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„Wir brauchen gut ausgebildete und kommunikative Landwirte“

Landesverbandstag des vlf Hessen in Hofheim/Taunus

In Hessen sind gut 10 000 Fachschulabsolventen als ehemalige Landwirtschaftsschülerinnen und -schüler über ihre 30 Kreisvereine im Verband für landwirtschaftliche Fortbildung (VLF) organisiert. Zwar ist die Zahl der Fachschulen auf vier Standorte in Fritzlar, Alsfeld, Fulda und Griesheim zurückgegangen. Die Impulse, die aus den Vereinen für landwirtschaftliche Fortbildung sowohl für die Betriebsleiter, als auch für den Berufsnachwuchs kommen, ebenso ihr Stellenwert für gemeinsame Interessen landwirtschaftlicher Fami­lien, wie Exkursionen, sind aber weiterhin gefragt. Das wurde beim Verbandstag des Landesverbandes Hessen für landwirtschaftliche Fortbildung (vlf Hessen) vorige Woche im Hofheim am Taunus deutlich.

Der neue Vorstand des vlf Hessen mit Geschäftsführung und Vorsitzendem Jürgen Dexheimer und seinem Vorgänger Karl-Peter Mütze. Foto: Moe

Jürgen Dexheimer eröffnete den vlf-Landesverbandstag mit 60 Teilnehmern und Ehrengästen. Hofheims Bürgermeisterin Gisela Stang und Ingrid Hasse, Kreisbeigeordnete des Main-Taunus-Kreises, sprachen über die Bedeutung der Landwirtschaft in der Metropolregion. Stang sagte „Wir wohnen im Ballungsraum und sitzen dicht zusammen. Mancher Fußgänger hat kein Verständnis mehr dafür, dass Landwirte die Feldwege auch an den Sommerabenden benötigen, um die Ernte einzuholen, während sie spazieren wollen.“ Im wirtschaftsstarken und bevölkerungsreichen Rhein-Main-Gebiet könnten die Menschen auch auf Landwirte nicht verzichten. Sie wünsche sich den Anspruch, mehr regionale Produkte zu erzeugen und zu vermarkten. Das nütze der Umwelt, den Menschen und den Betrieben. Aber es gibt immer weniger Verarbeitungsstrukturen vor Ort, beispielweise in Frankfurt keinen Schlachthof mehr.

Argumentation der Landwirte wird benötigt

„Wir werden immer im kritischen Dialog sein, wenn wir sagen, wir brauchen Wohnraum im Ballungsraum. Um aber Herausforderungen bewältigen zu können und die vielen Aufgaben, die vor uns liegen, angehen zu können, benötigen wir die Argumente der Landwirtschaft. Dazu brauchen wir gut ausgebildete Landwirte, die kommunikativ sind“, so Bürgermeisterin Stang.

Dr. Nikolaus Bretschneider- Hermann, Leiter des Amtes für den ländlichen Raum beim Hochtaunuskreis, ging auf den Stellenwert der VLF-Informationsveranstaltungen im Zuge der Vermittlung des landwirtschaftlichen Fachrechts ein und meinte: „Wir könnten die Informationen der Agrarverwaltung nicht so weitergeben, wenn wir nicht die Vereine für landwirtschaftliche Fortbildung haben.“ Die Regelungen, wie die des Pflan­zen­schutzgesetzes, der Dünge­rverordnung oder des Förderrechts, seien kom­pli­ziert und müssten erläutert werden. Dazu sei die Agrarverwaltung auf die Unterstützung der VLF-Infotage angewiesen.

Versuchen, Konsens mit der Bevölkerung zu finden

Jürgen Pauly, Vorsitzender des VLF Frankfurt-Höchst des in diesem Jahr gastgebenden Kreisvereins des Landesverbandstages, stellte die Landwirtschaft im Main-Taunus-Kreis, dem kleinsten Landkreis Hessens, vor. Die Betriebe sind eher klein strukturiert, nutzen aber häufig für die Vermarktung ihrer Erzeugnisse und Leistungen die Nähe zum Ballungsraum und sind daher vielfach wirtschaftlich gut aufgestellt, stellte der Landwirtschaftsmeister und Direktvermarkter vom Johanneshof in Hofheim fest. Aber gravierend sei der massive Flächenverlust für die Betriebe und das oft fehlende Verständnis für ihre Arbeit. „Wir verlieren immer wieder Land und leben mit vielen Menschen zusammen, die auch einen hohen Freizeitdrang in unseren Feldern unweit der Städ­te haben: praktisch rund um die Uhr, es geht morgens mit den Frühjoggern los und endet erst mitten in der Nacht mit den Geocachern.

Wichtig ist nach Paulys Einschätzung, dass man sich trotz der unterschiedlichen Ziele respektiert. Er sagte: „Wir führen viele Gespräche mit den Radfahrclubs, Imkern und weiteren Vereinen und versuchen, einen Konsens zu finden. Das ist ein gegenseitiges Interesse. Man muss die Front aufweichen.“

Mitglieder- und Nachwuchswerbung nötig

Landesvorsitzender Karl-Peter Mütze berichtete bei der Vertreterversammlung über die Aktivitäten des Landesverbandes im abgelaufenen Jahr 2016. Ferner über die Bundestagung 2017 des VLF Ende April in Morschen bei Gudensberg. Die Mitgliederentwicklung des VLF ist rückläufig, darüber informierte vlf-Landesgeschäftsführerin Esther Schaab. Deshalb stehen aktuell Informationsaktivitäten über das VLF-Angebot für die Mitglieder- und Nachwuchswerbung im Vordergrund der Bemühungen von Vorstand und Geschäftsführung. Unter anderem seien Veranstaltungen, wie der Jungunternehmertag, der jährlich im November in Friedrichsdorf stattfindet, wichtige Einrichtungen, um Junglandwirte auf die Leistungen der VLF für die Mitglieder aufmerksam zu machen.

Jürgen Dexheimer folgt auf Karl-Peter Mütze

Voriges Jahr haben die Vereine 216 Veranstaltungen als Vortrags- und Arbeitstagungen mit circa 8 000 Teilnehmern durchgeführt, teilte sie weiter mit. Die effektive Erledigung der VLF-Arbeit führt dazu, dass die Geschäftslage des vlf Hessen insgesamt stabil ist, bei einem leichten Überschuss von knapp 4 000 Eu­­ro gegenüber dem Kassenabschluss des vorhergegangen Geschäftsjahres 2015.

Auf der Tagesordnung stand die Wahl des Vorstandes. Der langjährige Landesvorsitzende Karl-Peter Mütze stand aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung. Einstimmig zu seinem Nachfolger wählten die Delegierten Jürgen Dexheimer aus Hünfelden-Neesbach zum neuen Vorsitzenden des vlf-Hessen.

Karl-Peter Mütze hat 14 Jahre lang die Geschicke des Verbandes für landwirtschaftliche Fortbildung in Hessen ge­leitet. Er sagte: „Die Gesellschaft lebt von Ehrenämtern. Noch sind unser Verband und die meisten Kreisvereine so interessant, dass wir Personen finden, die sich ehrenamtlich einbringen wollen. Das freut mich, ich werde den VLF weiter unterstützen. Es war eine wunderschöne Zeit für mich“, fügte der frühere Amts­­leiter des Vogelsbergkreises hinzu.

Neuer stellvertretender Vorsitzender ist Uwe Roth, Landesgeschäftsführer der Wasser- und Bodenverbände in Hessen und des Kreisbauernverbandes Werra-Meißner. Zweiter stellvertretender Vorsitzender ist Christian Staehr aus Usingen. Karin Stähler aus Hadamar ist Sprecherin des Frauenbeirates. Beisitzer sind Peter Schäfer aus Grünberg, Evelyn Etling aus Lauterbach und Holger Starck aus Florstadt, ferner Roland Kraft aus Trebur, der auf Winfried Knaup vom Sonnenhof in Einhausen folgt sowie Andreas Lux aus Schwarzenborn, der Nachfolger von Jörn Diehl aus Neuental ist.

Nicolas Lein aus Homberg ist Sprecher der Fachschulen und Dr.  Lothar Koch, Fachgebietslei­ter der vier landwirtschaftlichen Fachschulen in Hessen und Leiter der Fachschule für Agrarwirtschaft in Fritzlar, ist Bildungs­re­ferent. Winzerin Pia Rosen­kranz aus Hochheim am Main ist Vertreterin der Weinbaufachschul­absolventen Eltville. „Damit hat sich der Vorstand des vlf erheblich verändert und verjüngt“, resümierte Mütze im Anschluss. Als neuer Landesvorsitzender führte Jürgen Dexheimer die Leitung der Veranstaltung sowie Abhandlung weiterer Verbandsregularien fort. Dexheimer skizzierte ferner die 14-jährige Arbeit seines Vorgängers im Amt, Karl-Peter Mütze, den die Versammlung unter großem Applaus der Vertreter zum Ehrenvorsitzenden des vlf Hessen wählte. Der neue Landesvorsitzende würdigte das ehrenamtliche Engagement von Karl-Peter Mütze für die ehemaligen Landwirtschaftsschüler in Hessen.

Zuvor wurde Paul Herr, der von 1990 bis 2016 als Vorsitzender dem VLF Frankfurt-Höchst vorstand, im Namen des vlf die Silberne Verbandsnadel ans Revers geheftet.

Moe – LW 24/2017
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