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Mit gezielten Maßnahmen die Artenvielfalt fördern

Praxistag in der Biodiversitätsregion Südpfalz

Mit welchen Maßnahmen lässt sich die Artenvielfalt in einer intensiv genutzten Agrarlandschaft fördern? Wie wirken sich diese Maßnahmen aus? Antworten auf diese Fragen gab es kürzlich beim Praxistag der Biodiversitätsregion Südpfalz, zu dem die BASF und der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd eingeladen hatten. BASF will künftig die Landwirte finanziell bei der Umsetzung von Biodiversitätsmaßnahmen unterstützen.

In der Südpfalz wird für die Pflege der Blüh- und Grünflächen ein Doppelmesser-Mähwerk eingesetzt, das eine insektenschonende Mahd erlaubt. Foto: Brammert-Schröder

In Herxheim in der Südpfalz wird intensiver Ackerbau sowie Obst- und Weinbau betrieben. Die Lössböden mit Bodenpunkten zwischen 60 und 80 Bodenpunkten lassen eine Vielzahl an Kulturen ertragreich gedeihen: Zuckerrüben, Kartoffeln, Tabak, Getreide, Mais, Gemüse und Kräuter. Gleichzeitig werden von den Landwirten in Herxheim viele Biodiversitäts-Maßnahmen umgesetzt. An dem Gemeinschaftsprojekt „Effiziente Förderung der Artenvielfalt in ackerbaulich genutzten Landschaften“ (EFA) sind die BASF, der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd und die RLP AgroScience GmbH beteiligt. Die Projektträgerschaft hat die Georg von Neumayer Stiftung übernommen. Zudem ist das EFA-Projekt angegliedert an das BASF FarmNetzwerk Nachhaltigkeit, zu dem auch die Biodiversitätsregion Südpfalz gehört.

„Das Biodiversitätsprojekt in der Südpfalz ist ein Musterprojekt, dass es selten in der Form der Zusammenarbeit gibt“, sagte Markus Röser, Leiter Nachhaltigkeit bei der BASF, kürzlich auf einem Praxistag der Biodiversitätsregion Südpfalz in Herxheim. Über die verschiedenen Institutionen sind Landwirte, Nabu, der Bauernverband, die Industrie und die Ministerien für Umwelt und Landwirtschaft am Projekt beteiligt. „Ich bin stolz, dass wir in der Südpfalz so viel auf die Beine gestellt haben“, sagte Reinhold Hörner, Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd. Er war maßgeblich an der Gründung der Biodiversitätsregion Südpfalz beteiligt. Wichtig sei, auch die jungen Landwirte zu schulen und sie mitzunehmen auf dem Weg zu mehr Biodiversität in der Landwirtschaft. „Unser Ziel ist es, Biodiversitätsflächen zu verankern, ohne viel produktive Flächen zu verlieren“, erklärte Röser. Doch die Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität müssen auch zielführend sein. „Das Monitoring durch Experten ist wichtig.“ Auf ausgewählten Flächen des FarmNetzwerkes Nachhaltigkeit werden die Auswirkungen der verschiedenen Biodiversitätsmaßnahmen durch Experten aus dem Natur- und Umweltschutz dokumentiert und überprüft.

Gebiet mit intensiver Bewirtschaftung

So auch in Herxheim. Das EFA-Projekt umfasst 330 ha und wurde 2019 ins Leben gerufen. Es wurden in den vergangenen beiden Jahren in dem Gebiet verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Das LW berichtete in Ausgabe 15/2021 ausführlich darüber (www.lw-heute.de/artenschutz...). „In dem kleinräumigen Gebiet hier in Herxheim können wir die Tiergruppen auf kleinem Raum betrachten und die Maßnahmen der Landwirte und Kommunen vernetzten“, sagte Bernd Hartmann, der das Projekt von Seiten der BASF betreut. Das Engagement der Landwirte in Herxheim war auch schon vor Beginn des Projekts groß. „Wir haben 2016 in der Gemeinde begonnen, das Projekt „Herxheim blüht“ ins Leben zu rufen. Die Landwirte sind eine Säule des Projekts und legen auf freiwilliger Basis Blühflächen und Lerchenfenster an“, berichtete Matthias Detzel, Vorsitzender des Bauernvereins Herxheim. „Inzwischen gibt es in Herxheim 73,1 ha Blühflächen und 179 Lerchenfenster.“ Außerdem werden, so Detzel, seit drei Jahren auf einigen Flächen 3 m breite Getreidestreifen als Winternahrung für Vögel stehen gelassen. In diesem Jahr haben die Landwirte auch einige Getreideflächen mit reduzierter Saatstärke ausprobiert. „Das ist auch für die Feldlerche gut“, so Detzel.

Auch wenn die Landwirte bereits viele Biodiversität-Maßnahmen umgesetzt haben, fällt sofort ins Auge, dass es in dem Areal des EFA-Projekts kaum Heckenstrukturen und Baumreihen gibt. Es gibt aber einige Graswege, die als vernetzende Elemente wirken. Im Projekt wurden deshalb in der Feldflur artengruppenspezifische Aufwertungsmaßnahmen für Vögel, Wildbienen, Spinnen, Laufkäfer, Reptilien und Tagfalter durchgeführt.

Gezielte Maßnahmen zeigen Wirkung

Bei dem Besuch der verschiedenen Stationen im Feld wurde deutlich, dass die Maßnahmen wirken. Ornithologe Mark Schönbrodt erläuterte, dass von den 39 im Frühjahr aufgehängten Nistkästen für Vögel und Fledermäuse 19 sicher besetzt sind. Sie wurden entlang der Baumreihen und Hecken angebracht. Laut Schönbrodt nisten dort 15 Stare, 2 Kohlmeisen und eine Blaumeise. Auch andere Vögel der Agrarlandschaft sind vertreten, allen voran die Feldlerche, aber auch Schafstelze, Grauammer, Goldammer und Mönchsgrasmücke. Am Beispiel einer mehrjährigen Blüfläche in der Feldflur zeigte Schönbrodt auf, wie das Zusammenspiel von strukturfördernden Maßnahmen und vorhandenen Strukturen im Optimalfall wirkt. „Der Baum an einem Ende der Blühfläche, die Hecke am anderen Ende und an der Seite eine Böschung – dazu die Blühfläche. Das ist ideal für viele Vogelarten.“ Dort hat er bereits den Neuntöter angetroffen und auch die Dorngrasmücke nutze die Blühfläche als Nahrungshabitat.

In der Böschung auf der Fläche mit der Blühmischung wurden im Herbst gezielt vier Abbruchkanten mit dem Bagger geschaffen. Durch diese Rohbodenfenster ist Lebensraum für viele Insekten entstanden, die im Boden leben, beispielsweise Wildbienen und Laufkäfer. Die geschaffenen Kleinstrukturen dienen ihnen als Nisthabitat. „Hier nisten viele Arten von Wildbienen“, sagte Lea Schubert von der Hochschule Anhalt. Sie hob hervor, dass die annähernd 600 verschiedenen Wildbienenarten sehr unterschiedliche Ansprüche an Nahrung und Nistplätze stellen. Viele Arten benötigten allerdings offenen Boden, um dort zu nisten. Deshalb sei es wichtig, Rohbodenfenster zu schaffen, am besten in Kombination mit Blühstreifen, auf denen heimische Arten wie Rittersporn, Mohn oder Scharfgabe wachsen. „Es sind sowohl Nist- als auch Nahrungshabitate in räumlicher Nähe zueinander nötig, um Wildbienen zu fördern“, erklärte Schuster. Im Jahr 2020 wurden im Untersuchungsgebiet 73 Bienenarten festgestellt, davon stehen 14 Arten auf der Roten Liste und vier auf der Vorwarnliste. So konnte die Struppige Schmalbiene in der Lößböschung nachgewiesen werden, die in Rheinland-Pfalz als ausgestorben galt. Auch die bundesweit gefährdete Vierbindige Furchenbiene wurde dort zahlreich vorgefunden.

Rote-Liste-Arten bei den Laufkäfern in Herxheim

Der Biologe Matthias Kitt erläuterte die Situation bei den Laufkäfern. „Hier in Herxheim finden wir viele Rote-Liste-Arten.“ Als guten Standort für die Laufkäfer bezeichnete Kitt die Blühfläche am Windrad, das sich im Projektgebiet befindet, vor allem in Verbindung mit den Schotterflächen der Zuwegung zur Windkraftanlage. Der Biologe betreut auch andere Projekt-Flächen in der Verdichtungsregion Südpfalz und bemerkte, dass sich dort besonders viele Laufkäfer finden, wo Weinbergsflächen sind. „Der Boden ist dort nicht so verdichtet“, vermutete Kitt. Insgesamt seien in der Südpfalz 115 verschiedene Laufkäfer-Arten gefunden worden. „Eine ordentliche Zahl für das Gebiet“, urteilte Kitt.

Annalena Schotthöfer vom Institut für Naturkunde in Südwestdeutschland ist im Projekt für das Monitoring der Tagfalter und Reptilien zuständig. „Hier kommen viele Zauneidechsen vor“. Um unter anderem diese wärmeliebenden Reptilien zu fördern, wurden im vergangenen Herbst an vier Stellen in der Gemarkung so genannte kombinierte Lebensräume als Querriegel geschaffen. Sie stellen mit einer Kombination aus lockerem und strukturiertem Material Nist-, Versteck-, Überwinterungsmöglichkeiten sowie Eiablageplätze bereit.

Staffelmahd und Doppelmesser-Mähwerk

„Bei den Tagfaltern geht es eher darum, die Raupen und die Eier zu schützen. Sie sind vor allem durch die Mahd gefährdet“, erklärte sie. Es sei wichtig, kleine Bereiche an Wegrändern, Grün- und Blühflächen stehen zu lassen.

In Herxheim wird bei der Pflege der Graswege, Wegränder und Blühflächen mit der Staffelmahd gearbeitet. „Ende Juni, Anfang Juli steht der erste Mahdtermin an, die Flächen grünen bis Oktober wieder durch. Ende September ist zweite Termin“, erklärte Klaus Ullrich, RLP Agroscience. „Es bleiben auch Flächen über Winter stehen. Der Stängel­erhalt ist für die Überwinterung der Eier und Larven wichtig“, erklärte Ullrich. Wichtig sei, das Schnittgut von den Flächen zu räumen. Das sei allerdings nicht einfach, weil häufig eine sinnvolle Verwertung fehle. Idealerweise könnte es als Substrat in einer Biogasanlage eingesetzt werden. Eine gute Alternativer sei die Beweidung der Flächen.

Für die insektenschonende Mahd eignet sich am besten ein Doppelmesser-Mähwerk. Ein solches Mähwerk wurde im vergangenen August angeschafft, finanziert durch Mittel vom Ministerium und einigen Sponsoren. „Wir unterhalten damit rund 400 Blühflächen“, sagte Christopher Hege vom Maschinen- und Betriebshilfsring (MBR) Südpfalz. Er koordiniert den Einsatz des Geräts mit 6 m Arbeitsbreite. Hege ist überzeugt von der Arbeitsweise des Mähwerks: „Es hinterlässt einen sauberen Schnitt.“ Das bestätigte auch BWV-Vizepräsident Reinhold Hörner, der mit seiner Familie im benachbarten Hochstadt einen Acker- und Weinbaubetrieb bewirtschaftet und mit einem Doppelmesser-Mähwerk bestes Heu gewinnt. „Die Heuqualität ist ganz anders, weil die Halme nicht durch rotierende Messer beschädigt werden.“ Das nützt auch den Insekten.

BASF will praxistaugliche Maßnahmen fördern

Im EFA-Projekt werden bereits viele Dinge umgesetzt, die die Biodiversität in einer intensiv bewirtschafteten Ackerbauregion fördern. Dazu zählen Maßnahmen wie das Aufhängen von Nistkästen und die Schaffung von Lebensräumen für Reptilien, Amphibien, Laufkäfer und Spinnen. Auch die Landwirte leisten einen Beitrag, indem sie Blühstreifen anlegen und Getreidestreifen über Winter als Nahrung für Vögel stehen lassen.

Die BASF möchte die Erfahrungen, die sie in den Projekten des FarmNetzwerkes Biodiversität gesammelt hat, in die Fläche bringen. Deshalb hat sie gemeinsam mit Wissenschaftlern, Landwirten und Naturschützern eine Checkliste Biodiversität entwickelt und darin zehn praxistaugliche Maßnahmen definiert. Landwirte, die eine oder mehrere Biodiversitätsleistungen daraus erbringen, bekommen von der BASF finanzielle Unterstützung. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten, die unter www.farmers-club.basf.de näher beschrieben werden. „Wir wollen damit dem Ziel, bis 2030 die vernetzte Biodiversitätsfläche auf 10 Prozent ohne Ertragsverlust zu erhöhen, deutlich näher kommen“, sagte Markus Röser.

Ibs – LW 27/2021