Johannes Hieber und Stefan Brenner betreiben eine Biogasanlage mit Wärmenetz in Holzheim, Kreis Dillingen/Bayerisch-Schwaben. Den Umbau auf hochflexible Fahrweise haben sie schon vor sieben Jahren umgesetzt. Die zwei halten ihre Anlage stets auf dem bestmöglichen Stand, weshalb Software und Hardware für den Flexbetrieb schon mehrfach optimiert wurden. Mit dem Bau eines Wärmespeichers und der Teilnahme an der Biomasse-Ausschreibung warten die nächsten Herausforderungen.
Flexibilisieren oder nicht? Und wenn ja: wie stark überbauen? Diese Fragen haben sich die Biogas-Landwirte Johannes Hieber und Stefan Brenner schon vor sieben Jahren gestellt und beantwortet. In einer großen Umbaumaßnahme wurden 2018 die Blockheizkraftwerke (BHKW) fünffach überbaut und weitere Anlagenteile an die neue Spitzenleistung angepasst. Seitdem wird die Biogasanlage Holzheim saisonal, wärmegeführt und strompreisorientiert betrieben.
Bedarfsgerecht statt Rund-um-die Uhr-Betrieb
„Wir waren jung und wollten nicht einfach 24/7 weitermachen, sondern in den bedarfsgerechten Betrieb einsteigen“, erzählt Hieber. Ein Besuch auf der Anlage zwischen Augsburg und Ulm, nur 10 km vom Kernkraftwerk Gundremmingen an der Donau entfernt, zeigt aber auch: Einmal groß investieren und dann die hohen Strompreise einkassieren – so läuft es nicht mit der Flexiblisierung. Ständig stellen sich neue Herausforderungen, die Optimierungen an der Anlage erfordern; wie etwa ganz aktuell die Umstellung auf automatisierten Fahrplanbetrieb.
„Erst haben wir nur an eine doppelte Überbauung gedacht“, gesteht Hieber. Doch der Netzanschluss am Standort sei hierfür zu schwach gewesen und es zeichneten sich hohe Kosten für einen 2 km entfernten Stromeinspeise-Punkt ab. Also gingen es die Inhaber und Geschäftsführer der Biogasanlage Holzheim GmbH & Co. KG groß an und investierten über 7 Mio. Euro; was beiden „große Bauchschmerzen“ einbrachte. Hieber wirft den Blick zurück auf 2009, als die Biogasanlage gebaut wurde. „Wir haben am Anfang 1,5 Mio. Euro in den Standort investiert. Ich war damals 22 Jahre alt. Meine Eltern kannten so etwas nicht.“
Die Landwirte betreiben ein Multi-Unternehmen
Damals war noch Brenners Vater Karl gleichberechtigter Teilhaber, der inzwischen seinen Anteil an den Sohn übergeben hat. Hieber leitet heute auch ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen. Außerdem gründete er zusammen mit Stefan Brenner 2022 das Fuhrunternehmen B&H Service GmbH & Co. KG. Acht LKW sind deutschlandweit unterwegs und transportieren zum Beispiel Getreide, Schüttgüter oder Futtermittel. So entwickelten sich die beiden Landwirte mit ihren Ackerbau- und Marktfrucht-Betrieben auch zu Energiewirten und Multi-Unternehmern.
Auf dem Betriebsrundgang wird deutlich, was 2018 alles erneuert, verbessert und vergrößert wurde. In dem neuen BHKW-Gebäude finden zwei 1,5-MWel-Aggregate Platz, jedes in einem eigenen Raum. „Das ist viel angenehmer bei Wartungs- und Reparaturarbeiten“, erläutert Brenner. Die installierte Leistung erhöhte sich auf 3760 kWel.
Wärmenetz versorgt 250 Kunden
Entlang eines Mittelgangs sind die Gärbehälter aufgereiht. „Die ganze Infrastruktur der Anlage war zu klein geworden“, blickt Hieber zurück. Der Aktivkohlefilter, Gas- und Bezugsstrom-Leitungen wurden vergrößert. Als großes „Flexibilisierungs-Mal“ bauten die Holzheimer ein Gärrestlager mit 33 m Durchmesser und 6 800 m³ Gasspeicher-Volumen dazu. Drei Wärme-Pufferspeicher á 155 m³, die für den Straßentransport noch zugelassen sind, ließen sie sich an die Biogasanlage liefern und aufstellen.
Die Anlage war 2009 mit einer Anschlussleistung von 380 kWel in Betrieb gegangen. Ein Jahr später bauten die Biogas-Unternehmer das Wärmenetz und schlossen zirka 50 Wohnhäuser und einen Landhandel an. Um die Wärmeversorgung mit Biogas zu sichern, installierten sie 2011 ein zweites, gleich großes BHKW.
Mit der Flex-Maßnahme 2018 und in den Monaten danach erweiterten die Nahwärme-Unternehmer das Wärmenetz um 160 Anschlüsse. Mittlerweile haben sie 250 Kunden. Die thermische Spitzenlast liegt derzeit bei rund 2,5 MW. Auf einer Ortsgebiets-Karte zeigt Hieber eine Siedlung in Holzheim, um die das Wärmenetz noch erweitert werden könnte.
Wärmeleistung musste gesteigert werden
2020 standen Brenner und Hieber vor einem Dilemma: Mit der Höchstbemessungsleistung (HBL) von 740 kWel schafften sie es kaum mehr, die Wärmeanforderungen zu erfüllen. Sie lösten das Problem mit einem Coup: Aus der Insolvenzmasse einer Biogasanlage konnten sie zwei BHKW kaufen und damit die HBL um 685 kWel erweitern. „Wir hätten sonst eine andere Energiequelle für die Wärme gebraucht und das wollten wir nicht“, stellt Brenner klar. Der 3-MW-Ölkessel sollte weiterhin ein reiner Ausfallkes-
sel bleiben. Die Biogasanlage hat seitdem sechs BHKW mit 4 474 kWel installiert.
„Im Winter brauchen wir Zuckerrüben“, sagt Brenner. „Überrüben“ außerhalb des Zuckerverarbeitungs-Kontingents seien ein willkommener, weil hochkalorischer Einsatzstoff. Die Biogas-GmbH & Co. KG habe rund 50 NawaRo- und 20 Wirtschaftsdünger-Lieferanten. Sie verfüge über keine eigenen Flächen. „Alle Einsatzstoffe werden gekauft“, unterstreicht der 35-jährige. Gülle werde in den meisten Fällen mit einem B&H-Service-Tankzug vom Viehhaltungs-Betrieb abgeholt und Gärdünger wieder angeliefert.
Saisonale Fahrweise für die Winterheizleistung
Um die Gärstrecke auszuweiten und die Flexibilität schon in der Fütterung zu erhöhen, wurde 2022 ein Nachgärbehälter zum Fermenter umgebaut, indem ein Feststoffeintrag nachgerüstet wurde. Anschließend bauten die Schwaben ein weiteres Gärrestlager, in gleicher Größe wie das von 2018, und stellten es letztes Jahr fertig. Das erlaubt ihnen jetzt eine ausgeprägte saisonale Fahrweise: „Von Oktober bis Dezember steigern wir die Fütterung, sodass wir spätestens Anfang Januar auf dem höchsten Level sind. Ab Ende März fahren wir dann langsam wieder runter“, erklärt Hieber. Im Sommer werde die Gaserzeugung so weit reduziert, dass zeitweise zwei Gärbehälter leer fallen und die Bemessungsleistung im Juli und August nur bei etwa 300 kWel liege.
Fahrplan wird laufend automatisch aktualisiert
Seit Anfang des Jahres läuft die Biogasanlage im automatisierten Fahrplanbetrieb mit dem Energiemanagement-System „myplant“ des BHKW-Herstellers Innio Jenbacher. Zwar gibt es in Holzheim schon seit sieben Jahren Fahrplanbetrieb; zuvor aber mit manueller Steuerung – und gravierenden Nachteilen: „Vom Direktvermarkter bekam der Betriebsleiter Michael Ehnle die Börsenpreise übermittelt. Er versuchte, die Morgen- und Abendspitzen mitzunehmen, musste sich aber auch überlegen, wann wieviel Wärme gebraucht wird. So war er des Öfteren zwei bis drei Stunden beschäftigt, um den genauen Fahrplan zu erstellen“, erläutert Brenner.
„Wegen des Wärmebedarfs wollten wir immer auf der sicheren Seite sein. Die Anlage wurde deshalb nicht so hochflexibel betrieben wie möglich. Einzelne BHKW liefen auch oft zu Zeiten schlechter Strompreise. Am Ende des Monats wurden die guten Preise von den schlechten wieder aufgefressen“, ergänzt Hieber.
Die myplant-Software berücksichtigt sowohl Strom, Wärme als auch Gasspeicherfüllstände. „Die ganze Anlage ist als digitaler Zwilling nachgebaut“, sagt Simone Kutz, Leiterin der Energiemanagement-Sparte bei Innio-Jenbacher, am Steuerungs-Bildschirm. Jeder Anlagenteil sei mit seinen Parametern in einer Schaltfläche hinterlegt. Das System erstelle Prognosen mithilfe künstlicher Intelligenz.
„Neben den Strompreisen fließen zum Beispiel auch Wetter- und Wärmedaten ein. Alle fünf Minuten aktualisiert sich der Fahrplan. Die BHKW werden automatisch gestartet. Das ist eine Riesen-Erleichterung für den Anlagenbetreiber“, erklärt die Betriebswirtin.
KI-gestützt Strom liefern, wenn er gut bezahlt wird
Der zweite große Vorteil sei, dass durch die ständige Aktualisierung Chancen im kontinuierlichen Intraday-Markt, wo Viertelstunden-Lieferungen bis fünf Minuten vorher gehandelt werden, genutzt werden könnten. Kutz zeigt dies mit der Visualisierung des aktuellen Fahrplans, wo sich am Spätnachmittag des Vortags ein kurzfristiger Preissprung auf 6 000 Euro/MWh erkennen lässt: „Der Intraday-Handel gleicht nicht zutreffende Prognosen im Day-Ahead-Markt aus. Somit waren wohl deutlich mehr PV- und Windstrom prognostiziert, konnten aber nicht geliefert werden; daher der hohe Preis am Intraday-Markt.“ Das Energiemanagement-System habe die Hochpreisphase sicher mit allen BHKW abgefahren. Den Stromhandel übernehme der Kooperationspartner der Innio Group, die Stadtwerke Rosenheim als Direktvermarkter.
Ein weiterer Aspekt beim Fahrplanbetrieb sind Vorgaben des Anlagenbetreibers: „Wir wollen nicht mehr als drei Starts am Tag“, sagt Hieber. Ein Betrieb mit vielen Starts sei verschleißträchtig und beeinträchtige die Langlebigkeit der Motoren. Kutz fügt an, dass die künstliche Intelligenz in Holzheim noch in der Lernphase sei. „Der Betriebsleiter hat aber die Hoheit. Er kann jederzeit Änderungen vornehmen“, betont sie.
Größe des Wärmespeichers begrenzt den Flex-Betrieb
Vorrang beim Fahrplanbetrieb hat in der Regel der Wärmebedarf. „Mit einem größeren Wärmespeicher könnten wir Niedrigpreisphasen besser überbrücken“, lässt Hieber einblicken. Der Wärmespeicher sei der begrenzende Faktor des Flex-Betriebs. Mit seinen 465 m³ hinkt er der Entwicklung der anderen Anlagenteile hinterher. Vor allem sollten die mögliche Gas- und Wärme-Speicherdauer in etwa gleich lang sein. Die Gasspeicherkapazität hat inzwischen 18 000 m³ erreicht.
Um das Defizit zu beheben, arbeiten die Holzheimer bereits an der Vorplanung für einen 3 000 m³ großen Warmwasserspeicher. „Wir sind bei den Platzverhältnissen sehr beengt. Außerdem haben wir im Bebauungsplan eine Höhenbeschränkung“, schildert der Unternehmer. Für den Wärmespeicher und eine LKW-Halle laufe zurzeit eine B-Plan-Änderung. 2026, wenn der neue Wärmespeicher dann stehen soll, dürfte nach der Software auch die Hardware für einen optimalen Flex-Betrieb komplett sein.
Es stehen weitere Schritte an
Doch die nächste Herausforderung wartet schon wieder: 2029 läuft die EEG-Vergütung der Anlage aus, weshalb Brenner und Hieber nächstes Jahr an einer Ausschreibung teilnehmen wollen. 2024 haben sie es schon einmal versucht, um sich eine Anschlussförderung nach „altem Recht“ zu sichern. Sie bekamen aber keinen Zuschlag. Das neue Recht durch das „Biomassepaket“ stellt die zwei Geschäftsführer jetzt wieder vor neue Herausforderungen.
„Mit dem jetzigen Anlagendesign kommen wir auf etwa 2 500 Volllaststunden im Jahr“, sagt Brenner. Da mit dem Biomassepaket die Begrenzung auf die Höchstbemessungsleistung entfalle, sei man sich noch nicht ganz klar darüber, mit wieviel Leistung man in die Ausschreibung gehen soll. Abhängig sei das auch vom weiteren Ausbau des Wärmenetzes. Ab 2029 müssten alle BHKW mit SCR-Katalysator ausgestattet sein. Bei den zwei ältesten BHKW mit je 380 kWel lohne sich das nicht mehr. Es sei in jedem Fall eine Ersatzbeschaffung nötig – oder eben ein Anlagenausbau.
„Der jetzige Netzanschluss reicht für 6 MWel. Wir haben also noch etwas Spielraum“, lässt der Biogas-Landwirt wissen. Denkbar sei aber auch ein größerer Netzanschluss im Zusammenspiel mit dem weiteren Erneuerbaren-Ausbau in der Gemeinde, sofern dies zu angemessenen Kosten realisiert werden könne. Rein optisch könnte der neue Wärmespeicher zusammen mit den großen Gashauben schon bald ein weithin im Donauried sichtbares Energiewende-Ausrufezeichen setzen – und damit auch ein Zeichen der Wachablösung, denn die 160 m hohen Kühltürme des Kernkraftwerks Gundremmingen sollen noch dieses Jahr gesprengt werden.
Christian Dany – LW 43/2025