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„Was am Tisch gesagt wird, bleibt am Tisch!“

Erfahrungen von Landwirten mit ihren Auszubildenden

Das neue Ausbildungsjahr steht vor der Tür und Landwirte sowie Auszubildende stehen vor der Herausforderung: Passen wir zusammen? Das LW hat mit zwei Landwirten über ihre Erfahrungen mit ihren Auszubildenden gesprochen. Hier die Essenz mit Tipps für beide Seiten.

Michael Dörr mit seinen beiden Auszubildenden Lennart Reimann und André Eichler.Foto: privat

Azubis auf dem Karlshof von Michael Dörr

Auf dem Karlshof von Michael Dörr aus Roßdorf (Landkreis Darmstadt-Dieburg in Hessen) werden seit 1980 Jugendliche zum Landwirt ausgebildet. Rund 50 Auszubildende haben seitdem auf dem Milchviehbetrieb mitgearbeitet. „Wir haben in der Regel ein bis drei Azubis bei uns auf dem Hof“, informiert Dörr.

„Landwirt sein, ist nicht nur Traktor fahren!“

Nur mit Spaß und Interesse an der Landwirtschaft mache die Ausbildung Sinn, ist er überzeugt. „Wer vom Arbeitsamt geschickt wird, nur weil er woanders keinen Ausbildungsplatz bekommen hat und denkt, hier kann man mal ein bisschen Traktor fahren, die Mistgabel schwingen oder die Zeit absitzen, der ist in unserem Beruf falsch.“ Der Beruf sei so technisiert, dass die Jugendlichen neben körperlicher und geistiger Fitness auch ein Verständnis für Technik mitbringen sollten. „Und sie müssen rechnen können, was eine gewisse Schulbildung in Mathematik voraussetzt.“

Komme ein Jugendlicher alleine zum Vorstellungsgespräch, sei das häufig ein Zeichen von „der ist schon recht selbstständig“. Würden die Eltern mitkommen, sei dies auch gut. „Das zeigt, dass die Eltern den Kindern Rückhalt geben, was uns auch wichtig ist.“ Positiv wirke, wenn der Bewerber Ziele formulieren könne, warum er Landwirt werden möchte. „Quereinsteiger zeigen häufig ein größeres Interesse an der Ausbildung als andere. Sie wollen den Beruf Landwirt erlernen und haben sich im Vorfeld damit auseinandergesetzt, was auf sie zukommt. Manch anderer soll den Beruf ausüben, um später den elterlichen Betrieb zu übernehmen, will dies aber unter Umständen gar nicht. Das macht sich schnell bemerkbar.“

Stimmt der erste Eindruck beim Vorstellen, dann wird auf dem Karlshof ein drei- bis fünftägiges Praktikum vereinbart. „In dieser Zeit kriegen wir schon ein recht gutes Bild davon, ob die Zusammenarbeit klappen wird. Es muss menschlich stimmen“, nennt Dörr eine wichtige Voraussetzung, um einen Ausbildungsvertrag zu unterschreiben.

Karlshof Michael Dörr, Roßdorf

Teamwork und Ehrlichkeit

Dem Betriebsleiter sind Teamwork und Ehrlichkeit wichtig. „Wer einen Schaden verursacht hat, soll auch zu seinem Schaden stehen und nicht andere dafür verantwortlich machen.“

Eine Regel, die Michael Dörr aus seiner eigenen Ausbildung gerne immer wieder anbringt, besteht aus den drei Buchstaben: S E H – Sehen, Erkennen und Handeln! Es seien oft viele Kleinigkeiten, die das Miteinander vereinfachen würden. „Liegt beispielsweise etwas herum, kann man es aufheben und an Ort und Stelle bringen. Warum immer dazu auffordern?“, so Dörr.

Häufige Handynutzung stört bei der Arbeit. „Mancher Mitarbeiter und Azubi ist im 10-Minutentakt mit einem Handycheck beschäftigt und vergisst oder vertauscht dadurch oft Abläufe bei der Arbeit. Das geht natürlich nicht, ist aber heute den Mitarbeitern schwer mitzuteilen. Es muss ein Mittelweg gefunden werden“, betont der Landwirt.

Ausflug zum Volksfest

Michael Dörr ist sich sicher, dass Motivation bei der Arbeit über neue Technik funktioniert. Ebenso wichtig für die Motivation seien ein gutes Team, ein ordentlicher Betrieb und geregelte Arbeitszeiten.

Dass er sich in puncto Mitarbeitermotivation einiges einfallen lässt, zeigen folgende Beispiele: Ein Firmenausflug ging gemeinsam in einer Stretchlimousine zum Heinerfest, einem großen Volksfest in Darmstadt. „Dort durften dann alle auf meine Kosten Achterbahn fahren, essen und trinken“, so Dörr. Segway- oder Kartfahren standen ebenso schon auf dem Programm wie Sackhüpfen oder Ostereiersuchen im Wald. „Hierarchien im Betrieb werden dabei völlig ausgeblendet“, ist Dörr wichtig. Gemeinsames Erleben und Spaß stehen im Vordergrund, „denn das verbindet“, ist seine Erfahrung.

Unterkunft, Wäsche und Verpflegung

Jeder Auszubildende hat auf dem Hof ein eigenes Zimmer, es sei denn, jemand kommt aus der Nähe und möchte zu Hause wohnen. Waschmaschine und Trockner stehen kostenlos zur Verfügung. Dazu Dörr: „Die Azubis kriegen gleich zu Beginn eine Einführung, wie sie ihre Wäsche waschen und trocknen können. Das hat den Vorteil, dass sie immer ordentlich herumlaufen und nicht warten müssen, bis sie irgendwann nach Hause fahren, um dort von der Mutter die Wäsche gewaschen zu bekommen. Wieder ein Punkt zur Selbstständigkeit, den wir ihnen mitgeben können.“

Der Karlshof hat eine Betriebsküche mit Köchin. Hier nehmen Mitarbeiter und Familienmitglieder gemeinsam Frühstück und Mittagessen ein. „Das Abendessen macht sich jeder selbst. Die Küche steht auch dafür allen zur Verfügung“, erklärt Dörr den Ablauf.

„Die Ausbildung zum Landwirt bietet den Jugendlichen die Chance, in verschiedenen Betrieben zu arbeiten. Wer gut mitmacht, merkt schnell, was ihm liegt, wo seine Leistungsgrenzen sind, und wie es nach der Ausbildung weitergehen soll: ob Büroarbeit, Praktiker oder eine Mischung aus beidem, ob Weiterbildung zum Techniker oder Meister bis hin zum Studium. Alles ist drin, wenn der Azubi das möchte“, so Michael Dörr zu den Berufsaussichten.

SL – LW 31/2015
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