Die vorgestellten Projekte zeigen, wie produktionsintegrierte Maßnahmen die Biodiversität fördern können. Denn in allen drei Projekten sind die Ergebnisse messbar und belegen, dass sich mit den richtigen Maßnahmen die Vorkommen an Wildbienen, Feldvögeln und Amphibien deutlich erhöhen lassen. Doch wie sieht es mit der anstehenden Reform der gemeinsamen Agrarpolitik aus? Können die geplanten Ökoregeln das leisten, was sich alle für die Biodiversität erhoffen?
Diese Fragen wurden bei der Podiumsdiskussion von Staatssekretär Andy Becht aus dem Mainzer Landwirtschaftsministerium, Michael Wagner, Vice President Agricultural Solutions BASF, der Vorsitzenden des NABU Rheinland-Pfalz Cosima Lindemann sowie BWV-Präsident Eberhard Hartelt diskutiert.
Für Cosima Lindemann steht fest, dass gerade an einem Gunststandort wie Deutschland Biodiversitätsmaßnahmen nötig sind: „Die Artenkrise ist eine der am weitesten fortgeschrittenen Krisen. Gerade hier brauchen wir Maßnahmen, um dagegen zu steuern.“ Aber sind die geplanten Maßnahmen in der GAP 2023 effektiv? Nein, meint Eberhard Hartelt. „Die 4 Prozent Stilllegung müssen kritisch hinterfragt werden, vor allem angesichts des Krieges in der Ukraine.“ Für ihn gehört die Regelung politisch auf den Prüfstand. Nicht nur aufgrund der drohenden Nahrungsmittelverknappung weltweit durch den Krieg. Auch, weil durch die Selbstbegrünung der Flächen Folgekosten auf die Landwirte zukommen bei einer gleichzeitigen Kürzung der Prämien. Zudem bringt sie nichts für die Biodiversität. „Wir brauchen bei den Biodiversitätsmaßnahmen mehr Flexibilität, mehr Kooperationsmöglichkeiten und eine Einkommensperspektive für die Landwirte.“ Er bedauerte, dass die Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) von der Politik nicht aufgegriffen wurden. „Die ZKL hat Wege aufgezeigt, wie wir künftig beides hinbekommen: Biodiversität und landwirtschaftliche Produktion“, ergänzte Lindemann. In der ZKL hätten alle erkannt, dass die Landwirtschaft auch ökonomisch enorm unter Druck steht. „Wir brauchen eine breit geführte Debatte, wie beides funktioniert und die Landwirte eine Einkommenssicherung erfahren. Die Biodiversitätsmaßnahmen müssen sich für sie rechnen“, erklärte die NABU-Vorsitzende.
„Die drei Ziele Klimaschutz, Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit müssen wir parallel betrachten und gleichgewichtig erfüllen“, sagte Michael Wagner. Er ist davon überzeugt, dass die Landwirtschaft mit ihrer Innovationskraft und dem hohen Produktionsfortschritt diese Aufgabe auch schafft. Er plädierte dafür, die Biodiversitätsmaßnahmen, die sich leicht umsetzen lassen, in den Fokus zu nehmen. Dazu zählte er Totholzhaufen, die nicht viel Platz benötigen und viel bringen. „Maßnahmen müssen effizient sein. Das Eigenengagement der Landwirte muss Teil der Lösung sein.“
Mehr Planbarkeit von Politik gefordert
Die Farm-to-Fork- Ziele der EU mit einer Halbierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes hält Wagner für ambitioniert, aber erreichbar. Digitale Anwendungen würden in Zukunft dabei helfen, Pflanzenschutz- und Düngemittel genauer zu applizieren und die Aufwandmengen zu reduzieren. „Ich sehe da eine enorme Innovationskraft“, so Wagner. Er wünscht sich von der Politik Planbarkeit. „Wir müssen bei unseren Entwicklungen zehn Jahre nach vorne schauen, weil Züchtung und Entwicklung so lange dauern.“ Die Rahmenbedingungen müssten langfristig sein. „Die Maßnahmen müssen für Jahrzehnte gedacht werden und nicht für Jahre.“
Andy Becht verteidigte das deutsche Strategiepapier zur Umsetzung der GAP 23 ein Stück weit. „Es wurde ein Interessensausgleich geschaffen zwischen der Einkommenssicherung der Landwirte, der Förderung der ländlichen Räume und dem Erhalt der Ressourcen“, sagte er. Bei der verpflichtenden Stilllegung ab 2023 wolle die Landesregierung eine Diskussion anstoßen, um Änderungen zu erreichen. Er räumte ein, dass auch er enttäuscht war über die geringe Höhe der Fördersätze. Er ließ durchblicken, dass die Diskussion um die Höhe der Einkommenssicherung kontrovers geführt wurde. „Wir müssen alle sieben Ökoregelungen in der ersten Säule anbieten“, so Becht zu den Modalitäten. „Wir müssen in der 2.Säule kreativ werden“, erklärte der Staatssekretär. Dadurch könnten die gekürzten Prämien ausgeglichen werden. Wie das gehen kann, erläuterte er am Beispiel der Ökoregel „Vielfältigen Fruchtfolge“. Die Kürzung der Prämien in der 1. Säule wird durch die Schaffung einer ähnlichen Maßnahme in der 2. Säue finanziell ausgeglichen. „Uns war wichtig, dass wir Geld in Rheinland-Pfalz halten. Das ist uns gelungen, wir bekommen sogar mehr finanzielle Mittel“, hielt Becht fest.
„Bei den Landwirten hat das Strategiepapier blankes Entsetzen ausgelöst“, brachte Hartelt die Reaktion auf die GAP-Vorschläge auf den Punkt. „Die GAP ist zu bürokratisch, die Gefahren für eine Kontrolle und Sanktionen zu groß. Viele Landwirte überlegen sich, aus dem System auszusteigen.“ Es fehle bei den deutschen Vorschlägen an Möglichkeiten zur Flexibilisierung, um auf Wetterereignisse oder andere unvorhergesehene Dinge zu reagieren. Der BWV-Präsident plädierte für das holländische Modell, in dem Biodiversitätsmaßnahmen in Kooperation durchgeführt werden. „Es braucht Vertrauen in die Landwirte, nicht nur Verbote“, sagte er.
Auch Cosima Lindemann äußerte Kritik am GAP-Strategiepapier: „Es fehlt an Kombinierbarkeit der Maßnahmen. Auch mehr mehrjährige Maßnahmen wären besser“, sagte sie. Die einjährigen Maßnahmen würden sich zum Einstieg gut eignen. Sie wünscht sich, dass der Schulterschluss zwischen den Landwirtschafts- und Naturschutzverbänden, der vor mehr als einem Jahr in Rheinland-Pfalz als gemeinsames Bekenntnis zu mehr Biodiversitätsmaßnahmen geschlossen wurde, endlich mit Leben gefüllt wird.
„Es läuft hier sehr schleppend“, sagte Lindemann adressiert an Andy Becht. „Andere Bundesländer haben dafür ein Volksbegehren gebraucht. Hier arbeiten wir Hand in Hand. Es ist frustrierend, dass wir seit einem Jahr nichts mehr hören.“ Der Staatssekretär wollte das nicht so stehen lassen: „Niemand tut sich schwer damit“, sagte er. Ganz im Gegenteil, es seien in der gemeinsamen Besprechung bereits konkrete Projekte wie das Modellvorhaben Kooperative Umsetzung der AUKM (MoKu EULLa) geplant. Allerdings habe es durch Corona und die Überschwemmung im Ahrtal Verzögerungen gegeben.
ibs – LW 27/2022