Mehr als 1 000 Landwirte und Winzer haben am vergangenen Samstag in Neustadt gegen das Agrarpaket der Bundesregierung demonstriert. Im Konvoi fuhren sie mit mehr als 800 Schleppern hinauf zum Hambacher Schloss und empfingen dort zahlreiche Politiker, um ihre Sorgen und Forderungen zu platzieren. Vorab sprachen sie mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die zum Landesparteitag der CDU nach Neustadt gekommen war.
Welch ein Empfang für Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, Christian Baldauf und die anderen Delegierten des CDU-Parteitages vor dem Saalbau in Neustadt: Ein grüner Teppich war ausgelegt, acht Schlepper bildeten das Spalier. Darüber gespannt drückte ein Banner aus, was die Landwirte und Winzer der Pfalz zu schaffen macht: „Höchste Standards und niedrigste Preise = unmöglich!“ Sowohl Christian Baldauf, frisch gekürter Spitzenkandidat der Landes-CDU, als auch Julia Klöckner suchten das Gespräch mit den Initiatoren der Demonstration Christian Deyerling, Alexander Friedrich und Andreas Jung, die sich der Bewegung „Land schafft Verbindung – wir bitten zu Tisch“ angeschlossen haben.
Alexander Friedrich, Landwirt aus Hochdorf-Assenheim, erklärte: „Das Agrarpaket ist der Anstoß, warum wir jetzt gemeinsam in unserer Gesellschaft aktiv werden müssen. Wenn wir unseren Kindern und Enkeln Versorgungssicherheit und gesunde Nahrungsmittel bieten wollen, dann müssen wir uns mit allen maßgeblichen Gruppen in unserer Gesellschaft über den Stellenwert von Landwirtschaft verständigen. Der Beschluss muss definitiv gestoppt werden, da zu viele Faktoren einfach nicht umsetzbar sind.“
Hofnachfolger wollen Wertschätzung erfahren
Christian Deyerling machte gegenüber der Bundesministerin deutlich, dass die Einschränkungen der Düngeverordnung für die Gemüseerzeuger in der Vorderpfalz, die zu den roten Gebieten gehört, existenzgefährdend ist. „Wenn wir das Gemüse 20 Prozent unter Bedarf düngen, entspricht es nicht mehr den Vermarktungsnormen und der Handel wird es nicht abnehmen.“ Es könne nicht sein, dass ein ganzes Gebiet unter den Auflagen leiden müsse, obwohl nur einzelne Brunnen hohe Nitratmesswerte aufweisen. Deyerling verwies darauf, dass immer mehr junge Betriebsnachfolger nicht mehr bereit sind, in den Betrieb einzusteigen – wegen mangelnder Wertschätzung gegenüber dem Berufsstand, aber vor allem, weil ihnen durch politische Entscheidungen und durch das Gebaren des Handels die wirtschaftliche Grundlage genommen wird.
Die Ministerin zeigte Verständnis für die Sorgen der Bauern und Winzer und sicherte ihnen zu, dass sie bei der Ausgestaltung des Agrarpakets mit am Tisch sitzen werden. Klöckner kündigte eine Wertschöpfungskampagne für heimische Nahrungsmittel an. „Wir wollen eine Roadshow durch Deutschland machen, bei der wir alle an einen Tisch holen: die Bauern, die Umweltverbände und auch die Medien.“ Denn die Medien würden häufig mit Begriffen wie Ackergift und Agrarfabriken falsche Begrifflichkeiten verwenden, deshalb gehörten sie auch mit an den Tisch. Dennoch sei es so, dass die Bevölkerung den Wunsch nach mehr Umwelt-, Klima und Insektenschutz äußere. „Wir stoßen mit dem Agrarpaket eine Debatte an“, sagte Klöckner. „Wir haben Zielkonflikte, die angesprochen werden müssen.“
DüngeVO muss umgesetzt werden
In puncto Düngeverordnung kritisierte sie das weite Messstellennetz für die Nitratwerte in Rheinland-Pfalz, für das aber das Land zuständig sei. Das habe dazu geführt, dass die roten Gebiete so undifferenziert ausgewiesen worden sind.
Klöckner machte aber auch deutlich, dass die Bundesregierung eine weitere Verschärfung der Düngeverordnung umsetzen musste, weil sonst neben Strafzahlungen eine Umsetzung aus Brüssel gedroht hätte. „Wir hätten uns auch gewünscht, dass die alte Düngeverordnung Wirkung zeigt“, so Klöckner. Aber leider sei Deutschland das Land, das die Verordnung als Letztes umsetzte. Es gebe aber die Möglichkeit, dass die Bundesländer ihr Messstellennetz überarbeiten und darüber die roten Gebiete eingegrenzt werden könnten.
Landwirte sind bereit für Erhalt der Biodiversität
BWV-Präsident Eberhard Hartelt verdeutlichte noch einmal, dass die Bauern und Winzer bereit sind, ihren Beitrag zum Erhalt der Biodiversität zu leisten. Denkbar sei auch ein festes Flächenziel, aber so etwas könne nur mit den Bauern zusammen umgesetzt werden und nicht gegen sie. „Für so etwas muss die Politik aber die Weichen stellen“, sagte Hartelt. Als Beispiel nannte er das System in Holland. Dort gibt es feste Verträge mit den Landwirten, die lokal angepasste Maßnahmen umsetzen und dafür auch bezahlt werden.
Die Debatte um das Agrarpaket, die Düngeverordnung und vor allem das Insektenschutzpaket hat die Ackerbauern, Winzer, Obstbauern und Gemüseerzeuger gleichermaßen mobilisiert. Mehr als 800 Landwirte aus der ganzen Pfalz, Rheinhessen und Südhessen mit ihren Schleppern, Traubenvollerntern und LKWs für den Rübentransport trafen sich am Samstagvormittag am DLR Rheinpfalz, um von dort aus im Konvoi durch die Neustadter Innenstadt hoch zum Hambacher Schloss zu fahren. In Anlehnung an die friedlichen Bauernproteste von 1832, die den Grundstein für die Demokratie in Deutschland gelegt haben, empfingen die Landwirte im Schloss die eingeladenen Politiker unterschiedlicher Parteien – angefangen bei Staatssekretär Andy Becht und dem agrarpolitischen Sprecher der FDP, Gero Hocker, über Christian Baldauf und die Europaabgeordnete Christine Schneider (beide CDU) bis hin zu Norbert Schindler, seinem Nachfolger im Bundestag Johannes Steiniger und dem Landtagsabgeordneten Johannes Zehfuß. Die Landwirte konnten ihre Fragen, Sorgen und Nöte an die Politiker adressieren und mit ihnen diskutieren. Das Gespräch mit Julia Klöckner vor dem Saalbau wurde gefilmt und im Schloss auf einer Leinwand gezeigt, so dass alle daran teilhaben konnten.
„Es war bewegend, solch eine Gruppe anzuführen“, sagte Mitorganisator Christian Deyerling am Sonntag. Sie seien stolz darauf, solch eine Aktion mit den Pfälzer Bauern hingekommen zu haben. Ihre Erwartungen hinsichtlich der Beteiligung sind deutlich übertroffen worden. Er habe viel Sympathie am Straßenrand gespürt, die Menschen hätten geklatscht und die Daumen nach oben gereckt. „Die Politik hat mit uns gesprochen, nicht über uns“, fasste er die Diskussion sowohl mit Julia Klöckner als auch den anderen Politikern zusammen. Andy Becht habe zugesichert, das Messtellennetz für die Nitratwerte zu überarbeiten. Christian Baldauf sei sehr präsent gewesen. Schon morgens hatte er versichert, die Debatte über die Agrarpolitik und die Betroffenheit der Bauern und Winzer in Rheinland-Pfalz auf Landesebene anzusprechen. Christian Deyerling, Alexander Friedrich und Andreas Jung hoffen, dass sich nun in der Politik etwas zugunsten der Landwirte bewegt.
Die Söhne von Jung und Friedrich überreichten Julia Klöckner ein Sorgenpaket, eine leere Kiste, und eine mit Obst und Gemüse aus heimischem Anbau gefüllte Kiste als Erinnerung daran, was auf dem Spiel steht – nichts Geringeres als die heimische Produktion von Obst und Gemüse.
ibs – LW 47/2019