Die beiden BWV Kreisverbände Südliche Weinstraße und Germersheim luden kürzlich zu ihrer gemeinsamen Jahreshauptversammlung nach Impflingen ein. Neben einem Rückblick auf das vergangene landwirtschaftliche Jahr, lieferten die Referate von Staatssekretär Andy Becht und BWV-Präsident Eberhard Hartelt vielfältige Eindrücke zu den zahlreichen aktuellen Herausforderungen mit denen sich Landwirte und Landwirtinnen derzeit auseinandersetzen müssen. Das LW war dabei.
„Energiewende, Inflation, Ernährungssicherheit – das sind nur einige Punkte, die die Landwirtschaft momentan umtreibt. Märkte spielen verrückt, Produktionsmittel sind teuer und schwer zu beschaffen“ schildert Karl-Friedrich Junker, Vorsitzender des BWV Kreisverbandes Südliche Weinstraße, in seiner begrüßungsrede und hinterfragt, ob die Landwirtschaft in Deutschland überhaupt noch gewollt sei. „Bleibt politische Hilfe aus, stehen zahlreiche Betriebsaufgaben bevor“, prognostiziert Junker.
Trockener Sommer fordert auch den Weinbau
Der Kreisvorsitzende blickte weiterhin auf das vergangene Weinbau-Jahr zurück und erklärte, dass die extrem trockenen Sommermonate an der Vitalität der Weinreben nicht spurlos vorbeigingen. Die Wasserbeschaffung müsse erörtert werden, denn Bewässerungsmaßnahmen werden in Zukunft auch im Weinbau eine große Rolle spielen.
Im Anschluss thematisierte Karl-Friedrich Junker die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln (PSM). Diese sei bei guter Beratung und dem Einsatz von moderner Technik noch machbar. Das PSM-Verbot in geschützten Gebieten wäre allerdings das Aus vieler Betriebe und sei grundsätzlich abzulehnen.
Dem stimmte auch Roland Bellaire, Vorsitzender des BWV-Kreisverbandes Germersheim zu. Käme es im Kreis Germersheim zu dem Totalverbot von PSM, handele es sich um ein betroffenes Gebiet von nicht weniger als 7000 Hektar. Auch Bellaire zog sein Resümee und berichtete über das vergangene Landwirtschaftsjahr, das geprägt war von Unsicherheit und Unplanbarkeit. Dies wird das Erntejahr 2023 sicher erschweren. In seiner Ansprache ging Roland Bellaire auch auf die Installation von Freiflächen-Photovoltaikanlagen (FF-PV) ein und appelliert, diese eher auf Dachflächen und bereits versiegelten Böden zu verwirklichen, anstatt auf wertvollen landwirtschaftlichen Flächen. „Das Schutzgut Boden ist nicht vermehrbar“, erklärt der Vorsitzende und weist darauf hin, dass es im Landkreis Germersheim mehrere öffentliche Gebäude, Parkplätze und Fassaden gäbe, die sich für die Errichtung einer PV-Anlage bestens eignen würden.
Roland Bellaire erneut zum Vorsitzenden gewählt
Dem nächsten Tagesordnungspunkt entsprechend nahm sich Wahlleiter Dirk Gerling zunächst der Wahl des Kreisvorstandes Südliche Weinstraße an. Andreas Beck, Thomas Zöller, Georg Minges, Markus Martin und Matthias Schmitt wurden einstimmig gewählt und nahmen die Wahl an. Roland Bellaire stellte sich als Kreisvorsitzender des Kreisverbandes Germersheim erneut auf und wurde ebenfalls einstimmig wiedergewählt. Zuletzt wurden Hurbert Dudenhöffer, Horst Gleich, Florian Hörner und Stefan Krebs einstimmig zum Vorstand des Kreises Germersheim gewählt und nahmen die Wahl an.
Staatssekretär Andy Becht ging in seinem anschließenden Referat aus politischer Sicht auf verschiedene Punkte ein, die die Landwirte vor Ort mit Sorge beobachten. Landwirtschaft und Krise seien derzeit nicht mehr wie früher oft verbandelt, sondern mittlerweile fest miteinander verheiratet, so der Staatssekretär. Zunächst thematisierte Becht die Ausweisung der roten Gebiete. Auf Forderungen des Berufsstandes hin, seien bereits jetzt mehr Messstellen ausgewiesen worden. Bis 2024 sollen insgesamt 560 Messstellen im Einsatz sein denn, so Becht „die Einstufung als rotes Gebiet erfolgt nur noch über Messungen, nicht mehr über eine verursachergerechte Modellierung.“
Im Weiteren ging der Politiker auch auf die EU-Verordnung ein, die vorschreibt Zutatenverzeichnis und Nährwertdeklarationen für Weinbauerzeugnisse auf der Flasche verpflichtend anzugeben. Die ab dem 8. Dezember dieses Jahres umzusetzende Vorgabe, kann auch mit einem sogenannten E-Label, also einem QR-Code auf der Weinflasche, umgesetzt werden. Becht versuchte dem E-Label auch etwas Gutes abzugewinnen. Es könne den Verbrauchern dadurch nämlich auch die positive Botschaft vermittelt werden, was in einem guten Wein alles nicht enthalten ist.
Auch die Reduktion von PSM-Einsatz ließ Andy Becht in seinem Referat nicht aus. „Wenn PSM zur Verfügung stehen, um Pflanzenkrankheiten vorzubeugen oder dabei Abhilfe zu schaffen, ist man dann nicht auch in der Pflicht diese zu nutzen?“ fragte er die Zuhörerschaft. Die dahingehenden Richtlinien der EU haben mit der Realität der Landwirte nichts zu tun, erklärte er weiterhin. Und schließlich könne ein PSM-Verbot auch Biodiversitätsverluste nach sich ziehen.
Ausbau von Fahrradstraßen erhitzt Gemüter
Zuletzt thematisierte Andy Becht in seinem Referat die Ausweisung und den Ausbau der sogenannten „Fahrradstraße“ in Landau. Der Staatssekretär sieht die dafür vorgesehene Förderung von insgesamt 1,1 Mio. Euro als große Chance um etwas für die Landwirtschaft und die ländlichen Räume zu tun. Verschiedene Regelungen sollen die Fahrradstraßen für die landwirtschaftliche Nutzung begünstigen. So werden die Straßen zum Beispiel für eine Achslast von acht Tonnen, und dort wo es möglich ist in einer Breite von vier Metern ausgebaut. Zudem soll eine entsprechende Beschilderung darauf hinweisen, dass Traktoren auf diesen Straßen die gleiche Berechtigung zur Durchfahrt haben wie Fahrräder. Diese Thematik stößt in der Zuhörerschaft auf Unmut, denn vereinzelt vermuten Landwirte, das Fahrradfahrer sich durch die Deklaration „Fahrradstraße“ zu jeder Zeit gegenüber landwirtschaftlichem Verkehr in der Vorfahrt wähnen. Diese Bedenken wurden von Andy Becht zur Kenntnis genommen. Er appelliert allerdings trotz allem an die Landwirte, dieser Förderung Positives abzugewinnen, und erinnert daran, dass eine gegenseitige Rücksichtnahme vor wie nach dem Ausbau Bestand habe.
BWV-Präsident Ökonomierat Eberhard Hartelt führt die Zuhörerschaft in seinem anschließenden Vortrag durch die aktuellen Themen der Agrar- und Umweltpolitik. Er erklärt ganz klar: „Eigentlich ist es logisch, dass es zu Problemen kommt, wenn man das CO2, welches über Jahrmillionen gebunden ist, innerhalb von wenigen Jahrzehnten verbrennt.“ Lebensmittel können aber in der Masse de facto nicht ohne CO2-Ausstoß produziert werden. Deshalb hat die Landwirtschaft auch im Pariser Klimaabkommen eine Sonderrolle. Nichts desto trotz gilt es auch in der Landwirtschaft, den Fokus auf Umweltverträglichkeit zu legen. „Wenn Biodiversität in den Agrar-Kulturlandschaften intensiviert werden soll, dann müssen die Landwirte ran“, erklärt Hartelt.
Die aus Brüssel kommenden Verordnungen SUR (Sustainable Use of Pesticide Regulation) und NRL (Nature Restauration Law) geben eine 50 prozentige PSM-Reduktion, sowie ein PSM-Totalverbot in ausgewiesenen Schutzgebieten vor. Daran hat Eberhard Hartelt zwei konkrete
Kritikpunkte: Zunächst sei die fehlende Folgenabschätzung für die Agrarstruktur und die inländische Nahrungsmittelproduktion ein großes Manko dieser Gesetzgebungen.
„Wenn das Verbot kommt, dann ist es egal ob Bio oder Konventionell, das wäre unser aller Aus mit massiven Folgen für Ernährungssicherheit“, erklärt Hartelt ernüchternd. Zudem fielen damit auch die gemeinsamen Schulterschlüsse des BWV mit verschiedenen Naturschutzverbänden ad absurdum. Eberhard Hartelt warnt die Zuhörerschaft, auch nur ansatzweise auf dahingehende Forderungen einzugehen. Besser wäre in dieser Hinsicht eine Methodenoffenheit, und damit das aktive Vorantreiben technischer Entwicklungen.
Um das Ziel von mehr Biodiversität in die Realität umzusetzen schlägt der BWV-Präsident vor regional hinzuschauen und „gezielt Potenziale zu suchen und zu fördern. Ebenso ist es wichtig, sich mit Menschen zu vernetzen die ein Verständnis für Biodiversität und den Erhalt der Artenvielfalt haben und mit ihnen zusammenarbeiten. Das sind die Naturschutzverbände.“ Zusätzliches Engagement der Landwirte und Winzer müsse aber entsprechend bezahlt werden. Mit langem Atem, guten Argumenten und finanzieller Honorierung kann viel für die Landwirtschaft und den Naturschutz getan werden, endet Eberhard Hartelt sein Referat und verspricht: „Blühstreifen sind nur der Anfang. Da geht noch viel mehr.“
lmc – LW 12/2023