Wachstumsregler werden im Getreide seit Jahrzehnten dort angewendet, wo aufgrund der örtlichen Erfahrung das Ertragspotenzial dichter Bestände abgesichert werden soll. Der Einsatz kann den Zeitpunkt des Lagers verzögern, dessen Intensität verringern und damit die Ernte erleichtern. Wachstumsregler bringen keine echten Mehrerträge, sondern können allenfalls Mindererträge verhindern. Grobe Anbaufehler und Lager bedingt durch Unwetter können nicht verhindert werden.
Gemeinsam ist allen Wachstumsreglern, dass die Internodien gestaucht werden, die sich zum Zeitpunkt der Anwendung strecken. Derzeit stehen fünf zugelassene Wirkstoffe zur Verfügung. Vier dieser Wirkstoffe (Chlormequatchlorid, Mepiquatchlorid, Prohexadion, Trinexapac) greifen in die Biosynthese der Gibberelline ein. Gibberelline sind verantwortlich für das Längenwachstum der Pflanzen. Der fünfte Wirkstoff (Ethephon) setzt das Abreifungshormon Ethylen frei. Dadurch wird das Längenwachstum reduziert und insbesondere die oberen Internodien werden eingekürzt.
Falsche Anwendung führt zu Mindererträgen
Die Anzahl und Höhe der Wachstumsreglergaben ist abhängig von der Lagerempfindlichkeit der Sorte, der Bestandesdichte, N-Düngung, N-Nachlieferung, Bodenart und ‑ ganz wichtig ‑ der Wasserversorgung. Bleibt die Bodenwassernachlieferung durch Frühjahrstrockenheit aus, darf dieser Trockenstress nicht zusätzlich durch die Anwendung von Wachstumsreglern verstärkt werden. Erfolgt dennoch eine Anwendung, so ist deren Aufwandmenge zu reduzieren. Fungizide und/oder Herbizide in Mischung zum Wachstumsregler sind dann unbedingt zu unterlassen. Andernfalls sind Schäden am Getreide nicht auszuschließen. Im amtlichen Versuchen in Weizen resultierten unter solchen Bedingungen Ertragsdepressionen von bis zu 15 Prozent.
Die besten Anwendungsbedingungen sind demnach bei wüchsigem Wetter und guter Wasserversorgung gegeben. Minimalanforderungen sind immer frostfreie Nächte und folgende minimale Tagestemperaturen: Medax Top über 5 °C, CCC über 8 °C, Moddus über 12 °C, Camposan extra über 15 °C. Sind diese Bedingungen nicht gegeben, ist es ratsam, mit der Anwendung zu warten.
Lagergefahr der Getreidearten
Bei langjähriger Betrachtung der Landessortenversuche (LSV) Getreide in Rheinland-Pfalz kann festgestellt werden, dass in der Stufe 1 (kein Wachstumsreglereinsatz) bei Winterweizen nur in Einzeljahren und an Einzelstandorten Lager bonitiert wurde. In mehr als 20 Wachstumsreglerversuchen der letzten Jahre trat in den unbehandelten Kontrollen starkes Lager nur dreimal, gering/mittleres Lager nur viermal auf. Und dies, obwohl diese Versuche in gut mit Stickstoff versorgten, lagerempfindlichen Sorten durchgeführt wurden. In den LSV Wintergerste, Winterroggen und Triticale hingegen trat Lager in Stufe 1 ohne Wachstumsregler Einsatz wesentlich häufiger auf.
Bezüglich der Notwendigkeit einer Wachstumsreglermaßnahme ergibt sich daher folgende Reihenfolge: Winterroggen > Wintergerste > Triticale > Winterweizen. Natürlich sind hierbei die Lagereinstufungen der einzelnen Sorten zu beachten.
Im Winterweizen CCC plus Herbizid zur Bestockung
Die meisten angebauten Weizensorten sind recht standfest. Behandlungen mit CCC (0,5 bis 1,0 l/ha) in Kombination mit dem Herbizid im Zeitraum der Bestockung sind in der Regel völlig ausreichend. Bei Tankmischungen von CCC mit wuchsstoffhaltigen Herbiziden sollte die Aufwandmenge von CCC um 0,3 l/ha reduziert werden, wobei als Basismenge 0,3 l/ha CCC nicht unterschritten werden darf.
Je niedriger die Anwendungstemperaturen, desto höher erfolgt die CCC-Aufwandmenge. Sind die Temperaturen zum Herbizidtermin zu gering oder aber benötigen lagerempfindlichere Sorten eine unbedingt sichere Stabilisierung, führen Kombinationen aus CCC + Moddus (0,3 bis 0,5 + 0,2 bis 0,3 l/ha) oder aber Medax Top (0,5 bis 0,75 l/ha) bei Schossbeginn zu effektiveren Ergebnissen.
Ein CCC-Einsatz in der Bestockungsphase (BBCH 21 bis 29) führt zu einer erhöhten Abscisin-Konzentration in den Pflanzen. Dadurch wird die Dominanz des Haupttriebes eingeschränkt und die Entwicklung der Seitentriebe angeregt. In schlecht bestockten Winterweizenbeständen können diese Nebentriebe somit ihren Entwicklungsrückstand aufholen. Je besser und üppiger jedoch der Bestand zu diesem Zeitpunkt, umso weniger wird dieser Effekt erwünscht sein, denn die Gefahr überbestockter Weizenbestände steigt.
Hier gilt es, durch Einsätze erst ab dem Schossen eine Verringerung der befürchteten Lagerneigung zu erreichen. Frühe Schossbehandlungen (BBCH 31/32) mit Moddus + CCC oder Medax Top vergrössern die Halmwandstärke und erzielen so eine Halmstabilisierung, Anwendungen zum Schossende (BBCH 35/37) bewirken eher eine stärkere Reduzierung der Halmlänge.
In der Wintergerste nicht zu spät kommen
In der Wintergerste wird aus Kostengründen zu oft versucht, mit nur einer Überfahrt einen Kompromiss zu finden aus fungizider Dauerwirkung und Lagerabsicherung. Diese Termine zum Ende Schossen können aber zu früh sein, um lang anhaltend vor Krankheiten zu schützen und zu spät, um die Standfestigkeit abzusichern.
Gerade aber in üppigen und lagerempfindlichen Sorten (Highlight, Lomerit) sowie auf Standorten mit hoher N-Nachlieferung empfiehlt sich eine frühe Vorlage zum BBCH 31/32 mit Medax Top (0,6 bis 0,8 l/ha) oder Moddus (0,3 bis 0,5 l/ha). Mit den in Norddeutschland praktizierten Mischungen aus Moddus + Camposan oder Medax Top + Camposan gibt es beim DLR keine Versuchserfahrungen.
Die Moddus-Wirkung verstärkt sich deutlich bei hoher Sonneneinstrahlung. Gegenüber bedecktem Himmel kann man bei Strahlungswetter die Aufwandmengen um 10 bis 20 Prozent reduzieren. Durch das im Medax Top enthaltende Mepiquat (CCC-ähnlich) ist die Triebreduktion schwacher Seitentriebe nicht so stark ausgeprägt wie bei alleinigem Moddus-Einsatz. Diesen Effekt kann der Landwirt in dünnen Beständen nutzen.
Den ganzen Beitrag können Sie sich hier im PDF-Format herunterladen. Hermann Heidweiler DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück – LW 13/2014