Umstellung auf ökologischen Anbau, biologisch abbaubare Folien, Arbeitskräfte, Sorten und Pflanzenschutz – wie sehen die Optionen für die Erdbeerbetriebe der Zukunft aus? Darüber informierten sich 230 Teilnehmer beim digitalen Bruchsaler Erdbeertag im Dezember 2020. Veranstalter waren das Landratsamt Karlsruhe, das Regierungspräsidium Karlsruhe und der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer.
Dr. Georg Eckert von der ABCERT AG in Esslingen stellte die Bedingungen für die Umstellung eines Sonderkulturbetriebs im Hinblick auf die neue EU-Öko-Verordnung vor: „Die Knackpunkte der Förderung liegen darin, dass man diese nur erhält, wenn man den ganzen Betrieb auf Öko umstellt.“ Auch der Substratanbau ist im Bioanbau ausgeschlossen. Die Förderungsbeträge liegen jährlich im Einführungszeitraum bei 935 Euro/ha und bei der Beibehaltung bei 550 Euro/ha sowie einem Kontrollzuschuss von 60 bis maximal 600 Euro pro Betrieb. Die Umstellungszeit umfasst 24 Monate. Erst ab dem 25. Monat Pflanzung kann man die Erzeugnisse als Bioprodukte kennzeichnen. „Ein bisschen den Betrieb auf Öko umstellen geht nicht“, erklärte Dr. Eckert und betonte, dass nur fachlich gute und wirtschaftlich solide konventionelle Betriebe erfolgreiche Bio-Betriebe werden können. Mit der neuen Öko-Verordnung, die ab 1. Januar 2022 gelten soll, wird ein Schwerpunkt auf die Rückstände der Betriebe gelegt, um einen nachhaltigen Kreislauf zu gewährleisten. „Achten Sie darauf, was sie hinterlassen“, bemerkte Eckert daher.
Abbaubare Folien und Folien-Recycling
Laut Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung mbH (GVM) fallen jährlich 27 500 t zu entsorgende Folien für die Sonderkulturen in Deutschland an. Bioabbaubare Folien werden in Deutschland bislang nur bei Mulchfolien eingesetzt und repräsentieren mit rund 1 500 t gut ein Viertel des Mulchfolienmarktes. Dr. Jürgen Bruder, Mitbegründer der ERDE Recycling, beziffert den Anteil von bioabbaubaren Folien im gesamten Sonderkulturanbau auf 7,7 Prozent – Tendenz steigend und bekräftigte: „Die Vorteile der bioabbaubaren Folien liegen in den Kosteneinsparungen beim Abräumen, der wegfallenden Entsorgung sowie dem Ausbleiben von Mikroplastik-Einträgen im Boden. Der Trend geht zu bioabbaubaren Mulchfolien, die bald 30 Prozent Marktanteil erreichen.“ Ihr Nachteil ist der um den Faktor 1,5 bis 2 höhere Preis pro Quadratmeter. Da die Nebenkosten für den Einsatz von PE-Mulchfolie weiter steigen, wird ihr Kostenvorteil gegenüber bioabbaubarer Folie immer geringer.
Lochfolie und Vliese noch in der Probephase
Bruder gab einen Ausblick auf die zukünftigen Aktionen der RIGK. So werden in Projekten derzeit erste Erfahrungen mit dem Recyceln von Lochfolien, von Bewässerungsschläuchen, von Hagelschutznetzen und Vliesen gesammelt.
Bei der Bioabbaubarkeit spielen technische und umweltbezogene Faktoren eine Rolle. Gemäß der 2018 veröffentlichten Norm EN17033 müssen bei bioabbaubaren Folien 90 Prozent des Kohlenstoffs innerhalb von zwei Jahren in CO2 umgewandelt sein. Die bewährte PE-Mulchfolie ist arbeitsintensiv und macht durch die starke Anhaftung von Mineralik Probleme beim Recyceln. Dazu kommt, dass je dünner die PE-Folie, desto größer die Gefahr ist, dass abgerissene Plastikrückstände im Boden bleiben.
In einem Versuch zur Haltbarkeit von Folien für den Erdbeeranbau auf Dämmen hat das Landratsamt Karlsruhe, Landwirtschaftsamt Bruchsal, eine Polyethylen-Folie (PE) mit 50 µm als Kontrolle im Vergleich mit den abbaubaren Folien, Bio-Agri mit 30 µm, die Mater-Bi mit 25 µm und die Bio-Agri mit 20 µm verglichen. Die PE-Folie war auch bei Schäden durch Krähen stabil. Die beste Stabilität der biologisch abbaubaren Folien hatte die Bio-Agri 30 µm, wobei sie im Oktober 2020, nach 16 Monaten, nur vereinzelt Löcher bis 1 cm aufwies, und Fragen nach dem Abbaubeginn aufkommen ließ. Die Bio-Agri mit 20 µm und Mater-Bi eignen sich aufgrund ihrer Haltbarkeitskürze nicht für den Erdbeeranbau.
Bei den bioabbaubaren Folien war die Pflanzenentwicklung im Vergleich zur PE-Standard-Folie schwächer. In Diffusionstests zeigte sich, dass bei der PE-Folie wenig Wasser diffundiert. Im Vergleich zur PE-Folie wiesen die bioabbaubaren Folien einen um 8 bis 18 Prozent höheren Wasserverlust auf. Beim Einsatz bioabbaubarer Folien sind folglich höhere Wassergaben bei der Tropfbewässerung beziehungsweise Fertigation zu berücksichtigen.
Neue Erdbeersorten für die Verfrühung
Über die Ergebnisse der Versuchsanlage auf dem Augustenberg zu neuen Erdbeersorten für die Verfrühung berichtete Wolfgang Bauer vom Landratsamt Karlsruhe. Es wurden vor allem Frigopflanzen und Multitopfpflanzen auf hohen Dämmen mit Fertigation im Haygrove-Tunnel gepflanzt.
Clery schnitt mit knapp 800 g Erdbeeren pro Pflanze sehr gut ab. Sandra war früher reif als Clery, hat glänzende, längliche Beeren mit intensivem, süßem Geschmack, brachte aber nur 40 Prozent des Ertrags von Clery. Die kräftige Erdbeerpflanze Dahli hatte glänzende, gleichförmige Beeren mit gutem Aroma, war kurz nach Clery reif, brachte aber nur 60 Prozent deren Ertrags. Arianna ähnelt Clery in Aroma sowie Ertrag und zeichnet sich durch relativ große Beeren aus. Die herzförmige Rendezvous hat eine optimale Form, ein gutes Aroma und bringt beinahe so viel Ertrag wie Clery. Doch muss sie sich laut Bauer noch in der Fruchtstabilität bewähren. Magnum mit gleichförmigen Beeren in kräftigem Rot, guter Festigkeit und gutem Aroma schnitt durch die eher kleine Sortierung und ihren Ertrag enttäuschend ab. Ein kräftiges Rot, wenig Ausfall und eine gute Festigkeit sowie große Kelchblätter wies Verdi (ehemals FE 1711) auf. Ihr Ertrag lag bei 60 Prozent von Clery. Durch eine zu späte Pflanzung brachte Lycia relativ wenig Ertrag. Ihre Beeren sind süß – manchem Tester zu intensiv – schlank, glänzend und hell. Bei ihr waren nur wenige Beeren klein. Ein hohes Ertragspotenzial, aber für die Verfrühung zu spät reifend, zeigte Lola mit gleichförmigen, kleineren Beeren und mittlerem Aroma. Die remontierende Sorte Murano wurde nur während der Haupternte gepflückt. Sie hatte ein gutes Nachernteverhalten, mittleren Ertrag, große Beeren und für eine remontierende Sorte guten Geschmack, ist aber anfällig für Mehltau.
Pflanzenschutzergebnisse und Empfehlungen
Bei der Verkostung nach Optik, Geschmack und Bissfestigkeit am 22. April 2020 war Sandra Spitzenreiter, Dahli und Verdi lagen im guten Mittelfeld. Bei der Verkostung am 4. Mai 2020, verloren Verdi und Dahli etwas, lagen aber immer noch im Mittelfeld, und Rendezvous im guten Mittelfeld. Gewinnerin war Lycia. Nach Bauer gilt das obere Mittelfeld für viele der Sorten. Beim optischen Vergleich am 27. April 2020 sind Rendezvous, Murano, Lycia und Lola hell geblieben. Bauer zog folgendes Fazit zu den Frühsorten: „Clery hat sich aufgrund von Ertrag, Frühzeitigkeit und Gesundheit in diesem Jahr erneut bewährt. Arianna und Rendezvous zeigten beide ähnlich hohe Erträge und Frühzeitigkeit wie Clery, hatten aber insgesamt einen zu geringen Ertrag. Die remontierende Sorte Murano kann in der Haupterntezeit bezüglich Fruchtgröße und Fruchtstabilität, aber nicht geschmacklich, eine Alternative sein.“
Bauer bemerkte, dass das Landratsamt Karlsruhe die Produktion der Erdbeeren ab 2022 in Stellagen verlegen wird, um die Erdbeersorten besser vergleichen zu können und unabhängiger von der Bodenmüdigkeit zu sein.
Arno Fried, Leiter der Sonderkulturgruppe am Landwirtschaftsamt Karlsruhe, gab einen Überblick über die Zulassungssituation bei den Pflanzenschutzmitteln in Erdbeeren. Zur Situation der Herbizide meinte Fried: „Bei einigen im Erdbeeranbau einsetzbaren Herbiziden endet die Zulassung Ende 2021, einige Hersteller haben aber bereits eine Verlängerung angekündigt. Das zu erwartende Verbot vom Wirkstoff Phenmedipham wird vor allem die Erdbeervermehrer hart treffen.“
Im Versuch zur Erdbeermehltauregulierung 2020 war der Befall der Sorte Lambada sehr hoch. Unter den herkömmlichen Fungiziden wirkte Topas etwas schlechter als in anderen Versuchen die Jahre zuvor, was eventuell auf eine Resistenzentwicklung hindeuten könnte. Nimrod EC, überraschenderweise wieder zugelassen, hatte eine gute Wirkung, und Dagonis war sehr leistungsstark. Die Schwefelprodukte Heliosufre und Kumulus WG zeigten eine ganz gute Wirkung, durch die höhere Schwefelkonzentration pro ha, in der Anwendung schnitt Kumulus WG aber etwas besser als Heliosufre ab. Kumar und Vitisan mit Wetcit wirkten bei Mehltau der Erdbeeren schlecht. Die drei im Versuch getesteten, neuen biologischen Produkte werden bei Mehltau anfälligen Sorten aufgrund mangelnder Wirksamkeit im Freiland nicht empfohlen. Fried betonte: „Man muss noch mehr auf die Mehltauanfälligkeit der Erdbeersorten achten. Eine Bekämpfung ist nur vorbeugend möglich. Ein Wirkstoffwechsel, der Einsatz unterschiedlicher Produkte und die Beachtung der Wirkstoffgruppen sind wichtig, um Resistenzen zu vermeiden.“
Im Freiland empfiehlt Fried bei starkem Botrytisbefall die Spritzfolge Score – Switch – Kenja und Flint – Switch. Bei stark mehltauanfälligen Erdbeersorten die Spritzfolge Score – Switch – Switch – Luna Sensation oder Dagonis. Eine große Bedeutung misst Fried dem Movento SC 100 bei, da es in der frühen Ausbringung gegen Blattläuse und die Gemeine Spinnmilbe wirkt. Außerdem wurden bei Movento bisher keine Rückstände festgestellt, wenn die Behandlung mindestens 40, besser 50 Tage vor der Ernte eingesetzt wurde. Im Tunnel empfiehlt Fried gegen Mehltau zwei Behandlungen mit Switch, um die Erträge abzusichern. Wenn Mehltau früh eintritt, sollte man Flint in der ersten Behandlung einsetzen. Bei sehr anfälligen Sorten ist ein Anbau im Tunnel oder Gewächshaus sehr schwierig. Mit einer erfolgreichen biologischen Spritzfolge tat sich Fried schwer: Schwefel und Kumar sollte man auf alle Fälle wegen Mehltau einbinden.
Pflanzenschutz im ökologischen Anbau schwierig
Auch im Tunnel kann man Movento SC 100 einsetzen, muss dies aber frühzeitig tun, um die 14 Tage vor der Blüte einhalten zu können. Die Pflanze nimmt Movento in sich auf und kann so auch im Nachgang auf Spinnmilben wirken. Die beste Behandlung gegen Fruchtfäule im Tunnel ist laut Fried „Lüften“. Für die weitere Entwicklung klassischer Pflanzenschutzmittel prognostiziert Fried schlechte Aussichten: „Die Firmen bauen hier ihre Kapazitäten eher ab. Es gibt einige neue biologische Produkte, die nur selten an die Wirksamkeit von chemisch-synthetischen Produkten heranreichen. Nur für sehr große Kulturen, wie Mais, Reis oder Soja werden noch weiter neue Wirkstoffe entwickelt. Es werden sich für Sonderkulturen immer mehr Lücken im Pflanzenschutz auftun.“
Aktuelles zu ErbeerenGlorielle und Dahli – neue Sorten im frühen Reifebereich?
Glorielle ist eine Züchtung von Stefan Kraege. Interessant ist die Sorte durch ihren frühen Reifezeitraum, der laut Angaben der LWK NRW Köln Auweiler rund drei Tage vor Clery liegt. Glorielle zeigt vergleichbare Erträge wie Clery mit höheren Anteilen Klasse 1. Die höheren Anteile Klasse 1 gehen auch auf eine durchgehend gleichmäßige Fruchtgröße im Vergleich zu Clery zurück. Durch diese Eigenschaft und durch den ansprechenden Glanz zeigen die Früchte ein attraktives Schalenbild.
Die Fruchthaut ist etwas weicher als bei Clery. Daher liegt der Empfehlungsschwerpunkt auf der Direktvermarktung. Dieser Nachteil kann dort durch den besseren Geschmack von Glorielle im Vergleich zu Clery kompensiert werden. Dahli ist ebenfalls eine neue Sorte. Züchter ist Flevo Berry. Dahli reift etwa zeitgleich zu Clery. Im Ertrag und der Fruchtgröße präsentiert sie sich ähnlich Glorielle, also mit einer besseren Fruchtgröße, einem höheren Ertrag und höheren Anteilen der Klasse 1 jeweils im Vergleich zu Clery. Sowohl die Fruchthaut als auch das Fruchtfleisch sind fester als bei Glorielle und Clery. Geschmacklich liegt sie auch dem Niveau von Clery. Glorielle und Dahli sind zwei neue Sorten im frühen Erntebereich, deren Anbau für die Direktvermarktung im Betrieb ausprobiert werden sollte.Metzlaff
Kältestunden Erdbeeren
Die Anzahl der Kältestunden im Kurztag spielt bei Erdbeeren eine entscheidende Rolle, damit die Pflanzen sich gut entwickeln können. Dies gilt insbesondere für Sorten, die in die Verfrühung gehen sollen, das heißt in den Tunnel oder ins Gewächshaus. Malling Centenary braucht rund 1 500 bis 1 700 Kältestunden, Clery rund 1 400. Zu allen Sorten geben die Jungpflanzenlieferanten und Züchter Auskunft über die Kältebedürfnisse im Einzelnen.
Tunnel und Gewächshäuser nicht zu früh heizen
Der Kurztag beginnt alljährlich mit dem Herbstanfang am 22. September. Der Temperaturbereich von +10 bis -2 °C gibt nutzbare Reize. Allerdings wirken die Temperaturen unterschiedlich. Die Temperaturen zu 10 °C hin wirken weniger als bei 0 °C. Anhand der allgemein zugänglichen Wetterstationen können die Daten des Zeitraumes vom 22. September bis zum Tag X im Winter ausgelesen und aufsummiert werden. www.wetter.rlp.de/ An der Station in Klein-Altendorf wurden bis 2. Februar 2021 1 570 Kältestunden im Bereich +7 bis -2 °C gezählt. Im Bereich von +10 bis -2 °C wären es 2 130 Kältestunden. Da der obere Bereich nahe 10 °C nicht voll zählt (nur zu 35 Prozent), müssen Abstriche gemacht werden. Nur im Bereich zwischen +2 und -2 °C ist jede Stunde voll zählbar. Wie sich unzureichende Kältereize auswirken, wurde im Arbeitsbereich von Dr. Krüger an der Forschungsanstalt in Geisenheim verdeutlicht: Also die Tunnel oder Gewächshäuser nicht zu früh anheizen.
Manfred Hellmannvsse/zep – LW 7/2021