Landfrauen aus Hessen, Thüringen und Polen kamen in Ermland und Masuren zusammen. Gemeinsam begaben sie sich zum Ursprung der Landfrauenbewegung – auf die Spuren von Elisabeth Böhm, der Gründerin der heute weltweiten Landfrauenbewegung – und erlebten deutsch-polnische Geschichte früher und heute.
In diesem Jahr feierte der Thüringer Landfrauenverband sein 25-jähriges Jubiläum. 1991 wurde er gegründet – auch mit Unterstützung und Starthilfe des LFV Hessen. Nach dem Fall der Mauer hatten hessische Landfrauen bereits die ersten Kontakte mit den thüringischen Frauen. Gemäß dem Motto „Landfrauen helfen Landfrauen“ halfen sie, einen aktiven Verband in Thüringen aufzubauen. Beispielsweise hatte sich Lieselotte Nüßlein, damalige Geschäftsführerin des LFV Hessen, als ehrenamtliche Mitarbeiterin für die Koordinierung der Aufbauarbeit im Nachbarland Thüringen zur Verfügung gestellt. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des LFV Hessen im Jahr 1998 zog Magdalena Behlert, Vorsitzende des Thüringer Landfrauenverbandes, Bilanz: „Wir haben gemeinsam ein Stück Wiedervereinigung geprägt.“
Nun verbrachten 42 hessische und thüringische Landfrauen gemeinsam acht Tage in Ermland und Masuren. Unter der hochmotivierten und -qualifizierten Leitung von Ewa Kaczynska erhielten die Landfrauen nicht nur einen umfassenden Eindruck von der wechselhaften Geschichte dieses Landstriches und der Kultur, sondern erfuhren viel Wissenswertes rund um Familie, Politik und Gesellschaft im heutigen Polen. Besondere Einblicke erhielten sie in den Alltag, das Familienleben und die Lebensgeschichten ihrer Gastfamilien. Untergebracht waren sie nämlich auf Bauernhöfen bei deutschstämmigen Landfrauen. „Die Gastfreundschaft war unbeschreiblich“, berichtete Präsidentin Hildegard Schuster, die mit den hessischen Landfrauen gereist war.
Während der abwechslungs- und erlebnisreichen Reise erkundeten die Landfrauen Masuren von Norden bis Süden und machten unter anderem Halt in Marienburg, Frauenburg und Allenstein (Olszyn). Besonders ergreifend und bedrückend war zum einen die Besichtigung der Gedenkstätte für die Widerstandskämpfer um Graf Stauffenberg in dem ehemaligen Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ und zum anderen die Besichtigung an der Haffküste, an der 1945 über Hundertausende aus Ostpreußen über die Ostsee flüchteten. Der Blick reichte sogar bis ins nördliche Ostpreußen, das heute zu Russland gehört. Hier wurde deutsch-polnische Geschichte erlebbar. Neben diesen beiden historisch bedeutsamen Orten besuchten die hessischen und thüringischen Landfrauen außerdem das Gut Lamgarben, das Elisabeth Böhm gemeinsam mit ihrem Mann von 1880 bis 1911 bewirtschaftete. Sie hatte den Grundstein für die Landfrauenbewegung gelegt. Von dem Leben und Wirken der Gründerin und von den Anfängen und der Entwicklung der Bewegung berichtete Hildegard Schuster. Bei Besichtigungen verschiedener Bauernhöfe und eines Bauernmuseums sahen die hessischen und thüringischen Landfrauen, mit welchen weiteren Standbeinen und Einkommenskombinationen die Familien ihr Einkommen sichern.
Die gemeinsamen Ausflüge, Abende, ein Freundschaftstreffen oder auch das Abendessen bei Anna Wager-Rybinska, der Vorsitzenden der deutschstämmigen Landfrauengruppe, boten den Landfrauen Gelegenheiten, sich untereinander über die Vereinsarbeit, ihre Erfahrungen und Erlebnisse und die Bedeutung der Landfrauenarbeit auszutauschen – und das über die Landes- und Bundesgrenzen hinweg.
LFV – LW 35/2016