Unter dem Motto „Das WIR im Blick“ hatte der Deutsche Landfrauenverband (dlv) vorvergangene Woche zum Deutschen Landfrauentag in das Kongresszentrum Esperanto in Fulda eingeladen. Rund 3 000 Landfrauen aus allen Bundesländern und Ehrengäste kamen zusammen, um sich endlich einmal wieder in Präsenz auszutauschen.
„Wir Landfrauen machen uns gemeinsam stark für die Frauen im ländlichen Raum. Wir sind es, die an der Gestaltung der ländlichen Räume mitmachen. Mit vereinten Kräften gelingt uns die persönliche und demokratische Teilhabe“, sagte dlv-Präsidentin Petra Bentkämper in ihrer Begrüßung. „Frauen spielen die Schlüsselrolle in der Entwicklung ländlicher Räume, in der Agrarproduktion und in der Ernährungssicherung, und das überall auf der Welt.“ Gerade in Krisenzeiten sei ehrenamtliches Engagement ein wichtiger Stützpfeiler in unserer Gesellschaft. „Damit Ehrenamt hierzulande auch in Zukunft leistbar ist, müssen Rahmenbedingungen angepasst werden und Anerkennung beispielsweise in Form von Rentenpunkten erfolgen“, forderte Bentkämper.
„Sie sind das Sprachrohr des ländlichen Raumes“
Ministerpräsident Boris Rhein zeigte sich in seinen Grußworten schwer beeindruckt von der geballten Frauenpower. „Sie haben das Wir in Ihrem Motto, und genau auf das Wir, auf den Zusammenhalt kommt es an, gerade in dieser unsicheren Zeit mit Krieg, Pandemie und Klimakrise. Das bürgerschaftliche Engagement hat zum Glück zugenommen, insbesondere in den ländlichen Räumen. Das kann aus meiner Sicht nicht hoch genug anerkannt werden“, sagte Rhein. Der ländliche Raum würde in Hessen rund 85 Prozent der Landesfläche ausmachen. Das bedeute, für rund jede zweite Person in Hessen sei der ländliche Raum Heimat. „Es ist daher unsere Aufgabe als Landesregierung dafür zu sorgen, dass die Menschen heute und zukünfig dort leben können, wo sie sich wohlfühlen, wo sie Bleibeperspektiven für sich und ihre Familien sehen“, informierte der Ministerpräsident.
Zur Landfrauenarbeit sagte Rhein: „Die Landfrauen tragen „Land“ nicht nur im Namen, sondern auch im Herzen. Sie schaffen Orte, an denen Heimat gefühlt und Gemeinschaft erlebt werden kann. Sie stehen mit beiden Beinen fest im Leben, sprechen Klartext und packen mit an, ohne zu zögern. Packen Sie weiter so an! Ohne die Landfrauen wären wir ein Stück ärmer. Sie sind das Sprachrohr der ländlichen Räume.“
Videobotschaft der Bundesfrauenministerin
Lisa Paus, Bundesfrauenministerin, legte in einer Videobotschaft den Fokus auf das frauenfördernde Potenzial des dlv. Sie sagte: „Mit Ihrem Verband fördern Sie Frauen. Sie sorgen neben Ihrer eigenen täglichen Arbeit dafür, dass Frauen sozial und wirtschaftlich tatsächlich teilhaben. Dass Sie auch im übertragenen Sinne dieselben Äcker bestellen können wie Männer. Auf diese Weise stärken Sie den Zusammenhalt in Ihrem Lebens- und Berufsumfeld, aber auch den Zusammenhalt unserer gesamten Gesellschaft. Sie bereiten den Boden für Veränderungen, Sie formulieren handfeste Forderungen und Sie geben Frauen eine starke Stimme. Sie sind eine Macht. Für das Frauen- und Familienministerium sind Sie ein wichtiger Kooperationspartner. Dafür danke ich Ihnen herzlich.“
Auch der gastgebende Oberbürgermeister von Fulda, Dr. Heiko Wingenfeld, lobte die Arbeit und das Miteinander der Landfrauen. „Landfrauen reden nicht lang, sie machen“, fasste er zusammen.
Frauen in Führungspositionen
Im Gespräch zwischen Managerin Julia Jäckel und Vertriebsberaterin sowie Landfrau Stephanie Lange, die den Landfrauentag souverän moderierte, ging es um die Rolle von Frauen in Führungspositionen. „Seien sie offener, komplexer, zupackend, fleißig, kompentent, klar und verständlich, aber bleiben Sie auch Frau, verstellen Sie sich nicht und behalten Sie Ihren Humor“, listete Jäckel auf. „Packen Sie Probleme erst dann an, wenn sie entstehen, und suchen Sie sich einen Mann aus, der eine starke Frau an seiner Seite haben kann und mit dem Sie als Team vorangehen“, gab sie weitere Tipps. Zur Frage nach der Rolle der Landfrauen hob Jäckel hervor: „Sie sind der Kitt der Gesellschaft. Ihre Arbeit hat mehr Wertschätzung verdient!“ Die Managerin riet den Landfrauen, dies auch vehement bei der Politik in Berlin einzufordern.
Talkrunde zum Jahrzehnt der Gleichstellung
Nach einem Video der Jungen Landfrauen mit Statements und Forderungen nach Gleichstellung der Geschlechter folgte eine
Talkrunde mit Barbara Stamm, Landtagspräsidentin a. D., Lisi Maier, Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung, sowie Elke Ferner, Vorsitzende von UN Women Germany. Sie nahmen das Koalitionsversprechen zum Jahrzehnt der Gleichstellung kritisch unter die Lupe. Es müsse leider noch viel passieren, bevor ein solches Jahrzehnt tatsächlich erreicht werde, waren sich alle einig. Neben Frauenquoten, paritätisch besetzten Doppelspitzen und dem notwendigen Verbandsklagerecht beim Entgelttransparentgesetz wurde auch das Thema Frauengesundheit sowie ein pandemiebedingter Rückschritt in puncto Rollenverteilung zu Ungunsten von Frauen thematisiert. Stehenden Applaus erhielt Barbara Stamm, die das Thema Gleichstellung mit einer Frage beantwortete: „Wie lange kann es sich unsere Gesellschaft noch leisten, auf das Potenzial von Frauen zu verzichten? Ein Verzicht ist nicht mehr vertretbar.“
Unternehmerinnen mit erfolgreichen Ideen
Dass man als Unternehmerin mit guten Ideen erfolgreich wirtschaften kann, dafür wurden stellvertretend für das große Engagement aller Unternehmerinnen unter den Landfrauen drei Mitglieder ausgezeichnet. Schirmfrau Nicola Lemken, Gesellschafterin und Mitglied der Lemken-Geschäftsleitung, zeigte sich beeindruckt von den Geschäftsideen der drei Gewinnerinnen. Gemeinsam mit dlv-Vizepräsidentin Juliane Vees überreichte sie die Auszeichnung „Unternehmerin des Jahres“ an:
Manuela Holtmann aus Gillenfeld, Rheinland-Pfalz, die auf dem Vulkanhof in der Eifel Ziegenkäse aus Rohmilch produziert und ihn im eigenen Hofladen, online und über Crowdfarming vermarktet. Sie bietet außerdem Kurse in der hofeigenen Käseschule, Hofführungen und Wanderungen mit ihren Ziegen an – www.vulkanhof.de.
Carolin Dietz aus Hardthausen, Baden-Württemberg, stellte 2013 zusammen mit ihrem Mann den konventionellen Schweinemastbetrieb auf den Biobetrieb Ziegenhütte Zollernalb um. Hofkäserei, Hofladen, Hofführungen, Lernort Bauernhof und andere Hofevents gehören zum Angebot der Biolandwirtin – www.ziegenhuette.de.
Christin Ebenbeck aus Sinzing, Bayern, bietet auf Ebenbecks Biohof, einem Vollerwerbsbetrieb, auch noch eine Pensionspferdehaltung an, einen Erlebnisbauernhof mit Ponyreiten und Kindergeburtstagen sowie eine soziale Landwirtschaft mit therapeutischem Reiten und Arbeitseinsätze auf dem Betrieb – www.reitstall-duernstetten.de.
Landfrauen des Jahres
Zum achten Mal vergab der dlv die Auszeichnung „Landfrau des Jahres“. „31 starke Persönlichkeiten wurden dafür vorgeschlagen. Alle hätten die Auszeichnung verdient. Danke für Ihren Einsatz und Ihre Freude, mit der Sie die Landfrauenarbeit immer wieder bereichern“, lobte Bentkämper die Landfrauen. Die Entscheidung der Jury, Landfrau des Jahres zu werden, fiel auf Anke Eden-Jürgens, Annegret Treseler und Marlies Wollschläger (siehe Kasten).
Goldene Biene für vier engagierte Landfrauen
Die dlv-Präsidentin hatte außerdem die ehrenvolle Aufgabe, vier Mal die Goldene Biene zu verleihen und sagte bei der Ehrung: „Die in diesem Jahr ausgezeichneten Landfrauen, Anneliese Göller, Rita Lanius-Heck, Hildegard Schuster und Regina Selhorst, zeigen in besonderem Maße, von welch immenser Bedeutung engagierte Landfrauenarbeit insbesondere auch auf den Führungsebenen ist.“
Bevor die beschwingte Musik von „Lou“s The Cool Cats“ die Landfrauen mit ganz viel Wir-Gefühl nach Hause entließ, lieferte die hessische Landfrauenpräsidentin Hildegard Schuster mit einer flammenden Rede noch einmal deutliche Schlussakkorde. Sie sagte: „Wir Frauen sind lauter geworden. Das ist gut so. Weitermachen! Wenn nicht wir Frauen, wer dann? Nutzt unser Potenzial, zu gleichen Bedingungen wie für die Männer“, forderte Schuster die Landfrauen auf, die Zukunft mitzugestalten. „Bringen wir uns ein! Wir sind die Stimme des ländlichen Raumes.“
Mit der Ankündigung, dass der nächste Landfrauentag 2024 in Kiel stattfindet und dem Dank an alle Landfrauen für ihr Engagement, beendete Schuster die ereignisreiche Veranstaltung. Ein paar bewegte Eindrücke aus Fulda sehen Sie hier:
Text und Fotos: Stephanie Lehmkühler/LW
Landfrauen des Jahres 2022