Seit Oktober 2012 bietet der Dorfladen in Simmershausen, einem Ortsteil von Fuldatal, die Möglichkeit des kurzen Einkaufs. Der Schritt, einen neuen Dorfladen für den Ort zu eröffnen, fiel der Inhabergemeinschaft um Gisela Rueppell nicht schwer. Im Zuge der Dorferneuerung „Unser Dorf“ hatten sich die Bürger für dieses Projekt ausgesprochen. „Man wünschte sich hier wieder einen Laden, der fußläufig erreichbar ist“, erinnert sich Gisela Rueppell. Eine von der Gemeinde Fuldatal durchgeführte Machbarkeitsstudie bestärkte sie in ihrer Idee. Zuschüsse für das Gesamtprojekt erhielt sie im Rahmen der Dorferneuerung nur für die Sanierung des Gebäudes vom Land Hessen. Gemeinsam mit zwei weiteren Teilhaberinnen gründete sie eine Unternehmergesellschaft, um den Dorfladen zu eröffnen.
Bei der Einrichtung des Ladens konnten die Existenzgründer nicht auf finanzielle Unterstützung hoffen. „Keine Bank gibt uns auch nur einen Cent für unseren Laden, weil er nicht als erfolgsversprechend gilt“, erklärt die Kauffrau. Die Einrichtung des 160 qm großen Dorfladens schlug mit circa 40 000 Euro zu Buche. Zum angeschafften Inventar gehören eine Eistruhe, zwei Kühlwandregale, eine Kühltruhe, ein Kassensystem, eine Kaffeemaschine, Einkaufswagen, Regale, Bestuhlung und Geschirr. Für Nachahmer empfiehlt Giesela Rueppell, Teile des Inventars gebraucht zu kaufen. Hierfür kann man sich an die Großhändler wenden oder auf einschlägigen Internetseiten suchen.
Mini-GmbHEine Mini GmbH ist eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft, kurz UG. Sie wird in der Bundesrepublik Deutschland umgangssprachlich auch als 1-Euro-GmbH bezeichnet, weil das einzubringende Stammkapital insgesamt mindestens einen Euro betragen muss. Die UG gilt seit 1. November 2008 als existenzgründerfreundliche Variante der herkömmlichen GmbH. Am 1. Januar 2012 existierten 64 371 Gesellschaften dieser im Handelsregister eingetragenen Geschäftsform.
von CansteinKooperationen mit verschiedenen Erzeugern
Insgesamt verkauft sie im Dorfladen 2 000 Produkte. Alle sind von der Betreiberin sorgfältig ausgewählt. Dabei kamen ihr die Kontakte zu regionalen Anbietern durch die Machbarkeitsstudie zugute. Es entstanden Kooperationen mit verschiedenen Erzeugern unterschiedlicher Produkte. Die Renner sind Backwaren von der Bäckerei Wiedemann sowie Obst und Gemüse von der Gärtnerei Ullrich beide aus dem benachbarten Ortsteil Ihringshausen. Fleisch und Wurstspezialitäten wie die Kasseler Ahle Wurscht und frischen Imkerhonig bezieht sie aus Immenhausen. Die Eier kommen von Landwirt Koch aus Baunatal. Wurst und Käsespezialitäten werden vom Teichhof in Grandenborn geliefert. Wildspezialitäten sowie Marmeladen und Liköre stammen aus Uslar im Solling. Bratfertiges, vakuumverpacktes Wildfleisch und Wildschweinbratwurst werden von dort auf Vorbestellung geliefert. Für das griechische Olivenöl sorgt eine Nachbarin, die einen eigenen Olivenhain besitzt und regelmäßig für Nachschub sorgt.
Keine Mindestabnahmen vereinbart
Alle anderen Produkte bezieht Gisela Rueppell vom Großhändler, mit dem sie keinen Vertrag über Mindestabnahmen gemacht hat, um immer frei über ihre Produktpalette entscheiden zu können. „Ohne Großhändler geht es nicht, weil der Bedarf an Grundnahrungsmitteln damit abgedeckt wird“, erklärt sie.
Verkäuferin Monica Klusmann ist seit der Eröffnung dabei. Sie ist auch gleichzeitig eine gute Kundin im Dorfladen und legt großen Wert darauf, ihre Waren aus der Region zu beziehen. Sie wohnt im Ort und es ist ihr wichtig, dass auch ihre Kinder alleine einkaufen gehen können. „Ich habe mich auf die Angebote des Dorfladens eingestellt. Die regionalen Produkte kaufe ich meist zum gleichen Preis wie anderswo, und ich spare Zeit und Wege“, sagt sie. Den Schwatz mit den Simmershäuser Bürgern gibt es gratis beim Einkauf. In der Klön- und Schmökerecke des Ladens können die Kunden sich bei Kaffee und selbst Gebackenem zusammensetzen.
Beliebter Treffpunkt
Besonders für Senioren ist der Laden zum Treffpunkt geworden. Edith Eberhardt kommt gerne zum Einkaufen und Klönen. Sie ernährt sich durch den Dorfladen saisonal. „Ich brauche im Winter keine Tomaten oder Erdbeeren. Hier gibt es jahreszeitlich bedingt frisches Gemüse und Obst. Dadurch ist meine Ernährung bewusster und gesünder geworden“, erklärt sie. Inzwischen kommen auch Kunden aus dem Umkreis. Die Hirschsalami mit Walnüssen lockt sogar Kunden wie Heidi und Hans Lipp aus dem entfernten Nidderau. Viele Kunden nutzen inzwischen den Service und bestellen vor.
Projekt im Sinne der DorferneuerungProjekte im Sinne der Dorferneuerung sind staatlich geförderte Programme, die bauliche, verkehrstechnische und kulturelle Verhältnisse in Dörfern verbessern sollen. Sie werden von den Gemeinden aufgestellt und beziehen ortsansässige Bürger, öffentliche Träger und Grundstückseigentümer mit ein. Als Grundlage für eine Förderung nach den Dorferneuerungsrichtlinien der jeweiligen Bundesländer dient ein so erstellter Dorferneuerungsplan. In Form eines örtlichen Entwicklungskonzeptes werden darin in schriftlicher Form und anhand einer Umgebungskarte die Entwicklungsziele für den gesamten Planungsraum dargestellt. Außerdem werden alle zur Verwirklichung erforderlichen Maßnahmen sowie deren finanziellen und zeitlichen Rahmen beschrieben.
von CansteinHoffen und Bangen für den Fortbestand
Gisela Rueppell schwankt jedoch zwischen Hoffen und Bangen, denn obwohl es Kunden gibt, die gezielt wegen ihrer speziellen Produkte im Dorfladen einkaufen, stellt sich der gewünschte Umsatz nicht ein. „Der Laden kommt im Ort nicht so an, wie wir erhofft haben. Anfangs gab es mehr positives Feedback. Aber die Umsätze des ersten Vierteljahres verringerten sich stetig. Erschwerend kommt hinzu, dass es im direkten Umkreis große Ladenketten gibt. Dorfläden, die in ländlicheren Regionen liegen, haben es da leichter. Es ist wahrscheinlich doch einfacher, alles im Supermarkt zu kaufen, als hier noch einmal anzuhalten“, resümiert die Betreiberin. Wünschenswert wäre ein Umsatz von 1 200 Euro am Tag, zurzeit sind es jedoch nur zwei Drittel, die an Einnahmen reinkommen. Die Miete schlägt monatlich mit 1 000 Euro monatlich zu Buche, und die Kosten für die Waren muss sie vorstrecken. „Von der Hausfrau, die nur etwas vergessen hat, und den Einkäufen der Senioren kann ich nicht existieren“, sagt Gisela Rueppell nüchtern. Auch die tägliche Arbeit hat sie unterschätzt. „Ich habe eine 80-Stunden-Woche. Viele Stunden gehen für Bestellungen, Abrechnungen, Ware sortieren und viele andere Kleinigkeiten dahin.“
Auf Wunsch liefert sie die Einkäufe ins Haus. Deshalb beschäftigt sie stundenweise insgesamt sechs Geringverdienerinnen. Einen Zweifel an ihrem Projekt hat sie dennoch nicht: „Ich würde es wieder riskieren und werde auch dabei bleiben.“
Umbau und neue Ideen
Nach dem ersten Geschäftsjahr zieht sie Bilanz: „Eine kleinere Ladenfläche wäre aus Kostengründen besser gewesen. Weitere regionale Spezialitäten sollten ins Sortiment aufgenommen werden. Ich wollte einfach einen zu großen Bedarf abdecken und glaube, dass eine Spezialisierung zu mehr Erfolg führen wird.“ Deshalb plant Gisela Rueppell mit ihren Mitstreiterinnen eine umfangreiche Neustrukturierung mit Umbau und zahlreichen neuen Ideen.
Sylvia von Canstein – LW 49/2013