Über die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung und die Anpassungsmöglichkeiten hierauf informierten sich Mitglieder der Maschinenringe Hessen und des Wasser-, Boden- und Landschaftsverbandes Hessen im Flughafen Kassel-Calden. Einer Digitalisierungsoffensive, die vom Bundesverband der Maschinenringe derzeit erarbeitet wird, wurde einhellig zugestimmt.
„Das Thema Digitalisierung hat in der Landwirtschaft richtig Fahrt aufgenommen“, stellte Vorsitzender Friedrich Schäfer zur Begrüßung fest. Man habe dies unter anderem am Verkauf von RTK-Stationen festgestellt. Erhard Hofmeyer, Vorsitzender des Maschinenrings Kassel, informierte kurz über die Strukturen der Region und verwies auch auf den immensen Flächenverbrauch des Flughafens: „Hier sind rund 700 Hektar sehr gutes Ackerland für immer verlorengegangen. Das entspricht bei den hiesigen Betriebsgrößen etwa sieben bis acht Betrieben.“
Höhere Wirtschaftlichkeit durch digitale Lösungen
Neben dem Flächenverbrauch stellten die hohen Verluste an Schweinemastplätzen ein Problem in der Region dar, die vor allem in den immer höheren Anforderungen an die Haltung begründet seien. „Digitale Lösungen auf dem Acker können unsere Betriebe mit durchschnittlich 63 Rindern und 240 Schweinen wirtschaftlicher machen“, so Hofmeyer. Die komplette Umrüstung eines Schleppers inklusive RTK koste heute etwa 12 000 Euro. Der Maschinenring in der Region biete schwerpunktmäßig Gülleausbringung mit Schleppschlauchverteiler an, aber auch im Kartoffelanbau sei man sehr aktiv und zusammen mit dem MR Göttingen in der Kommunaltechnik. Relativ neu seien die drei Gülleseparationsanlagen, die innerhalb eines Jahres eine Menge von insgesamt 1,2 Mio. Kubikmeter Gülle aufbereitet hätten.
Hocheffiziente Kommunikation
Prof. Ewald Wessling forscht an der Hochschule Hannover zum digitalen Wandel, zu sozialen Netzwerken und Online-Plattformen. Er bezeichnete die neuen Medien unter anderem als Werkzeuge für eine hocheffiziente Kommunikation, denn: „Wenn ich etwas mitteilen will, gebe ich es in mein Smartphone ein, es ist quasi im selben Moment beim Adressaten und der oder die Empfänger nehmen die Nachricht dann an, wenn es ihnen passt.“ Das sei heute normal, habe aber einen schnellen und umfassenden Umwälzungsprozess hinter sich, wie er in der digitalen Welt typisch sei. Solche „disruptiven“ Veränderungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren, sei heute für viele Unternehmen überlebenswichtig. „Das Beispiel des ehemaligen Weltmarktführers bei Farbnegativfilmen Kodak, der zwar die erste Digitalkamera entwickelt hat, aber nicht die rasant steigenden Speicherkapazitäten erkannt hat, hat das deutlich gezeigt.“
Sebastian Heiser, BBLV Hofheim, der Vorsitzende des MR Hessen, Friedrich Schäfer und sein Stellvertreter Reiner Lameli, Lena-Maria Ruß, Assistenz der Geschäftsleitung beim MR Deutschland, Georg Dierschke, MR Wetterau, Rainer Dick, stellvertretender Leiter IT beim MR Deutschland, und Erwin Ballis, Geschäftsführer MR Deutschland, erläuterten in Calden die Online-Aktivitäten der ÜMV-Organisationen.Foto: BeckerIT-Unternehmen schlagen Platzhirsche aus dem Feld
Wessling zeigte, dass durch die Digitalisierung IT-Unternehmen in ihnen zuvor völlig fremde Branchen eindringen können und dort die Platzhirsche aus dem Feld schlagen – wie es etwa Apple mit iTunes in der Musikindustrie geschafft habe. „Solche disruptiven Marktumschwünge geschehen typischerweise schneller, als Sie denken“. „Damit man nicht selbst Opfer einer solchen Entwicklung wird, muss man sein eigenes, erfolgreiches Geschäftsmodell immer in Frage stellen und gegebenenfalls in ein alternatives Modell investieren, das die eigene bisherige Geschäftsgrundlage zerstört“, mahnte er.
Der Kunde ist König – erst recht im Internet
Ein weiteres Merkmal dieser Entwicklung sei, dass der Wunsch des Kunden noch viel stärker in den Mittelpunkt rücke. „Wenn Sie auf einer Website nicht gleich finden, wonach Sie suchen, gehen Sie sofort woanders hin“. Andererseits hätten es die Internetplattformen wie eBay oder Google geschafft, die eigentliche Arbeit auf den Kunden abzuwälzen und selbst eben nur die Plattform zur Verfügung zu stellen. Daher müssten die Seiten möglichst einfach, schnell und selbsterklärend sein. Zusätzlich verdienten diese Unternehmen mit den Daten sehr viel Geld. Denn durch die immens großen Datenmengen ließen sich durch Big-Data-Analysen sehr aussagekräftige Aussagen zu Kundenverhalten oder beispielsweise einer bevorstehenden Grippewelle treffen – anhand entsprechender Suchanfragen oder Bestellungen. Letztendlich muss sich jedes Unternehmen fragen, was wollen meine Kunden von mir, und was muss ich tun, damit mir nicht andere mein Geschäftsmodell durch entsprechende Internet-Angebote streitig machen, so der Tenor des Vortrages.
Digitaloffensive der Maschinenringe
Eine Reaktion auf die fortschreitende Digitalisierung stellte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Maschinenringe, Erwin Ballis, vor. „Wenn wir uns nicht digital aufstellen, werden andere uns Geschäftsfelder in den Bereichen Planung, Vermittlung und Abrechnung streitig machen“, betonte er. Mit der „Digitalisierungsoffensive“ wolle man dem entgegentreten. „Im Gegensatz zu Neueinsteigern, die die Landwirtschaft in letzter Zeit als Zukunftsbranche entdeckt haben, haben wir direkten Marktzugang und müssen unseren Mitgliedern jetzt den Zugang zur digitalen Welt in der Außenwirtschaft ermöglichen“, betonte Ballis. Man habe auf Seiten der Maschinenringe große Potenziale, die bisher in Insellösungen wie Apps zur Abrechnung oder Portale für den Winterdienst geflossen seien. Nun wolle man mit einem starken IT-Partner das Kerngeschäft digitalisieren und für alle Maschinenringe zugänglich machen.
Um Lösungen bereitstellen zu können, die ihr Geld wert sind, sei man seit sieben Monaten in Verhandlungen mit potenziellen Partnern und mit der Entwicklung von Konzepten beschäftigt. Außerdem werde über ein Voting bei den Mitgliedsverbänden das Interesse an den Aktivitäten ermittelt und vorrangig an Lösungen gearbeitet, die auf besonderes Interesse bei den Mitgliedern stoßen. Da der Bundesverband zur Umsetzung der Offensive finanziell in Vorleistung gehen wolle, könne man dies nur gemeinsam mit den Mitgliedern machen, und so stellte Ballis das Vorhaben zur Abstimmung. Wie schon in vielen Versammlungen zuvor sprach sich die große Mehrheit der Anwesenden für die Weiterverfolgung dieser Ziele aus. Eine Flughafenrundfahrt rundete den Tag ab. Dabei konnte man von Bernd Brotkorb vom Besucherservice des Airports erfahren, dass der Flughafen in der öffentlichen Berichterstattung meist zu negativ und einseitig dargestellt werde. Beispielsweise werde nie erwähnt, dass nur drei Flughäfen in Deutschland keine Verluste machten.
KB – LW 50/2017