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Große Mengen, kurze Strecken

Wie kommt das Korn vom Halm ins Lager?

Der vielzitierte Satz „Die Landwirtschaft ist ein Transportgewerbe wider Willen“ können alle Landwirte bestätigen. Nach dem Güterverkehr auf der Straße befördert die Landwirtschaft etwa 520 Mio. Tonnen und damit doppelt so viel wie die Binnenschifffahrt und deutlich mehr als die Bahn. Während für die Landwirtschaft der Transport ein notwendiges Übel ist, können Güterverkehr, Bahn und Schifffahrt ein Geschäft daraus machen.

Bei größeren Flächen und dem Einsatz von leistungsfähigen Mähdreschern geht man immer mehr dazu über, den Feld- und den Straßentransport zu trennen. Foto: Feiffer
Große Korntanks und hohe Schnecken-leistungen verringern die Abbunkerzeit. Foto: Feiffer

Wider Willen deshalb, weil es erhebliche saisonale Schwankungen mit großen Arbeitsspitzen gibt, weil die Planbarkeit, selbst innerhalb eines Erntetages, unsicher ist und weil es sich nur um geringe Transportleistungen und -entfernungen handelt.

Das heißt, in der Landwirtschaft werden laufend große Mengen der verschiedensten Güter über kurze Strecken transportiert. Das macht den Transport ineffizient und erschwert die Logistik.

Engpass in der Ernte – Fokus auf die Logistik

In der Getreideernte müssen zudem immer weitere Wege zum Handel zurückgelegt werden, und dennoch ist in keinem anderen Verfahrensabschnitt die Transportlogistik so entscheidend wie beim Drusch. Bunkert man am Feldrand ab, bleiben etwa 20 Prozent der teuer eingekauften Mähdrescherleistung beziehungsweise 20 Prozent der wertvollen Sonnenstunden ungenutzt. Werden Container oder Hänger abgestellt oder muss man auf Abfuhrfahrzeuge warten, erhöht sich die Quote schnell auf 40 Prozent.

Technik und Technologie entwickeln sich stets miteinander. In der Getreideernte kann man beobachten, dass die Abfuhrlogistik mit der Steigerung der Mähdrescherleistung nicht Schritt halten konnte. Die Hänger sind zu klein, die Rundenzeiten zu lang, die Wege zu weit, die Wartezeiten beim Handel zu lang und die eigene Annahmekapazität zu schwach.

Die Mähdrescherhersteller sind sich einig, dass die angebotene Leistungspalette der Mähdrescher momentan nicht weiter mit aller Kraft ausgebaut wird. Zunächst muss die Erntelogistik auf ein Niveau gehoben werden, wo es sich wieder lohnt, den nächst leistungsstärkeren Mähdrescher einzusetzen.

Überladewagen trennen Feld und Straße

Bei größeren Flächen und dem Einsatz von leistungsfähigen Mähdreschern wird man mehr und mehr dazu übergehen, den Feld- und Straßentransport zu trennen. Die Leistungskraft moderner Mähdrescher ist zu teuer, um sie beim Feldrandabbunkern zu vergeuden, andererseits sollen schmalbereifte Schlepperzüge, deren Spuren man noch zwei Jahre später sehen kann, nicht auf das Feld. Der Umladewagen ist das Bindeglied, um sowohl die Vorteile des bodenschonenden, effizienten Feldtransportes als auch des zügigen Straßentransportes zu verbinden.

Im Beispielsbetrieb Gut Derenburg läuft ein Claas Lexion 600 mit 55 t/h Durchsatz, einem 12 000-l-Kornbunker und einer Entleerzeit von 1,8 min. Die Maschine muss 920 ha (Getreide/Raps) in der Kampagne dreschen, ist demnach an der oberen Auslastungsgrenze. Der eingesetzte Umladewagen bringt eine Zeitersparnis je nach Durchsatz von mindestens 20 bis zu 30 Prozent.

Der Mähdrescher soll dreschen, nicht abbunkern

Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 6,5 km/h und einem Ertrag von 90 dt/ha setzt der Mähdrescher in jeder Minute eine Tonne Weizen durch. Nach 8 min. hat er knapp 900 m Bestand gedroschen, sein Kornbunker ist bis auf 10 000 l gefüllt, und er müsste den Feldrand zum Abbunkern ansteuern. Benötigt er für die Kornübergabe am Feldrand nur 2,2 Minuten, hätte er im Parallelverfahren schon fast 250 m im Feld zurückgelegt und in einer 10-Stundenschicht etwa 20 000 m.

Bei einer Schneidwerksbreite von 10,50 m mit RTK-Lenkung ist das

der Gegenwert von 22 ha beziehungsweise 30 Prozent. Bei einem Mäh­drescher mit einem Wert von etwa 380 000 Euro entsprechen 30 Prozent Leistungszuwachs einem Gegenwert von etwa 115 000 Euro. In diesem Fall ist ein Umladewagen hochrentabel, weil die Erntezeit bei diesem Hektarumfang knapp und teuer ist und zum Anderen, weil ein Umladewagen samt Schlepperanteil preisgünstiger als 115 000 Euro ist.

In welchen Fällen ist ein Umladewagen rentabel?

Umladewagen sind jedoch nicht prinzipiell rentabel. Wer genügend Mähdrescherkapazität hat und auf kleinen Schlägen oder stark kupierten Gelände arbeitet, verfährt kostengünstiger mit dem Abbunkern am Feldrand. Bei kurzen Feld-Hof-Entfernungen lohnen Umladewagen nicht, weil dann meist die Transporteinheit das Erntegut direkt vom Mähdrescher übernimmt und ins Lager bringt.

In jedem Betrieb muss man sich ausrechnen, wie viel Mehrleistung die Verfahrensumstellung auf paralleles Abbunkern bringt, wie notwendig diese Mehrleistung beziehungsweise wie wertvoll sie zu bewerten ist. Dem setzt man die Kosten für das parallele Verfahren entgegen und prüft die Aufwendungen und Möglichkeiten. Denn mit der Anschaffung eines Umladewagens ist es allein nicht getan.

Der Umladewagen bindet einen großen Schlepper

Desweiteren erfordert ein Umladewagen einen leistungsstarken Schlepper, der mitunter bei der Bodenbearbeitung fehlt, wenn diese auf dem Betrieb zeitgleich erledigt werden kann. Auf Gut Derenburg ist ein 300 PS Schlepper vor den Umladewagen mit 25 t gespannt. Die Leistung des Schleppers kann nicht groß genug sein, da ein beladener Überladewagen bei kupiertem Gelände viel Kraft benötigt.

Die Abfuhr vom Feldrand können auch kleinere Schlepper erledigen, da sie keine schweren Lasten über den Acker ziehen müssen (gegenüber dem Befüllen während der Fahrt). Läuft neben dem Mähdrusch nur eine flache Bodenbearbeitung wird in Derenburg ein weniger starker Schlepper eingesetzt beziehungsweise nach dem Mähdrusch in der Nachtschicht bis zum nächsten Druschbeginn der starke Schlepper vor den Grubber gespannt. Das erhöht die Auslastung und beschleunigt Folgearbeiten.

Behelfsweise kombinieren

Ostdeutsche Großbetriebe mit drei oder vier Hochleistungsmähdreschern schaffen mitunter die Umladewagen wieder ab, eben weil sie zusätzliche Schlepper binden, die bei den Nachfolgearbeiten fehlen oder aber zusätzlich angeschafft werden müssen. In einigen Betrieben werden dem Umladewagen drei Mähdrescher zugeordnet – mit einiger Kompromissbereitschaft.

Verhilft der Umladewageneinsatz jedem Mähdrescher nur zu 10 Prozent Mehrleistung, kann sein Ziel auch erreicht sein. Es darf jedoch nicht zu einem heillosen Durcheinander kommen, wenn von vornherein klar ist, dass der Umladewagen überfordert ist. Das erfordert ein strenges Regime. Zum Beispiel wird festgelegt, dass zwei (immer die gleichen) Mähdrescher bedient werden und der dritte stets am Feldrand abbunkert.

Manche versuchen sich an einer Kombination, bei der neben dem Umladewagen auch die leeren Schlepperzüge die Mähdrescher einmalig anfahren. Das setzt einen hellwachen Umladewagenfahrer voraus, der über Funk die Schlepper jeweils an die bedürftigen Mähdrescher dirigiert und ist in der Praxis kaum zu bewältigen.

Als Notlösung gilt auch eine Rundumleuchte am Umladewagen, die signalisiert, dass er im Moment nichts mehr aufnehmen kann. So hat der Mähdrescherfahrer die Möglichkeit, rechtzeitig am Feldrand abzubunkern ohne später im Feld stecken zu bleiben.

Reserven einbauen

Nicht zu vergessen ist die zusätzliche Pufferkapazität, die benötigt wird, weil im Parallelverfahren ja weitergedroschen wird und währenddessen nochmals etwa 1 t/MD hinzukommt. Der Schlepper benötigt entsprechend Leistung, um schnell und wendig zu sein. Die Wege zur Feldrandentleerung müssen kurz sein. Bei zwei Mähdreschern und kurzen Schlaglängen fährt der Umladewagen nur nach Bedarf an die Mähdrescher. Sind die Schläge länger oder ist ein dritter Mähdrescher auf dem Feld, wird das Korn, unabhängig vom Befüllgrad des Mähdreschers, übernommen.

Bei langen Schlägen ist es günstiger, wenn er sich mittig postiert und beidseitig die fahrenden Mähdrescher bedient. Bei kurzen Stücken wiederum versucht er sie in Feldrandnähe abzufangen, um den Zeitvorteil der geringen Entfernung zur Straßentransportkette zu nutzen.

Mähdrescher und Umladewagen benötigen hohe Entleerleistungen der Schnecken, die die Übergabezeiten verringern. Mehrere Mähdrescher müssen sich in der Beetarbeitsweise immer in der Nähe zueinander befinden, sonst hat der Umladewagen von vorherein verloren.

Es gibt keine Faustzahl wie viele Mähdrescher einem Umladewagen zugeordnet werden sollen. Im Gut Derenburg ist die rentable Größe 1 : 1, in anderen Betrieben kann es auch 1 : 3 sein.

Wer gibt den Ton an?

Für das Befüllen des Umladewagens ist immer der Mähdrescherfahrer zuständig. Er kann wesentlich besser einsehen und regelt den Befüllvorgang mit der Geschwindigkeit. Der Umladewagenfahrer fährt dagegen mit konstanter Geschwindigkeit. Diese wird, möglichst per Funk, zuvor entsprechend der Bestandesbedingungen vereinbart.

Eine Kamera am Abtankrohr erleichtert den exakten Übergabevorgang. Der Umladewagenfahrer muss fit sein, denn er hat nicht nur die Aufgabe die Mähdrescher nahtlos zu bedienen, sondern auch die Abfahrer zur richtigen Zeit an die richtige Stelle zu dirigieren.

Dr. Andrea Feiffer, feiffer consult, Klaus Münchhoff, Gut Derenburg – LW 21/2019
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