Zum 6. Milchviehtag in die Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung Hofgut Neumühle (LVAV) hatten vergangene Woche das DLR Westpfalz und der Bezirksverband Pfalz nach Münchweiler eingeladen. Referenten aus Rheinland-Pfalz und Hessen beleuchteten das Thema Eutergesundheit und zeigten in einem Praxisteil die Handhabung des Schalmtests sowie das richtige Ziehen von Viertelgemelksproben. Etwa 30 Teilnehmer, darunter viele junge Milchviehhalter, nahmen an dem Seminar teil. Das LW war dabei.
„Der Einsatz antibiotischer Stoffe wird in der öffentlichen Meinung aufgrund der Angst vor der Bildung resistenter Keime zunehmend kritisch gesehen“, sagte der Leiter des Hofguts Neumühle, Dr. Karl Landfried. Resistenzen entstünden jedoch zum Großteil im Humanbereich und nur zu einem kleinen Anteil in der Landwirtschaft. Dr. Wilfried Wolter, Eutergesundheitsdienst des Regierungspräsidiums Gießen, nannte dazu eine Zahl: „Nur 5 bis 10 Prozent der multiresistenten Keime kommen aus der Tierhaltung“. Allerdings steige die Zahl der Nachweise von MRSA-, MR-CNS- und ESBL-Keimen in der Rohmilch an, so Wolter.
„Als Milchviehhalter müssen wir uns bei jeder Antibiotika-Anwendung fragen, ob diese sinnvoll und notwendig ist“, sagte Landfried. In vielen Betrieben sei das Trockenstellen mit einem Langzeitantibiotikum aber immer noch Standard. „Dies ist eigentlich nicht korrekt, denn ein prophylaktischer Einsatz von Antibiotika ist nach dem Arzneimittelgesetz nicht erlaubt.“ Es müsse nach einer Diagnostik begründet werden, ob und warum ein Antibiotikum eingesetzt werde. Zudem müsse langfristig damit gerechnet werden, dass das staatliche Antibiotikamonitoring, das für Mastbetriebe bereits Pflicht ist, auch auf Milchviehbetriebe ausgeweitet wird.
In Deutschland 90 Prozent der Kühe antibiotisch trockengestellt
„Die nordischen Länder machen es uns vor. Der Einsatz von Antibiotika wird dort restriktiver gehandhabt als bei uns“, sagte Wolter. Im Schnitt würden dort zwei Eutertuben je Kuh und Jahr für Laktationsbehandlungen eingesetzt, in Deutschland seien es zum Vergleich sechs. Das Trockenstellen erfolge in den nordischen Ländern zu 80 Prozent ohne antibiotischen Trockensteller. „In Deutschland ist es umgekehrt, hier werden etwa 90 Prozent mit einem Antibiotikum trockengestellt“, sagte Wolter. Die Ziele des Trockenstellens seien die Regeneration des Euter- und Zitzengewebes, die Ausheilung bestehender Infektionen, die Verhinderung von Neuinfektionen über die gesamte Zeit, und dass die Zellzahlen der Milchleistungsprüfung fünf Tage nach der Kalbung unter 100 000 Zellen liegen.
„Was die Zellzahlen angeht, schneiden die Betriebe in Hessen und Rheinland-Pfalz gut ab, sie lagen 2013 im Ländervergleich auf den Plätzen 2 und 3“, sagte Wolter. In Hessen hatten die Betriebe im Schnitt etwa 180 000 Zellen/ml Milch und in Rheinland-Pfalz 195 000. Auf Platz 1 lag Bayern mit im Schnitt 170 000 Zellen.
Antibiotikum plus interner Zitzenversiegler?
Der Erfolg der aktuellen Trockenstellpraxis in Deutschland überzeuge trotz Antibiotikaeinsatz nicht, sagte Wolter: Die Mastitis-Neuinfektionsrate in der Trockenstehphase liege bei 28 Prozent und die Heilungsrate bei 50 Prozent. Hier seien noch Verbesserungen möglich. „Ziel ist es, die Tiere über die gesamte Laktation vor einer Neuinfektion mit Mastitiskeimen zu schützen“, sagte er.
2003 kamen die internen Zitzenversiegler auf den Markt. Vorteil sei hier, dass deren Wirkung vom Trockenstellen bis zur Geburt reiche, im Gegensatz zu antibiotischen Trockenstellern. Bei diesen bestehe ab dem 35. Tag nach dem Trockenstellen eine Wirkungslücke bis zum Kalben. „Um die Vorteile beider Systeme zu kombinieren, empfehlen Hersteller und viele Tierärzte, grundsätzlich beides anzuwenden“, sagte Wolter. Das sei jedoch nicht in jedem Fall notwendig. Oft reiche auch ein interner Zitzenversiegler. „Ein Zitzenversiegler ist dagegen fast immer sinnvoll und außerdem hochwirtschaftlich, vor allem in HF-Herden“, sagte Wolter. Er werde jedoch oft nicht korrekt angewendet, was seine Schutzwirkung einschränke.
Wie einen internen Zitzenversiegler anwenden?
Richtig ist laut Dr. Wolter folgende Vorgehensweise:
Wann selektiv trockenstellen?
„Für das selektive Trockenstellen sind grundsätzlich nur Herden mit gutem Eutergesundheitsmanagement geeignet“, sagte Wolter. Es müssten regelmäßig eine Bestandsdiagnostik durchgeführt werden und die Leitkeime bekannt sein. Die Herde müsse zudem frei von kontagiösen euterassoziierten Mastitiskeimen wie S. agalaticae und S. aureus sein.
Um eine Entscheidung für oder gegen das Trockenstellen mit Antibiotikum zu treffen, müssten die Zellzahlen aus dem MLP-Bericht bewertet und ein Schalmtest durchgeführt werden (ausführlicher Artikel dazu www.lw-heute.de/kuehe-antibiotika-trockenstellen). „Kühe mit deutlichen Viertelunterschieden von mehr als einer Stufe oder sobald ein Viertel mit +++ reagiert, müssen antibiotisch trockengestellt werden“, so Wolter. Die Entscheidung müsse auf Kuhebene gefällt werden, nicht auf Viertelebene. „Ein krankes Viertel infiziert mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die anderen.“
Bakterielle Diagnostik als Standarduntersuchung?
Von einer bakteriellen Diagnostik als Standardmaßnahme rät er ab: „Hier sind oft Kontaminationen vorhanden, weil die Proben nicht korrekt gezogen werden. Die Folge ist ein falsch positives Ergebnis und eine daraufhin durchgeführte unnötige Antibiose“, so Wolter. Viel aussagekräftiger und preisgünstiger sei der Schalmtest als Entscheidungsinstrument.
Wenn antibiotische Trockensteller angewendet werden müssen, dann auf Penicillin/Aminoglycosidbasis. „Leider gibt es auf dem Markt keine reinen Penicillin-Trockensteller, diese wären bei der Erregerlage in den Betrieben viel besser geeignet“, sagte Wolter. „Halbsynthetische Penicilline (Cloxacillin, Oxacyllin) üben einen extrem hohen Selektionsdruck auf die Staphylokokken aus und könnten zu Resistenzen führen.“
Geändert habe sich das Erregerspektrum in den Milchviehbetrieben. „Neuinfektionen in der Trockenstehphase gehen hauptsächlich auf S. uberis sowie coliforme Keime zurück. Besonders wichtig ist die gezielte Auswahl des richtigen Wirkstoffs“, so Wolter. Auch Molkereien würden hierauf zunehmend Wert legen, beispielsweise Arla verlangt eine Einzeltierdiagnostik bei Einsatz von Antibiotika bei Kühen. Trockenzustellende Kühe dürfen nur dann mit Antibiotika behandelt werden, wenn ein Bedarf festgestellt wurde.
Praxisversuch auf dem Hofgut Neumühle
„Gesunde Kühe müssen ohne Antibiotika trockengestellt werden“, fordert Dr. Wolfram Klawonn vom Landesuntersuchungsamt Rheinland-Pfalz. Er berichtete gemeinsam mit Dr. Christian Koch vom Hofgut Neumühle über die ersten Ergebnisse zum selektiven Trockenstellen in der Herde der LVAV Neumühle. 140 Kühe wurden in den Versuch einbezogen. „Maßgeblich für ein Trockenstellen ohne Antibiotika war, dass die Zellzahlen der letzten beiden Milchkontrollen unter 200 000 Zellen lagen, der Schalmtest in Ordnung war und es in der Laktation keine Mastitisprobleme gab“, so Klawonn. Nach diesen Entscheidungskriterien wurden 81 Kühe nur mit Versiegler trockengestellt und 68 mit Versiegler plus Antibiotikum. Bei 72 Tieren wurde ausschließlich der interne Zitzenversiegler Orbeseal angewendet und bei 76 Tieren der Zitzenversiegler Noroseal.
Trockenstellen ohne Antibiotika möglich
Klawonns Fazit der Untersuchung: „Ein Trockenstellen ohne Antibiotika ist möglich.“ Der Anteil von Tieren unter 100 000 Zellen habe sich in der Versuchsherde wenig verändert, auch die Eutergesundheit insgesamt sei gleich gut geblieben. „Und die Milchleistung war in den 1,5 Jahren ebenfalls konstant“, sagte er. Die eingesetzten Zitzenversiegler Orbeseal und Noroseal seien nach den Versuchsergebnissen gleichwertig in ihrer Wirkung. Der geeignetste Trockensteller wäre bei den vorhandenen CNS-Streptokokken Penicillin gewesen. „Da es dieses auf dem deutschen Markt leider nur in Kombination mit halbsynthetischen Wirkstoffen gibt, wurden die beiden Präparate Nafpenzal und Benestermycin eingesetzt. Beide erwiesen sich als wirksam.“
In bestimmten Fällen geht es nicht ohne Antibiotika
„Hauptziel ist es, weniger Antibiotika einzusetzen“, sagte Klawonn. Er warnt jedoch davor, die Reduktion von Antibiotika zum Trockenstellen zu ehrgeizig zu betreiben oder gar zum Politikum zu machen. „In bestimmten Fällen geht es nicht ohne Antibiotika.“
Im Praxisteil zeigten Wolter, Klawonn und Koch die Funktionsweise und Beurteilung eines Schalmtest-Ergebnisses sowie das richtige Ziehen von Viertelgemelksproben. Auch die Anwendung eines Trockenstellers sowie internen Zitzenversieglers wurde am Tier erklärt.
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