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Braugerstenrundfahrt auf Wetterauer Schokoladenböden

Schwieriges Braugerstenjahr 2023

Am 18. Juni fand die Braugerstenrundfahrt des Hessischen Braugerstenvereins auf dem Hofgut Wickstadt in Niddatal, Wetterau- kreis, statt. Nach der Besichtigung der aktuellen Bestände fand eine Diskussion zur Marktlage statt.

Betriebsleiter Sven Schäfer stellte das Hofgut vor. Foto: Wernien

Der stellvertretende Vorsitzende und Betriebsleiter Sven Schäfer stellte das 300 ha große Gut vor, das um 1790 erbaut wurde. Es ist in Besitz des Grafen zu Solms-Rödelheim und Assenheim und seit Jahrzehnten Pachtbetrieb; Pächter ist seit zwei Jahren die Familie Müller. Die Fläche ist voll beregnungsfähig. Seit 35 Jahren werden die Löß-Böden pfluglos bewirtschaftet. Zunächst wurde die Braugerste 2003 in die Fruchtfolge genommen, um eine passende Kultur für die spät räumenden Zuckerrüben zu finden. Mittlerweile ist sie mit aktuell 50 ha fester Bestandteil in der Fruchtfolge, die außerdem Zuckerrüben, Raps, Weizen, Ackerbohnen und Mais beinhaltet.

Sommerbraugerste wird im Betrieb seit fünf Jahren auch in Herbstaussaat angebaut, was in den letzten vier Jahren zu Ertragsvorsprüngen führte. Jedoch zeigte sich der Winter 23/24 vielerorts als schwierig, so dass es insbesondere an staunassen Stellen zu Ausfällen kam. Überregional mussten daher auch einige Bestände umgebrochen werden.

Betrieb liegt im Heilquellenschutzgebiet

Die gesamte Fläche des Betriebes liegt im Heilquellenschutzgebiet und darüber hinaus auch zu 100 Prozent im roten sowie im gelben Gebiet, was zu betrieblichen Herausforderungen führt. Regional sind aktuell Ungräser ein immer größeres Problem, sind vor Ort durch eine Herbizidmaßnahme im Herbst und eine im Frühjahr recht gut im Griff. Die schwierigen Witterungsbedingungen im Herbst 2023 ließen dies allerdings vielerorts nicht zu, was eine erfolgreiche Bekämpfung und das Resistenzmanagement aktuell schwierig machte.

Zu besichtigen war eine eigens angelegte Sortendemonstration, die von LLH-Pflanzenbauberaterin Ann-Kathrin Scherer sowie den Vertretern der Züchter vorgestellt wurde. Dort wurde von langjährig etablierten Sorten wie Planet über neuere Sorten wie Sting oder der in Zulassung befindlichen Ostara bis hin zu Zulassungskandidaten einiges präsentiert. Die knapp 80 Bodenpunkte starke Fläche wurde am 27. März nach Zuckerrüben mit 285 Körnern gedrillt und mit 86 kg N/ha in zwei Gaben gedüngt. In der aktuellen Saison sind einige Sommergersten von Pilzinfektionen befallen, während hingegen die Fungizidmaßnahme in Wickstadt zum richtigen Zeitpunkt kam, so dass die Bestände sich gesund und kräftig präsentieren.

Neben der Sortendemonstration widmete man sich ausführlich dem Thema Boden. Roland Kraft, Mitglied des Vereins und ehrenamtlicher Bodenschätzer, stellte in einer eigens ausgehobenen Bodengrube die Besonderheiten heraus. Die Wetterauer „Schokoladenböden“ zeigten eine weit über 1 m hinaus reichende Durchwurzelbarkeit, die auch die eigentlich Durchwurzelungsfaule Braugerste gerne nutzte. Trotz sehr guter Wasserversorgung (Mai 120 mm) wurzelte die Braugerste tief.

2023 Defizite bei der Braugerstenverfügbarkeit

Zu guter Letzt wurde traditionell beim Imbiss die aktuelle Marktlage entlang der Wertschöpfungskette beleuchtet. Saskia Scholz, Braugerstenhändlerin von Raiffeisen Agritrading resümierte über die schwierige Ernte 23, die zu großen Defiziten in der Braugerstenverfügbarkeit führte. Nur durch französische Importe konnte letztlich der Bedarf gedeckt werden. Wer es schaffte Gerste in Brauqualität zu produzieren, konnte sich über rund 140 Euro/t Aufgeld freuen. Für 2024 seien die Anbauflächen in Skandinavien, Frankreich und auch deutschlandweit gestiegen und die Preise für Braugerste zuletzt gefallen. Jedoch lockten nach wie vor um die 120 Euro/t Differenz zur Futtergerste. In Frankreich seien die Ernteerwartungen etwas reduziert worden.

Rainer Mertens, Landhandel Diehl, benennt die Sorten Leandra, Lexy und Amidala als Hauptsorten in der Region und weist darauf hin, dass mehr Sorten zu Problemen in der Lagerung führten, da alles getrennt erfasst werden müsse. Deshalb hält er es für wichtig, sich auf zwei bis drei gute Sorten zu beschränken.

Probleme bereitete auch die Beschaffung von Saatgut, denn die Keimfähigkeit lag zum Teil unter 80 Prozent. Saatgut in verringerter Qualität und ein nasser Winter führten dann regional zu größeren Problemen (bis Totalausfall) bei der Sommerbraugerste in Herbstaussaat.

Christian Leisler, Malzfabrik Rheinpfalz, berichtete von der extrem anspruchsvollen Situation auch in der Mälzerei nach dieser schwierigen Ernte. Man habe sich bemüht, alle Partien, die tendenziell zu einer schlechteren Keimfähigkeit neigten, so schnell wie möglich zu verarbeiten. So kam es erst im Januar zum Stoßen einiger Partien. „Es gab generell wenig einheitliche Partien und es erforderte somit viel Handling während des Malzprozesses und auch bei der Logistik der Anlieferung und Lagerung“, so Leisler.

Dr. Ulrich Peters, Geschäftsführer der Licher Privatbrauerei, berichtete, der Druck auf die Brauereien sei insgesamt nach wie vor sehr groß. Allein in Hessen wurden im vergangenen Jahr zwei Traditionsbrauereien geschlossen. Auch an Angebotspreisen im Lebensmitteleinzelhandel sei der Druck deutlich zu erkennen. Der Bierkonsum gehe seit Jahren zurück und auch alternative Getränke wie alkoholfreie Biere könnten diesen Verlust nicht wettmachen. Bezüglich des Rohstoffes betonte Peters, dass auch in der Brauerei die sehr unterschiedliche und qualitativ herausfordernde Ernte 23 deutlich zu bemerken sei. Es komme deutlich häufiger zu Wechseln in der Malzqualität, was fortwährende Anpassungen im Brauprozess nach sich ziehe. Der Aufwand sei deutlich höher als üblich und die Planbarkeit sehr viel geringer. Im Ausland, wo das Reinheitsgebot nicht gelte, würden diese Probleme aufgrund des Einsatzes von Enzymen kaum eine Rolle spielen.

Licher sei in der Rohstoffbeschaffung bisher sehr reserviert gewesen und werde in der Zukunft andere Wege gehen, um das Risiko zu streuen und die Versorgung aus Deutschland sicherzustellen.

Der Vorsitzende Johannes Orth beendete die Rundfahrt mit einer Aussicht auf die Zukunft der Lieferverträge: „Um das Anbaurisiko für die Landwirte zu verringern, ist der deutsche Mälzerbund auf die Erzeuger zugegangen und bespricht potenzielle Vertragsmodelle mit differenzierten Stoßgrenzen.“ Aber diese seien noch lange nicht praxisreif. Festzuhalten sei jedoch, dass alle Beteiligten den hiesigen Braugerstenanbau halten und fördern wollen.

Esther Wernien – LW 26/2024
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