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Zukunftsfähige Landwirtschaft erhalten

HBV-Vertreter treffen sich mit Europaabgeordneten

Vertreter des Hessischen Bauernverbandes haben sich vergangene Woche mit hessischen Abgeordneten des Europäischen Parlaments getroffen. Aufhänger waren die Vorschläge der Europäischen Kommission zur pauschalen Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (SUR), die den Hessischen Bauernverband derzeit stark beschäftigen. Der Vorschlag der EU-Kommission beinhaltet unter anderem ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln in sogenannten sensiblen Gebieten und eine Halbierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln bei einem stark ansteigenden Bürokratieaufwand.

Die Europaabgeordnete Nicola Beer, FDP (Mitte), geht nicht davon aus, dass der Verordnungsentwurf der EU-Kommisison zur Pflanzenschutzmittel-Reduktion in seiner aktuellen Fassung bestehen bleibt. Foto: hbv

Unter Führung von Thomas Kunz, Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes (HBV), trafen sich die Landwirte am Montag vergangener Woche mit Michael Gahler (CDU) und am Freitag mit Nicola Beer. Die FDP-Politikerin ist auch eine der Vizepräsidentinnen und -präsidenten des Europäischen Parlaments. Bei den Gespräch nahm auch Wiebke Knell (FDP), teil, Abgeordnete im Hessischen Landtag.

Das Treffen mit Michael Gahler fand auf dem Betrieb der Familie Bitsch in Bickenbach statt. Neben Familie Bitsch nahmen Wolfgang Dörr und Nobert Zöller, beide stellvertretende Vorsitzender des Regionalbauernverbandes (RBV) sowie RBV-Geschäftsführerin Nina Buchholz-Flor an dem Gespräch teil. Thematisch ging es um die EU-Verordnungsentwürfe zur Naturwiederherstellung und zur Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes sowie um die Frage, welche Auswirkungen diese Entwürfe auf die heimische Landwirtschaft haben würden.

Verlagerung der Produktion ins Ausland

Thomas Kunz betonte, dass die Ziele, den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren richtig seien, der vorgeschlagene Weg dorthin und die Maßnahmen aber nicht. Stattdessen müsse man auf Freiwilligkeit und Kooperation setzen, pauschale Reduktionsziele und generelle Verbote seien der falsche Ansatz, so Kunz. Michael Gahler sagte, dass er die Einwände verstehe und dass er sich mit seiner Fraktion dafür einsetzen wolle, dass die geplanten Entwürfe in ihrer jetzigen Form verhindert würden.

Insbesondere die anwesenden Direktvermarkter Dörr und Bitsch wiesen darauf hin, dass alle Lebensmittel, die durch die Entwürfe in Deutschland in Qualität und Menge nicht mehr produziert werden könnten, dann importiert werden müssten. Allerdings würden in Drittländern produzierte Lebensmittel unter Bedingungen angebaut, die in Deutschland verboten seien. Dies sei nicht tragbar. Es brauche Importregeln für gleiche Standards in puncto Pflanzenschutz.

Bürokratie nimmt die Lust am Beruf

Ein weiteres großes Anliegen der Landwirte war die stetig wachsende Bürokratie und die steigende Anzahl neuer Regelungen für die Landwirtschaft. Eine gute fachliche Praxis sei bei diesen Rahmenbedingungen kaum umsetzbar. Ein zu enges Regelwerk nehme die Lust am Beruf und mache manches Produktionsziel unmöglich. Die Forderung: Mehr Praxisnähe bei Regelungen und weniger Bürokratie.

Das Gespräch am Freitag fand auf dem Seefeldhof der Familie Zimmer in Butzbach statt. Neben den Vertreterinnen der FDP und Thomas Kunz nahmen unter anderem auch Andrea Rahn-Farr, Vorsitzende des Regionalbauernverbandes Wetterau-Frankfurt sowie Stefan Zimmer, Maximilian Reuhl und Jan Winter von den „Hoffreunden“ an dem Termin teil. Thomas Kunz erklärte, dass die sogenannte Sustainable Use Regulation (SUR) einen deutlichen Rückgang der Ernteerträge in Europa bedeuten würde und drastische Einbußen der heimischen Produktion zu Gunsten einer wachsenden Importabhängigkeit zur Folge hätten.

Obstbau massiv betroffen

Nicola Beer sagte, der Bauernverband könne zum aktuellen Zeitpunkt mit konstruktiven und gut realisierbaren Gegenvorschlägen auf den Vorschlag der EU-Kommission reagieren. Maximilian Reuhl beschrieb die Betroffenheit der Obstbauern und sagte, dass eine komplett andere Herangehensweise notwendig sei, da die Landwirte sowieso schon alles tun würden, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln so niedrig wie möglich zu halten. Die aktuellen Verordnungsentwürfe würden allerdings den hiesigen Obstanbau zum Erliegen bringen, da eine Produktion mit den vorgeschlagenen Regeln kaum umsetzbar sei.

Zudem machte er darauf aufmerksam, dass EU-Regelungen aktuell in jedem Land anders gehandhabt und kontrolliert würden, wodurch wirtschaftliche Nachteile für die regionale Produktion entstünden. Beer sagte, sie gehe nicht davon aus, dass der Verordnungsentwurf in seiner aktuellen Fassung bestehen bleibe. Sie und ihre Partei würden sich für eine Rücknahme des Entwurfs oder zumindest für deutliche Besserungen einsetzen. In diesem Zusammenhang betonte sie auch die Wichtigkeit von Smart-Farming-Technologien, mit denen der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln effizienter und ressourcenschonender durchgeführt werden könne.

hbv – LW 51/2022