Sie scheint immer in Bewegung zu sein. Ob im Keller, in der Vinothek auf einer Veranstaltung oder in den Weinbergen – Simone Schmitt-Rieth aus Mainz-Hechtsheim managt ihren Weinbaubetrieb mit viel Elan und Engagement.
Sie beschreibt sich selbst als Quereinsteigerin, denn nach dem Abitur hat Simone Schmitt-Rieth erst einmal eine Ausbildung zur Bankkauffrau abgeschlossen. Dann reizte es sie aber doch mehr, in den elterlichen Weinbaubetrieb einzusteigen. Also absolvierte sie die zweijährige Ausbildung zur Winzerin in Geisenheim im Weingut der Forschungsanstalt und setzte anschließend noch die Abschlüsse zur Wirtschafterin und Technikern drauf. Nebenbei hat sie natürlich auch damals schon im Betrieb mitgearbeitet. Seit 2009 ist die zweifache Mutter Betriebsinhaberin. Sie vermarktet ihre Weine zum größten Teil direkt.
Damit setzt sie die Tradition ihrer Eltern fort. Auch Marianne und Hans-Josef Schmitt haben nach der Umstellung des landwirtschaftlichen Betriebes auf reinen Weinbau den direkten Kontakt zu ihren Kunden gesucht. Ihre Tochter hat diese Vermarktungsrichtung in der Zwischenzeit weiter ausgebaut. Sie besucht viele Veranstaltungen im Laufe des Jahres, um ihre Produkte bekannt zu machen. Einen wichtigen Anteil an diesen Aktivitäten haben die Mainzer Winzer. In dieser Organisation haben sich Winzerfamilien aus den Wein produzierenden Mainzer Stadtteilen Hechtsheim, Ebersheim und Laubenheim zusammengeschlossen, um Verbraucher auf ihre Produkte aufmerksam zu machen. Sie wollen präsent mit ihren Produkten sein. „Früher sind die Mainzer immer in den Rheingau gefahren, um Wein zu trinken und zu kaufen. Es wurde endlich Zeit, dass wir etwas für unsere Produkte tun“, ist Marianne Schmitt froh über diese Entwicklung.
Marktfrühstück am Dom
Legendär ist mittlerweile das Marktfrühstück direkt am Mainzer Dom. Jeden Samstag während des Wochenmarktes bauen Mitglieder der Winzerbetriebe ihren Stand auf und schenken ihre Weine aus. „Ab sechs Uhr stehen wir mit unseren Utensilien auf dem Platz, um uns einzurichten. Mittlerweile kommen die ersten Kunden um acht Uhr an den Stand und wollen ihren ersten Wein trinken“, schmunzelt Simone Schmitt-Rieth. Zu Essen gibt es bei den Winzern nichts. Das dürfen sich die Kunden von den anderen Ständen holen. Je nach Appetit können sie sich für Brötchen, Käse, Oliven, Fisch oder die Mainzer Fleischwurst entscheiden. So arbeiten die Marktbeschicker Hand in Hand zusammen. Auch Touristen profitieren von diesem Angebot. Zu einer Stadtführung gehört der Gutschein für einen Wein beim Marktfrühstück. „Besonders im Sommer haben wir viele internationale Kunden“, freuen sich die Hechtsheimer. Von März bis November gibt es dieses Angebot, Kernzeit ist April bis September. Jeweils einmal in diesem Zeitraum kann sich ein Weingut aus dem Verein dort präsentieren. Innerhalb des Vereins werden die Termine vergeben.
Gute Kooperation mit der Stadt
Gut etabliert hat sich auch der Sonntagsausschanks in der Templerstraße in der Nähe des Rheinufers. Von 11 bis 20 Uhr haben die Winzer zusätzlich die Gelegenheit, ihren Wein auszuschenken. „Hier handelt es sich um eine Aktion unter freiem Himmel. Bei schlechtem Wetter ist natürlich auch der Umsatz entsprechend“, weiß die scharf kalkulierende Unternehmerin. Seit November dieses Jahres können die Weinbauern bis März in die Fort Malakoff-Passage ausweichen und sind damit vor der kalten Witterung geschützt. Jeweils von 13 bis 20 Uhr ist der Stand geöffnet. Die Stadt Mainz hat den Platz zur Verfügung gestellt.
Eine weitere Aktion der Mainzer Winzer – „Best of Mainzer Wein“ – findet im Foyer des Rathauses der Stadt Mainz statt. Hier darf ein Weingut jeweils drei Weine und einen Sekt oder Secco verkosten und verkaufen. Im April werden Weißweine und im November die Roten präsentiert.
Weinwanderungen gehören ebenso ins Programm und werden im Sommer über die Tourismuszentrale angeboten. „Die Besucher kommen dann mit der Straßenbahn nach Hechtsheim, und wir gehen mit ihnen in unsere Weinberge. Wein und Essen inklusive.“
Mainzer Wein ist rund um das Jahr in der Stadt präsent. Die Zusammenarbeit mit der Stadt funktioniert gut. Andere Städte haben sich die agilen Mainzer Winzer bereits als Vorbild genommen und ähnliche Aktivitäten angeschoben – unter anderem Wiesbaden.
Dichterlesungen im Programm
Mainzer Winzer24 Winzer aus den Mainzer Stadtteilen Hechtsheim, Ebersheim und Laubenheim haben sich 2004 zusammengeschlossen, um ihren Wein effektiver zu vermarkten. Dazu haben sie verschiedene Veranstaltungen ins Leben gerufen, die mittlerweile gut von den Kunden angenommen werden. Näheres unter www.diemainzerwinzer.de.
Viele zusätzliche Veranstaltungen nutzt Simone Schmitt-Rieth rund ums Jahr, um ihre vorwiegend trockenen Weine zu präsentieren. Natürlich ist die Familie auf den örtlichen Festlichkeiten in Hechtsheim vertreten, wie beispielsweise auf dem Hechtsheimer Kirchenstück. Dichterlesungen gehören darüber hinaus in ihr Programm. Das gute Buch und ein ansprechender Wein sind nach wie vor eine attraktive Kombination. Diese Veranstaltungen organisiert in der Regel der Rheinhessenwein e.V., ein Zusammenschluss von Winzern aus dem rheinhessischen Anbaugebiet. Das eigene Hoffest im Sommer darf natürlich nicht fehlen. Und der Christophorus-Hof bietet kleine Veranstaltungen für private Kunden sowohl im Weinberg als auch in den eigenen Räumlichkeiten an.
Auf Zeitmanagement achten
„Man sollte schon sehr beweglich sein und gern auf Menschen zugehen können, um den Wein auf diesem Weg an die Kunden zu bringen“, resümiert die 42-Jährige. Auf ihr Zeitmanagement will sie dabei gut achten. Schließlich soll noch Zeit für die Familie bleiben. „ Es darf mit den Veranstaltungen nicht zu viel werden. Man kann sich auch verzetteln“, ist ihre Erfahrung. Und man sollte aushalten können, dass nicht jede Veranstaltung ein Erfolg ist. Aber 60- bis 70 000 Flaschen sollten jedes Jahr bei den Kunden ankommen.
Die Vollblutwinzerin hat keine fest angestellten Mitarbeiter. Sie bewältigt ihre Aufgaben mit Saisonkräften. Auch Bruder Christoph steht als helfende Hand zur Seite. Ehemann Matthias Rieth ist als Zahnarzt eher auf anderem Gebiet gefordert und kümmert sich auch um die Jungen von sieben und elf Jahren. „Manchmal geht mein Mann mit den Kindern allein zu ihren Veranstaltungen, weil ich einfach für den Betrieb unterwegs bin. Das fällt mir dann besonders schwer“, gesteht sie.
Guter Zusammenhalt
Betriebsspiegel Christophorus Hof in Mainz-HechtsheimZusammenarbeit gibt es mit drei Kollegen aus Hechtsheim, mit denen sie sich die Abfüllanlage teilt. „Das funktioniert gut. Wir Winzer in unserem Stadtteil sehen uns nicht unbedingt als Konkurrenten an“, ist sie froh. Darüber hinaus funktioniert ein reger Austausch mit sechs weiteren ähnlich aktiven Winzerinnen in Hechtsheim. Ihre Frauenpower ist nicht zu unterschätzen, wissen sie.
80 Prozent ihrer Produktion vermarktet die quirlige Unternehmerin als Flaschenwein, der Rest geht als Fasswein weg. Allerdings fährt sie keine Ware aus. Entweder kommen die Kunden auf den Betrieb oder sie setzt die Ware auf den Veranstaltungen um. Auch wird die eine oder andere Sendung mit Speditionen auf den Weg gebracht. So hatte sie kürzlich einen Auftrag, Wein nach Island zu schicken. „Der organisatorische Aufwand ist enorm“, weiß sie jetzt. Ansonsten finden ihre Produkte deutschlandweit ihre Abnehmer.
Speziell zu Weihnachten bietet Simone Schmitt-Rieth Weinpräsente an. Mit diesem Geschäftszweig hat bereits ihre Mutter Anfang der 1990er Jahre begonnen und sich auf Fortbildungen immer wieder neue Anregungen geholt. Mit Hilfe von Geschenken können auch neue Geschäftsverbindungen entstehen. Das Schneeballsystem funktioniert in der Regel gut.
Auf Menschen zugehen können
Spezielle Investitionen benötigt die Hechtsheimerin für ihre Direktvermarktung nicht. Allerdings hat die Familie vor einigen Jahren die neue Vinothek errichtet und dazu einige Umbauten auf dem Hof vorgenommen, um ihre Kunden in einer netten Umgebung empfangen zu können. „Es sollte auch nach außen erkennbar sein, dass ein Generationswechsel stattgefunden hat. Das hat natürlich Geld und vor allem Nerven gekostet. Die Kinder waren noch klein, und der Betrieb musste ja auch laufen“, erinnert sie sich. „In erster Linie ist es bei der Direktvermarktung aber wichtig, auf Menschen zugehen zu können. Vielleicht ist der Arbeitseinsatz höher, wenn man diesen Weg der Vermarktung wählt“, vermutet sie. Schließlich hat sie auch an den Samstagen ihr Tore für Kunden geöffnet. Sie weiß, dass die Verbraucher heute sehr viel herumkommen und bereist sind. Sie kennen Weinangebote aus anderen Ländern. Das Angebot ist groß. „Da muss man schon etwas Besonders bieten“, ist die professionell arbeitende Unternehmerin überzeugt. Und sie ist offen für Veränderungen sowohl im Anbau, im Keller als auch im Verkauf. Allerdings will sie bei allen guten Ideen, die sie noch umsetzen könnte, die Kosten im Auge behalten. „Alles kann man auch nicht machen“, gesteht sie.
Dagmar Hofnagel – LW 49/2013