet Tierhaltern die einzige Möglichkeit, neben dem Einzeltier auch die gesamte Herde gut im Blick zu behalten. Nur so kann im Fall einer Auffälligkeit, wie einer Verletzung oder Erkrankung, schnellstmöglich reagiert werden. Sollten therapeutische Maßnahmen nötig sein, können bei frühzeitigem Erkennen in Zusammenarbeit mit dem Hoftierarzt gute Behandlungsergebnisse erzielt werden. Eine Nottötung ist immer zu hinterfragen! Es sollte herausgefunden werden, warum eine Verletzung oder Krankheit entstanden ist, um sie in Zukunft zu verhindern. Zum Erkennen von kranken und verletzten Milchkühen werden den Tierhaltern für die tägliche Praxis durch das NFT weitere Informationen und praktikable Check-ups zur Verfügung gestellt.
Rechtliche Rahmenbedingungen
In der Rechtsprechung wird den Tierhaltern die Verantwortung für Schutz und Wohlergehen ihrer Tiere übertragen (Tierschutzgesetz §1). Dies gilt auch für den Moment und die Entscheidung, wann und wie ein Tier aus dem Leben scheidet. Neben der planmäßigen Schlachtung zur Lebensmittelerzeugung kann es jederzeit zu unvorhergesehenen, unheilbaren Verletzungen und Erkrankungen des Tieres kommen, die einer tierärztlichen Euthanasie bedürfen oder eine Nottötung mittels Bolzenschuss und Blutentzug erforderlich machen.
In der EG-Verordnung Nr. 1099/2009, Artikel 2 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung wird die Nottötung wie folgt definiert: „Die Nottötung ist die Tötung von verletzten Tieren oder Tieren mit einer Krankheit, die große Schmerzen oder Leiden verursacht, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, diese Schmerzen oder Leiden zu lindern […].“ Gemäß Artikel 19 ergreift der Halter der betroffenen Tiere im Falle der Nottötung alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Tiere so bald als möglich zu töten.
Handelt es sich bei der Nöttötung um einen Einzelfall im eigenen Bestand, reicht die Fachkenntnis (Berufsabschluss Landwirt) der durchführenden Person aus. Personen, die berufs- oder gewerbsmäßig regelmäßig Rinder töten (Metzger), bedürfen eines Sachkundenachweises.
Bei schweren Verletzungen oder Krankheiten liegt es in der Verantwortung der tierhaltenden Person, die Tiere vor weiteren unnötigen Schmerzen und Leiden zu bewahren. Als Entscheidungshilfe für das Nottöten kann die nebenstehende Grafik genutzt werden, die dem DLG Merkblatt 459 entstammt, oder der bestandsbetreuende Tierarzt zu Rate gezogen werden.
Voraussetzungen und Ablauf einer Nottötung
Voraussetzung für die Betäubung mit dem Bolzenschussapparat ist, den Tierkopf sicher zu fixieren, um das Gerät gezielt aufsetzen zu können. Bei fachgerechter Betäubung sackt das Tier in sich zusammen und ist empfindungs- und wahrnehmungslos. Ist dies geprüft, muss das Tier unverzüglich mit einem Brustschnitt entblutet werden.
Wichtig ist zudem, die Funktionsfähigkeit des Bolzenschussapparates durch eine regelmäßige Wartung sicherzustellen, um eine ordnungsgemäße Betäubung durchführen zu können. Hinsichtlich der Sicherheit muss das Gerät trocken und für Unbefugte unzugänglich aufbewahrt werden. Sollte der Tierhalter physisch und psychisch nicht in der Lage sein, eine Nottötung durchzuführen, muss der bestandsbetreuende Tierarzt mit der Euthanasie des Tieres beauftragt werden.
Nottöten ist und bleibt damit eine Einzelfallentscheidung und muss von Tierhaltenden immer aus der Sicht der ethisch-moralischen Perspektive und vernünftigen Gründen, die im Tierschutzgesetz beschrieben werden, genau abgewogen werden.
In mehreren hessischen Arbeitskreisen zur Milcherzeugung wurden Milchviehhalter in der NFT-Veranstaltung mit den Übungen am Rinderkopf-Phantom im sicheren Umgang mit dem Bolzenschussgerät geschult.
Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass durch Arbeitskreisveranstaltungen mit interessanten Themen zur Fort- und Weiterbildung der Landwirte beigetragen wird. Im Zuge dessen können Experten Fachwissen auch zu kritischen Themen vermitteln und praxisnah schulen.
Fortbildung kann angerechnet werden
Die Teilnahmen an Arbeitskreis- oder NFT-Veranstaltungen können Milchviehhaltern als Weiterbildungsmaßnahmen bescheinigt werden, die im Rahmen von QM++ eingereicht werden können.
Bei Interesse an den regionalen Arbeitskreisen zur Milcherzeugung oder näheren Informationen dazu, geben die Beratungskräfte des Beratungsteams Tierhaltung des LLH Auskunft (Ansprechpartner unter: llh.hessen.de/tier/rinder/verletzte-kranke-rinder/).
LLH – LW 17/2025