Vom 11. bis 14. November fand auf dem Messegelände in Hannover parallel zur Eurotier die internationale Fachmesse für innovative Energieversorgung, die „Energy Decentral“, statt. Die Novellierung des EEG hat zu deutlichen Einbrüchen in der Branche geführt und zwingt viele Anbieter, aber auch potenzielle Investoren beziehungsweise Kunden dazu, neue Wege zu beschreiten – oder sich von diesem interessanten Wirtschaftszweig zu verabschieden.
Rund 350 Aussteller aus dem In- und Ausland informierten laut der veranstaltenden DLG über Trends und Innovationen zum Thema regenerative Energien. Allgegenwärtiges Thema – egal ob bei Anbietern für Photovoltaik-Anlagen, für Windkraft-Nutzung oder für den Bau und Betrieb von Biogasanlagen – war das neue EEG, welches die bisher von hohen Wachstumsraten geprägte Entwicklung der Branche nun deutlich ausbremsen dürfte.
Bau von neuen Biogasanlagen kommt fast zum erliegen
Die Zahlen, die der Fachverband Biogas bei einer Pressekonferenz in Hannover vorstellte, sind alarmierend: Der prognostizierte Zubau für 2014 liegt bei gerade mal 94 Neuanlagen mit einer installierten elektrischen Leistung von 41 Megawatt (MWel.). Für das kommende Jahr wird sogar ein noch geringerer Zubau erwartet. Einzig das sogenannte „Repowering“ und das Flexibilisieren von bestehenden Biogasanlagen kurz vor Inkrafttreten des EEG 2014 am 1. August dieses Jahres hätten noch einen signifikanten Zuwachs an Bemessungsleistung und flexibler Leistung gebracht. Unterm Strich sei der Zubau von Biogasanlagen in Deutschland aber fast vollständig zum Erliegen gekommen.
„Dass in diesem Jahr überhaupt noch etwas gebaut wurde, liegt an der Endralley derer, die noch vor dem Inkrafttreten des EEG 2014 ans Netz gegangen sind, um noch ins EEG 2012 zu fallen“, erklärte der Vizepräsident des Fachverbandes Biogas und Geschäftsführer eines Gesamtanlagenherstellers, Hendrik Becker. Seit dem 1. August 2014 und den seither dramatisch verschlechterten wirtschaftlichen Bedingungen für Biogas tendiert der Zubau gegen Null. Für 2015 erwartet der Fachverband Biogas gerade mal acht Megawatt (MWel.) an zusätzlicher Bemessungsleistung. Noch vor drei Jahren habe der Zubau bei 600 MWel. gelegen.
„Unter den aktuellen Gegebenheiten kommt die neu im EEG eingeführte Deckelung überhaupt nicht zum Tragen“, bemerkte Becker mit Blick auf den von der Bundesregierung festgelegten Ausbaukorridor für Biogas von maximal 100 MWel. pro Jahr. So verwundere es auch kaum, dass viele Mitgliedsfirmen im Verband die aktuelle Branchenlage als „eher schlecht bis sehr schlecht“ beurteilen.
Laut Becker trifft der massive Einbruch beim Bau neuer Biogasanlagen besonders stark Planer und Anlagenhersteller, die im Wesentlichen vom Neubau leben. „Diejenigen, die mit einem starken Servicegeschäft und einer frühzeitigen Orientierung auf Auslandsmärkte gegengesteuert haben, befinden sich in einer besseren Position“, ergänzte der Vizepräsident.
Biogas ist wichtiger Teil der Energiewende
„Dabei sind wir mit Biogas als Teil der Energiewende auf dem richtigen Weg“, betonte der Präsident des Fachverbandes, Horst Seide. Denn bereits bis Juli 2014 hätten sich Biogasanlagen mit einer Leistung von 1214 MW bei der Bundesnetzagentur als flexible Kraftwerke erfolgreich angemeldet. „Damit stellen wir die Leistung eines Atomkraftwerks verlässlich und flexibel aus erneuerbarer Energie zur Verfügung“, erläuterte Seide, der eine Anlage in Lüchow-Dannenberg betreibt.
Nach Schätzungen des Fachverbandes Biogas werden aufgrund der fehlenden Marktsignale für bedarfsgerechte Strombereitstellung aber erst ein Drittel dieser Anlagen auch wirklich flexibel betrieben. „Politisch kommt es nun darauf an, den Strommarkt so zu gestalten, dass eine flexible Fahrweise auch tatsächlich ermöglicht und honoriert wird“, forderte der Verbandspräsident. Hintergrund: Die Flexibilitätsprämie, die 2012 für den Zubau von flexibler Leistung, die in Zeiten hohen Bedarfs zusätzlich eingespeist werden kann, eingeführt wurde, wird mit dem neuen EEG wieder abgeschafft.
Firmen konzentrieren sich auf Service und Flexibilisierung
Die Anpassungsfähigkeit der Biogasbranche auf neue und auch schwierige Anforderungen unterstrich der Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Biogas, Dr. Claudius da Costa Gomez. In den nächsten Jahren würden sich die Firmen auf den Service, die Flexibilisierung der Anlagen im Strommarkt sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Wärme- und Mobilitätssektor konzentrieren. Im Inland und in Europa werde die Branche verstärkt Refinanzierungsmöglichkeiten durch erbrachte Umweltleistungen erschließen, wobei die Verwendung von Reststoffen und Nebenprodukten eine wichtige Rolle spiele.
„Für die Firmen bekommen natürlich die Auslandsmärkte eine höhere Bedeutung – dabei werden wir sie aktiv unterstützen.“ Dabei müsse, so der Verbandsvertreter weiter, sowohl im heimischen Markt als auch beim Export von Anlagen sehr dynamisch auf die jeweiligen Anforderungen reagiert werden. „In den vergangenen 14 Jahren, seit Inkrafttreten des EEG, gab es für die Akteure ein ständiges Auf und Ab. Daher bin ich überzeugt, dass die Biogasbranche auch dieses Tal durchschreitet. Denn unterm Strich wird es keine erneuerbare Energiewende ohne Biogas geben“, gab sich da Costa Gomez zuversichtlich.
Biogasanlagen bis 75 kW werden weiterhin gebaut
Aber nicht alle Aussteller an der Energie Decentral schauten so pessimistisch in die Zukunft. Alexander Christmann berichtete am Stand der Novatech GmbH aus dem fränkischen Wolpertshausen von gut gefüllten Auftragsbüchern im Bereich Biogasanlagen bis 75 kW – auch im Jahr 2015. Das Unternehmen plant und baut Biogas-, Solar- und Photovoltaik-Anlagen weltweit, allerdings mit Schwerpunkt in Deutschland. „Wir sehen gerade in Hessen noch Entwicklungsmöglichkeiten für Anlagen dieses Typs“, so der Geschäftsführer des Unternehmens, das unter anderem standardisierte güllebetriebenen Kleinanlagen anbietet.
Da die Neuprojektierung von Biogasanlagen aktuell an Bedeutung verloren hat, haben Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Optimierung bestehender Anlagen Konjunktur. Unternehmen wie beispielsweise die Cube Engineering GmbH aus Kassel stellten hierzu ein umfangreiches Beratungs-, Analyse- und Service-Angebot vor. Wie Mitarbeiter Ralf Monecke im Gespräch betonte, lohnt sich unter den momentan gegebenen Voraussetzungen eine Flexibilisierung der Stromeinspeisung normalerweise erst ab Anlagengrößen um 400 kW; aber auch für kleinere Leistungen oberhalb 250 kW könne sich unter Umständen eine Aufstockung rechnen.
Für größere Anlagen bleibt die flexible Einspeisung eine Option
Grundsätzlich sei eine solche flexible Einspeisung zu Zeiten, wenn viel Strom benötigt und somit auch höher bezahlt werde, immer mit einer Aufstockung der Leistung verbunden. So könne mehr regenerativer Strom zu Spitzenlastzeiten bereitgestellt werden; andererseits müssten die Anlagen durch weitere technische Maßnahmen wie Biogasspeicher auch in der Lage sein, bei wenig Bedarf das BHKW ruhen zu lassen, das Biogas zwischenzuspeichern und bei hoher Last bedarfsgerecht verstärkt einzuspeisen.
„Eine solche Umrüstung hat gleich mehrere Vorteile“, so der Berater: „Die Wirtschaftlichkeit der Einspeisung steigt, die Anlagen halten durch den nicht dauernd gegebenen Volllastbetrieb länger und bilden stille Reserven. Reparaturen am Stromaggregat können durch Redundanz flexibler gestaltet werden.“ Um die optimale Anlagengröße mit dem höchsten Stromerlös zu ermitteln, biete das Unternehmen eine entsprechende Flex Analyse für bestehende Biogasanlagen an. Auch die Regelung der Anlage je nach aktuellem Strompreis könne als Serviceleistung in Anspruch genommen werden.
DLG-Präsident: „Der Branche wurde der Stecker gezogen“
Im Rahmen des BioEnergy-Abends auf der Messe „Energy Decentral“ kritisierte DLG-Präsident Carl-Albrecht Bartmer die Förderpolitik der Bundesregierung: „Wenn Politik in die Märkte eingreift, so wie sie das mit dem EEG tut, muss sie verlässlich handeln, sonst führt dies zu Vertrauensverlusten. Die jetzige EEG-Novellierung zeugt nicht von strategischem Vorgehen“, so der DLG-Präsident. Jetzt müsse man den Fokus eben auf die 8000 bestehenden Biogasanlagen legen und diese weiterentwickeln. „Die dezentrale Energieerzeugung muss koordiniert und organisiert werden“, forderte Bartmer.
Der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Peter Bleser, zeigte Verständnis für Bartmers Kritik und führte als Grund für die Änderungen den gesellschaftlichen Druck an, Stichwort „Vermaisung“. Eine Antwort, welche die zahlreichen Fachbesucher der Veranstaltung sicher nicht zufriedenstellen konnte (s. Kommentar S. 4).
Ehrung der Bioenergiedörfer 2014
Im weiteren Verlauf des BioEnergy-Abends zeichnete Bleser dann die Gewinner des Wettbewerbs „Bioenergiedörfer 2014“ aus. Er dankte allen Gemeinden, die sich für die lokale Bioenergienutzung engagieren und sagte mit Blick auf die Preisträger: „Die Sieger dieses Wettbewerbs sind ein Musterbeispiel dafür, wie die Wertschöpfung vor Ort im ländlichen Raum gehalten werden kann. Wenn sich Menschen mit Unternehmergeist und Kreativität für ihre Heimat engagieren, können ländliche Regionen ihre Stärken entwickeln und beispielshaft Perspektiven für eine Zukunft mit einer hohen Lebensqualität schaffen.“
Der Staatssekretär unterstrich: „Für die Jury war es ein wichtiges Kriterium, dass die Menschen vor Ort in den Prozess eingebunden werden. Sie haben es geschafft, die effiziente Nutzung einer dezentralen Bioenergieversorgung zu einem identitätsstiftenden Merkmal ihrer Heimatorte zu machen. In den Gewinnerdörfern steht die Bevölkerung hinter den Projekten“, so Bleser.
Der bundesweite Wettbewerb „Bioenergiedörfer 2014“, der in diesem Jahr zum dritten Mal ausgerichtet wurde, richtet sich an Orte im ländlichen Raum, die mindestens 50 Prozent ihres Strom- und Wärmebedarfs aus regional erzeugter Biomasse decken und die effiziente Nutzung von Bioenergie mit regionaler Entwicklung verknüpfen.
Die drei ausgewählten Preisträger Bechstedt (Thüringen), Lathen (Niedersachsen) und Untermaßholderbach (Baden-Württemberg) erhalten jeweils ein Preisgeld in Höhe von 10 000 Euro für ihre fortschrittlichen Bioenergiekonzepte. Sie setzen entweder auf Holz aus lokaler Erzeugung, auf Strom aus Biogas oder auf Nahwärmekonzepte. Bei den Bioenergiedörfern 2014 waren die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an in die Projekte involviert. Sie gründeten Genossenschaften, die heute zum Teil Eigentümer der Anlagen oder eines Nahwärmenetzes sind.
Verunsicherung trifft auch Photovoltaik-Anbieter
Hersteller oder Anbieter von Photovoltaik-Anlagen suchte man auf der Energy Decentral übrigens fast vergebens. Lediglich Unternehmen, die auch, aber nicht ausschließlich die Verstromung von Sonnenlicht im Portfolio haben waren vertreten.
Die Verunsicherung sei derzeit so groß, dass der Markt hier fast tot sei, war bei verschiedenen Austellern zu hören.
KB – LW 47/2014