Ausbildung in den Grünen Berufen
Fragen an Michael Stein, Abteilungsleiter Bildung im LLH
Wie sieht die Ausbildungssituation in den elf Grünen Berufen aus Sicht der Ausbildungsberatung aus? Das LW hat dazu Michael Stein, Abteilungsleiter Bildung im Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), einige Fragen gestellt.
Foto: privat
Michael Stein: Wir sind in Hessen in der komfortablen Situation, dass das Angebot an freien Ausbildungsplätzen im Beruf Landwirt/in die Nachfrage deutlich übersteigt. Derzeit bieten noch circa 30 Betriebe einen freien Ausbildungsplatz zum Ausbildungsbeginn August 2015 an. Die Liste der freien Ausbildungsplätze ist auf der Homepage des LLH veröffentlicht (siehe Kasten). Die Ausbildungsberater sind ebenfalls bei der Suche einer freien Ausbildungsstelle behilflich.
LW: Wie ist die Nachfrage bei den Jugendlichen, einen Grünen Berufen zu erlernen?
Stein: Die Situation in den verschiedenen Agrarberufen hat sich in Hessen in den letzten Jahren sehr unterschiedlich entwickelt. Während der zahlenmäßig stärkste Beruf Gärtner/Gärtnerin seit dem Jahr 2000 sinkende Ausbildungszahlen aufweist, ist im Beruf Landwirt/Landwirtin ein sehr erfreulich gegenläufiger Trend festzustellen. Allein im letzten Jahr sind die Ausbildungszahlen gegenüber dem Vorjahr von 390 auf 450 Auszubildende gestiegen (siehe Grafik).
LW: Wie sieht es in den anderen Grünen Berufe aus?
Stein: Bezogen auf alle elf Agrarberufe ist diese Steigerungsrate nur in der Landwirtschaft zu verzeichnen, während in den anderen Berufen wie Pferdewirt/Pferdewirtin, Winzer/Winzerin, Fachkraft Agrarservice, Milchtechnologe, Tierwirt/Tierwirtin die Zahlen in Hessen relativ stabil geblieben sind.
Wenn man bedenkt, dass mittlerweile fast 50 Prozent der landwirtschaftlichen Auszubildenden nicht mehr von einem elterlichen Betrieb stammen, hat dieser Beruf offensichtlich eine hohe Attraktivität. Die Möglichkeiten, in der Landwirtschaft einen Arbeitsplatz zu finden, sind ebenfalls sehr gut. Mit dem Wachstum der Betriebe werden zunehmend landwirtschaftliche Arbeitnehmer/innen gesucht. Auch bei den Ausbildungsberatern fragen Betriebe zunehmend nach ausgebildeten Landwirten nach.
LW: Es gibt einen neuen Tarifvertrag für die landwirtschaftlichen Auszubildenden.Was ändert sich?
Stein: Ab 1. August 2015 gilt der neue Tarifvertrag für landwirtschaftliche Auszubildende. Danach steigt die Ausbildungsvergütung um 15 Euro pro Monat gegenüber der bisherigen Vergütung. Ab 2016 wird sie nochmals um den gleichen Betrag angehoben. Auch für überdurchschnittliche Leistungen in der Berufsschule gibt es Leistungsprämien von 50 beziehungsweise 100 Euro.
Schade ist, dass die Sozialpartner länger als ein Jahr für diese Einigung benötigten und daher eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung mit Ablauf des Vertrages in 2014 nicht umgesetzt werden konnte. (Die neuen Vergütungssätze wurden im LW-Hessenbauer 30/2015, S. 8 veröffentlicht. Sie sind auch abrufbar auf der LLH-Website.)
Ausbildungsstatistik 2014
Landwirtschaft mit stabilen Zahlen
Kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres hat das Statistische Bundesamt die endgültigen Zahlen für das Ausbildungsjahr 2014 veröffentlicht. Demnach hatten 2014 insgesamt 518 391 Jugendliche einen neuen Ausbildungsvertag abgeschlossen. Im Bereich Landwirtschaft waren es 13 404 neue Verträge gegenüber 13 278 im Jahr zuvor. Abgenommen hat die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Bereich Hauswirtschaft von 2 649 in 2013 auf nur noch 2 388 in 2014.
www.aid.deLW: Die Themen ökologischer Landbau und Tierwohl sollen stärker in den Unterricht integriert werden. Wie ist dies organisiert?
Stein: Die hessische Landesregierung hat in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, den ökologischen Landbau und das Thema Tierwohl in der beruflichen Aus- und Fortbildung stärker zu verankern. In den landwirtschaftlichen Fachschulen des LLH ist das Lernfeld Ökolandbau seit einem Schuljahr bereits im Lehrplan verankert und wird auch erfolgreich umgesetzt.
In den Berufsschulen wird das Thema im kommenden Schuljahr verstärkt aufgegriffen. Ein Konzept zur Umsetzung wurde gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, dem Kultusministerium sowie dem Hessischen Bauernverband, der Hessischen Landjugend und der Vereinigung ökologischer Landbau abgestimmt. Dazu gehören die Fortbildung der Lehrkräfte (ein erstes Seminar hat bereits im Mai stattgefunden), die Erarbeitung von Lernsituationen für den Unterricht und die stärkere Verankerung von Praxistagen in ausgewählten Betrieben. Ebenso werden die Themen ökologischer Landbau und Tierwohl Gegenstand der Zwischen- und Abschlussprüfungen sein.
LW: Die Ausbilder haben eine Fürsorgepflicht für ihre Azubis. Was bedeutet das?
Stein: Mit dem Abschluss eines Ausbildungsvertrages ergeben sich sowohl für die Ausbilder als auch für die Auszubildenden Rechte und Pflichten. Nach dem Berufsbildungsgesetz haben Ausbildende dafür zu sorgen, dass den Auszubildenden die berufliche Handlungsfähigkeit vermittelt wird, die zum Erreichen des Ausbildungszieles erforderlich ist. Sie haben auch dafür zu sorgen, dass Auszubildende charakterlich gefördert sowie sittlich und körperlich nicht gefährdet werden. Ebenso dürfen nur Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und ihren körperlichen Kräften angemessen sind.
Die Einhaltung bestehender Gesetze wie zum Beispiel dem Jugendarbeitsschutzgesetz und dem Arbeitszeitgesetz dürfte normalerweise nicht zur Diskussion stehen. Zu dieser Thematik erhält auch die zuständige Stelle im LLH sehr häufig Anfragen. Es gehört meines Erachtens auch zur Fürsorgepflicht, dass mit diesen Themen verantwortungsvoll umgegangen wird. Mehrarbeit, die über die acht Stunden tägliche Arbeitszeit hinausgeht, ist rechtlich möglich und für die Auszubildenden in der Regel auch kein Problem. Was aber erwartet werden kann, sind entsprechende Ausgleichsregelungen, wie sie in den Gesetzen auch vorgesehen sind.
LW: Haben Sie weitere Tipps für Ausbilder und Auszubildende für das Miteinander auf den Höfen?
Stein: In den vielen Jahren, die ich in der Berufsausbildung tätig war, hat sich ein Aspekt immer als sehr wichtig herausgestellt: Gute Ausbildung ist immer auch intensive Beziehungsarbeit. Aufgeschlossenheit, Hilfsbereitschaft, Zuwendung, Zugehörigkeit sind Merkmale, die sich Auszubildende von ihren Ausbildern wünschen. Meine Tipps an die Ausbilder: Besprechen Sie zu Beginn der Ausbildung, was die Auszubildenden von Ihnen und in Ihrem Betrieb erwarten können, formulieren Sie aber auch deutlich, was Sie von Ihren Auszubildenden erwarten! Führen Sie regelmäßig Ausbildungsgespräche mit Ihrem Auszubildenden! Geben Sie Rückmeldungen über die Bereiche, die gut laufen, und unterstützen Sie dort, wo noch Defizite sind!
In einer Umfrage bei landwirtschaftlichen Auszubildenden, die wir vor einigen Jahren durchgeführt haben, war die Arbeitsbelastung und waren auch die teilweise längeren Arbeitszeiten nicht „das Problem“. Was vereinzelt kritisiert wurde, war, dass Mehrarbeit und Engagement als selbstverständlich angenommen wurde. Hier würde Lob und Anerkennung die Motivation sicherlich fördern.
Auch interessant: Eine Untersuchung der Universität Göttingen aus dem Jahr 2013 hat ergeben, dass Beschäftigte in der Landwirtschaft eine deutlich höhere Berufszufriedenheit aufweisen als Beschäftigte außerhalb der Landwirtschaft. Dies liegt unter anderem an der Vielfalt der Aufgaben und dem Grad an selbstständigem und eigenverantwortlichem Arbeiten. Ausbilder in der Landwirtschaft haben nach meiner Einschätzung daher eine hohe und mehrfache Verantwortung. Sie müssen den Berufsnachwuchs fachlich qualifizieren, damit er den sich ständig weiterentwickelnden Anforderungen gewachsen sein wird, und sie müssen die Attraktivität des Berufes vermitteln. Dazu gehören vereinbarte Arbeitszeiten ebenso wie eine angemessene Vergütung.
Die Fragen stellte Stephanie Lehmkühler – LW 31/2015