Vom Acker, aber schnell!

Abfuhrlogistik muss schnell und kostengünstig sein

In den letzten Jahren ist der Mähdrescherdurchsatz immer weiter angestiegen. Aber wie immer bei komplexen Verfahrensketten stößt man bald an neue Schranken. Plötzlich ist die Annahmekapazität im eigenen Lager der größeren Druschmenge nicht mehr gewachsen, die Hänger passen nicht mehr zum neuen Mähdrescher und die gewohnte Erntelogistik ist kein guter Wegbereiter mehr zur Umsetzung der hohen Mähdrescherleistungen. Die Abfuhrlogistik spielt dabei eine wesentliche Rolle.

Hochleistungsmähdrescher ernten in jeder Minute eine Tonne Korn. Dabei wird die Abfuhr schnell zum Nadelöhr.

Nicht nur die Mähdrescherleistungen haben sich deutlich erhöht, sondern auch die Strecken, die betriebsintern und -extern zurückgelegt werden müssen. Familienbetriebe wachsen, und der Konzentrationsprozess im Handel schreitet fort. Die durchschnittlichen Entfernungen zur Getreideerfassung betragen heute etwa 20 km.

Höhere Leistungen, weitere Wege

Die Rundenzeiten verlängern sich zusätzlich durch infrastrukturelle Probleme. Arbeiten zum Beispiel in einem Betrieb drei Mähdrescher der oberen Leistungsklasse, deren Erntegut direkt vom Feld zur aufnehmenden Hand in 20 km Entfernung transportiert werden soll, benötigt der Betrieb 27 Schlepperzüge mit 2 HW 80 Hängern beziehungsweise 18 Züge mit 18 Tonnern. Die eingefahrenen Wege stoßen hier an Grenzen und die Logistik muss neu überdacht werden.

Bunkert man am Feldrand ab, entzieht das dem Mähdrescher etwa 20 Prozent an Leistung. Die Quote wird deutlich höher, wenn das Übergabegeschäft ungünstig organisiert ist, etwa Container oder Hänger an vermeintlich geeigneten Stellen im Feld platziert werden. Den Mähdrescher als Transporteinheit zu missbrauchen, sollte der Vergangenheit angehören, denn bei diesen Varianten fehlen schon 40 Prozent Leistung.

Meist sind die Flächen auch nicht so geschnitten, dass man stets mit vollem Bunker an der Transporteinheit vorbeikommt. Deshalb wird oft schon abgebunkert, wenn der Korntank erst zu Dreiviertel voll ist. Die Hersteller haben hier bereits reagiert, mit größeren Kornbunkern und höheren Überladeleistungen der Schnecke, um die Übergabestopps zu verringern und zu verkürzen.

Den Mähdrescher nicht als Transporteinheit missbrauchen

Dennoch muss jeder Betrieb für sich ausrechnen, ob es sich lohnt die Reserve von etwa 15 bis 30 Prozent durch paralleles Abtanken während der Fahrt zu mobilisieren oder ob es für ihn sinnvoller ist, gleich in den nächst größeren Mähdrescher zu investieren beziehungsweise die benötigte Kapazität über Dienstleister preiswerter einzukaufen. Hier gib es kein Patentrezept.

Ein Beispiel: Betrieb A besitzt einen Mähdrescher mit 25 t/h Durchsatz, einen 7000 l Kornbunker und einer Entleerzeit von 1,6 Minuten. Vorausgesetzt er entleert immer den vollen Korntank und nicht schon nach Dreiviertelbefüllung, vorausgesetzt die Transportfahrzeuge „empfangen“ ihn am Feldrand und er benötigt neben der Abbunkerzeit nur 20 Sekunden für das gesamte Rangieren, dann gehen ihm durch die Feldrandbefüllung nur etwa 15 Prozent Leistung verloren.

Nun kann er nochmals 5 Prozent herausholen, wenn der leere Schlepperzug die erste Fuhre während der Fahrt übernimmt. Der Bodendruck ist bei dieser Variante unter trockenen Bodenverhältnissen noch gering. Bei den verbleibenden 10 Prozent Leistungsverlust müssen Aufwand, Kosten, Nutzen und Bodenschonung berechnet werden. Bei zwei Mähdreschern sähe die Rechnung schon wieder etwas anders aus.

Der Umladewagen im Praxisbetrieb

Im Beispielsbetrieb „Gut Derenburg“ läuft ein Claas Lexion 600 mit 55 t/h Durchsatz, einem 12 000-l-Kornbunker und einer Entleerzeit von 1,8 Minuten. Die Maschine muss 920 ha (Getreide/Raps) in der Kampagne dreschen, ist demnach an der oberen Auslastungsgrenze. Der eingesetzte Umladewagen bringt eine Zeitersparnis je nach Durchsatz von mindestens 20 bis 27 Prozent.

Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 6,5 km/h und einem Ertrag von 90 dt/ha setzt der Mähdrescher in jeder Minute eine Tonne Weizen durch. Nach 8 Minuten hat er knapp 900 m Bestand gedroschen, sein Kornbunker ist bis auf 10 000 l gefüllt und er müsste den Feldrand zum Abbunkern ansteuern. Benötigt er für die Kornübergabe am Feldrand – wenn alles bestens ohne Warte- und Rangierzeit organisiert ist – nur 1,8 Minuten, hätte er im Parallelverfahren schon fast 200 m im Feld zurückgelegt.

Über einen Erntetag von 10 h summiert sich das auf über 16 000 m und bei einer Schneidwerksbreite von 10,5 m mit RTK-Lenkung auf 17 ha. Selbst wenn das Abbunkern am Feldrand perfekt klappt, beläuft sich der Leistungsverlust auf 25 Prozent. In diesem Fall ist ein Umladewagen hochrentabel, weil die Erntezeit bei diesem Hektarumfang knapp und teuer ist.

Umladewagen sind jedoch nicht prinzipiell rentabel. Wer ohnehin genügend Mähdrescherkapazität hat, sehr kleine und zergliederte Schläge oder stark kupiertes Gelände, ist mit dem Abbunkern am Feldrand kostengünstiger dran. Bei kurzen Wegen ins eigene Lager, kann man auch mit Muldenkippern unter die Mähdrescher fahren und die Fuhren direkt ins Lager bringen.

In jedem Betrieb muss man sich ausrechnen wie viel Mehrleistung die Verfahrensumstellung auf paralleles Abbunkern bringt, wie notwendig diese Mehrleistung beziehungsweise als wie wertvoll sie zu bewerten ist. Dem setzt man die Kosten für das parallele Verfahren entgegen und prüft die Aufwendungen und Möglichkeiten.

Denn mit der Anschaffung eines Umladewagens ist es allein nicht getan. Im Gut Derenburg ist dem Lexion 600 ein eigener Umladewagen zugeordnet. Wenn alles gut läuft, ist der Mähdrescher nach 8 Minuten gefüllt, und der Umladewagen muss wieder heranfahren. Danach hat er 8 Minuten Zeit, den Weg zur Transportkette am Feldrand zurückzulegen, das Erntegut zu übergeben und wieder zum Mähdrescher zurückzukehren.

Das heißt, einen zweiten Mähdrescher könnte er gar nicht mehr bedienen. Der Fahrer muss fit sein, denn er hat nicht nur die Aufgabe den Mähdrescher nahtlos zu bedienen, sondern auch die Abfahrer zur richtigen Zeit an die richtige Stelle per Funk zu dirigieren.

Es muss ein Extra-Schlepper bereitstehen

Desweiteren erfordert ein Umladewagen einen leistungsstarken Schlepper, der mitunter bei der Bodenbearbeitung fehlt. Im Gut Derenburg ist ein 300 PS Schlepper vor den Umladewagen mit 25 t gespannt. Die Leistung des Schleppers kann nicht groß genug sein, da ein beladener Überladewagen bei kupiertem Gelände viel Kraft benötigt. Die Abfuhr vom Feldrand können auch kleinere Schlepper erledigen, da sie keine schweren Lasten über den Acker ziehen müssen.

Läuft neben dem Mähdrusch nur eine flache Bodenbearbeitung, wird in Derenburg ein weniger starker Schlepper eingesetzt beziehungsweise nach dem Mähdrusch in der Nachtschicht bis zum nächsten Druschbeginn der starke Schlepper vor den Grubber gespannt. Das erhöht die Auslastung und beschleunigt die Folgearbeiten.

In ostdeutschen Großbetrieben mit drei oder vier Hochleistungsmähdreschern sieht man mitunter den Umladewagen wieder verschwinden, weil durchaus zwei Umladewagen rentabel wären, die beiden zusätzlichen Schlepper aber entweder bei den Nachfolgearbeiten fehlen oder zusätzlich angeschafft werden müssten. Hier fährt der leere Schlepperzug zur ersten Übernahme unter den Mähdrescher, der Rest erfolgt zur Bodenschonung am Feldrand.

Das heißt, in diesen Betrieben wird die benötigte Erntekapazität nicht unter Mithilfe von Umlagewagen erbracht, sondern direkt über die entsprechend höhere Mähdrescherleistung eingekauft. Auch wäre über die Anmietung der Schlepper für den Zeitraum der Ernte nachzudenken und aus dem Mietpreis eine Rentabilitätsberechnung neu durchzuführen.

Kompromisse mit Umladewagen und Schlepperzügen

In einigen Betrieben werden dem Umladewagen drei Mähdrescher zugeordnet – mit einiger Kompromissbereitschaft. Verhilft der Umladewagen-Einsatz jedem Mähdrescher nur zu 10 Prozent Mehrleistung, kann sein Ziel auch erreicht sein. Es darf jedoch nicht zu einem heillosen Durcheinander kommen, wenn von vornherein klar ist, dass der Umladewagen überfordert ist. Das erfordert ein strenges Regime.

Zum Beispiel wird festgelegt, dass zwei immer gleiche Mähdrescher bedient werden und der dritte stets am Feldrand abbunkert. Wenn im Gut Derenburg kurzzeitig drei Mährescher und zwei Umladewagen laufen, sind die Wagen immer unterwegs und bedienen die Mähdrescher nach ihrer Reihenfolge. So wird vermieden, dass sie an einem Mähdrescher vorbeifahren, der nicht „ihrer“ ist. Den Umladewagenfahrern wird eine hohe Konzentration und Koordination über den gesamten Erntetag abverlangt.

Manche versuchen sich an einer Kombination, wobei neben dem Umladewagen auch die leeren Schlepperzüge die Mähdrescher einmalig anfahren. Das setzt einen hellwachen Umladewagenfahrer voraus, der über Funk die Schlepper jeweils an die bedürftigen Mähdrescher dirigiert und ist in der Praxis kaum zu bewältigen.

Wenn in Zukunft Füllstände der Mähdrescher online auf einem Portal erscheinen und der Schlepperfahrer den Weg zum richtigen Mähdrescher zugewiesen bekommt, ist eine Erweiterung der Auslastung denkbar. Als Notlösung gilt auch eine Rundumleuchte am Umladewagen, die signalisiert, dass er im Moment nichts mehr aufnehmen kann. So hat der Mähdrescherfahrer die Möglichkeit rechtzeitig am Feldrand abzubunkern ohne später im Feld stecken zu bleiben.

Genügend Volumen und Leistungs-Kapazität vorhalten

Grundsätzlich ist zu beachten, dass ein Umladewagen das Erntegeschäft beschleunigen soll und eine Verfahrensumstellung deshalb nicht halbherzig angegangen werden darf. Wer dennoch mehrere Mähdrescher mit einem Umladewagen bedient, muss ein hohes Fassungsvermögen vorhalten, so dass mit einem Umlauf alle Mähdrescher vollständig entleert werden können. Bleibt ein Mähdrescher teilentleert, muss man ihn als erstes wieder anfahren, zufällig befindet er sich dann am äußersten Ende des Feldes und man muss ihm nachjagen.

Teilentleerte Mähdrescher bringen bei knapper Umladewagenkapazität das ganze System zum Erliegen. Nicht zu vergessen ist die zusätzliche Pufferkapazität, die benötigt wird, weil im Parallelverfahren ja weitergedroschen wird und währenddessen nochmals etwa eine Tonne pro Mähdrescher hinzukommt.

Der Schlepper benötigt entsprechend Leistung, um schnell und wendig zu sein. Die Wege zur Feldrandentleerung müssen kurz sein. Mähdrescher und Umladewagen benötigen hohe Entleerleistungen der Schnecken, die die Übergabezeiten verringern. Mehrere Mähdrescher müssen sich in der Beetarbeitsweise immer in der Nähe zueinander befinden, sonst hat der Umladewagen von vornherein verloren.

Es gibt keine Faustzahl, wie viele Mähdrescher einem Umladewagen zugeordnet werden sollen. Im Betrieb Derenburg ist die rentable Größe 1 : 1, in anderen kann es auch 1 : 3 sein.

Dr. Andrea Feiffer, feiffer consult, Klaus Münchhoff, Gut Derenburg – LW 27/2014