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Waldrundgang der Waldbesitzer Waldeck-Frankenberg

„Wir kommen nicht als Bittsteller“

„Die Politik in Berlin hat unsere Situation wahrgenommen“, stellte der Vorsitzende der Kreisgruppe Waldeck-Frankenberg im Hessischen Waldbesitzerverband, Uwe Steuber, eine positive Nachricht an den Beginn seiner Begrüßung der Gäste. Diese waren zum diesjährigen Waldrundgang und Politikergespräch auf Hof Treisbach in der Großgemeinde Vöhl am Donnerstag vergangener Woche gekommen. Steuber bezog sich auf den Besuch von Kanzleramtsminister Dr. Helge Braun bei den Waldbesitzern im Raum Gießen im vergangenen Jahr. „Auch Geld ist seitdem geflossen – wenn auch nicht so unbürokratisch wie erhofft“, stellte Steuber fest.

Kreisvorsitzender Uwe Steuber (links) hieß die Gäste auf den Forstflächen des Hofgutes Treisdorf willkommen; rechts Waldbäuerin Charlotte Regenbogen-Backhaus und Ehemann Ditmar. Foto: Dietz
Pilzbefall mit Schleimfluss bei Buchen schädigt den Baum nachhaltig. Wie Charlotte Regenbogen-Backhaus an der Anschnittfläche erläutert, ist die Standsicherheit schon sehr stark beeinträchtigt, bevor die Schädigung äußerlich überhaupt erkennbar ist. Diese Buche musste von Profis mit erheblichem Mehraufwand wie dem Einsatz einer Seilwinde gefällt werden, um die Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen. Sie stand am Erschließungsweg für einen Fernmeldemasten. Foto: Dietz

Seiner Einladung gefolgt waren neben Mitgliedern der Kreisgruppe Esther Dilcher, SPD-MdB, Claudia Ravensburg und Armin Schwarz, beide CDU-MdL, und Dr. Daniela Sommer, SPD-MdL. Bei ausgesprochen hochsommerlichen Temperaturen, die den Besuchern einiges abverlangten, schilderte er die trotz der Hilfe aus Berlin dramatische Situation der Waldbesitzer, die zum einen wegen des sich bereits abzeichnenden Klimawandels einen Waldumbau bisher nicht gekannten Ausmaßes zu bewältigen hätten, und die von einer ganzen Reihe weiterer Problemstellungen hart gebeutelt würden. Als Stichworte nannte er häufiger auftretende Sturmereignisse und Borkenkäfer-Kalamitäten mit schwindenden Holzvorräten, verbunden mit künftiger Holzknappheit, ausufernde Verkehrssicherungs-Verpflichtungen durch die Straßenbaulastträger oder den enormen Aufwand bei Neuanpflanzungen oder Schäden durch Wild bei Naturverjüngung.

Schwere Stürme sind zu Regel-Ereignissen geworden

Waldbäuerin Charlotte Regenbogen-Backhaus, die gemeinsam mit Ehemann Ditmar und den Söhnen Frank und Carsten die Gäste willkommen hieß, hatte Anfang der 1980er Jahre den Forstbetrieb von den Eltern übernommen.

„Als wir nach dem November-Sturm 1984 die betroffenen Flächen mit hohem Aufwand geräumt, das Holz zu niedrigen Preisen verkauft und die Neuanpflanzung erledigt hatten, dachten wir, hoffentlich trifft uns so ein Schaden nicht öfters. Heute, nach Wiebke 1990, Lothar 1999, Kyrill 2007 und Friederike 2018 stellen wir fest, diese Ausnahmeereignisse sind zur Regel geworden.“ Dem Pflegeaufwand von 30 Jahren stünden keine Einnahmen gegenüber. Verbunden damit sei ein bedrohlicher Schwund der Holzvorräte, die zwingend zu künftig geringeren Holzerlösen führten und volkswirtschaftlich gesehen zu einem Holzmangel mit höherem Importbedarf.

Holzvorrat erst nach Jahrzehnten nachgewachsen

Und bei Holzimporten stelle sich die Frage, wen beuten wir aus? In der Landwirtschaft stehe nach einer Missernte im Folgejahr eine neue Ernte auf dem Halm. „In der Forstwirtschaft warten wir 60 Jahre (Nadelholz) oder 110 Jahre (Laubholz) auf die nächste Ernte“, so Regenbogen-Backhaus. Was heute gepflanzt werde, würden Enkel oder Urenkel ernten.

Baumartenmischung schon sehr früh erweitert

In den 1950er Jahren beginnend hätten ihre Eltern zur obligatorischen Fichte, noch heute der Brotbaum der Waldbesitzer, fast schon mit seherischer Weitsicht auch Douglasie, Lärche und die Küstentanne gepflanzt. Dass sich die Fichte wegen des Klimawandels heute von selbst verabschiedet, habe damals niemand ahnen können.

Aber das Prinzip, den Nachfolgern mit denkbaren Alternativen eine Auswahl zu ermöglichen, sei wegweisend. Dabei sei der Standort, im Windschatten des Rothaargebirges liegend, mit etwa 450 Millimeter Jahresniederschlag ohnehin schon nur für Trockenheitsresistente Baumarten geeignet.

Ertragsstarke Küstentannen sichern heute Einkommen

„Und heute sehen wir ertragsstarke Küstentannen, die uns wenigstens ein Mindestmaß an Einkommen sichern“, so Regenbogen-Backhaus. Nach diesem Vorbild müsste für noch trockenere Klimabedingungen in künftigen Jahrezehnten eine neue Mischung vermutlich geeigneter Baumarten angepflanzt werden. Dabei müssten Dogmen fallen, die die sogenannten heimischen Baumarten absolut setzten. Der Klimawandel fege diese Dogmen mit gnadenloser Trockenheit ohnehin hinweg.

Umtriebszeit zu halbieren als Überlegung eingebracht

Frank Backhaus brachte die Überlegung ins Spiel, die Umtriebszeiten zu verkürzen. Alte Bäume würden von der Industrie weniger stark nachgefragt. Und bei einer halbierten Lebensdauer wirkten schädigende Einflüsse auch nur kürzere Zeit auf die noch relativ jungen Bäume ein. Die Verkehrssicherungspflicht machten Hendrick Block von der Waldeckischen Domanialverwaltung und Christian Raupach, Geschäftsführer des Hessischen Waldbesitzerverbandes, zu einem weiteren Thema des Waldrundganges, das die Waldbesitzer, ob privat, kommunal oder gar landeseigen immer stärker belaste. Die Edersee-Uferstraße wurde nach Block mit beträchtlichem finanziellen Aufwand von möglichen forstlichen Gefahrenstellen befreit.

Verkehrssicherungspflicht als kalte Enteignung

Nach Raupach erreiche diese gesetzlich verankerte Last mittlerweile Dimensionen, dass der Aufwand die möglichen Erlöse der Waldbewirtschaftung übersteige. Damit drohe de facto eine Enteignung, richtete er an die Adresse der Abgeordneten die Bitte, in dieser Angelegenheit tätig zu werden. Selbst Hessen-Forst liege im Konflikt mit Hessen-Mobil darüber, ob die Lasten angesichts drastisch nach unten veränderter Deckungsbeiträge einfach weiterhin grenzenlos auf die Waldbesitzer abgewälzt werden dürften.

Die ersten Gerichtsurteile zugunsten des Schutzes des Privateigentums seien bereits ergangen. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Verkehrssicherungspflicht sei aber vom Gesetzgeber unmittelbar zu regeln und nicht in endlose Rechtsstreitigkeiten hinein durch alle Instanzen hindurch zu verlagern. Letzteres schwäche das Vertrauen der Waldbesitzer in staatliches Handeln.

Wollen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen

Prinz Carl Anton zu Waldeck und Pyrmont, Präsidiumsmitglied des Hessischen Waldbesitzerverbandes betonte, die Waldbesitzer wollten einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen und Bäume auf die Flächen bringen. „Dieser Verpflichtung aus dem Waldgesetz kommen wir Waldbesitzer gerne nach. Dafür aber brauchen wir angesichts des Klimawandels und anderer negativer Einflüsse von außen die unterstützung von Bund und Land. Wir kommen nicht als Bittsteller.“

Dz – LW 33/2020