Auf dem Frankfurter Roßmarkt und an der Hauptwache fand in der vergangenen Woche bereits zum 34. Mal das Frankfurter Erntefest statt. Es gehe darum, den Dialog mit der Gesellschaft aufrechtzuhalten. Zudem wachse im Rhein-Main-Gebiet durch den enormen Siedlungsdruck die Sorge um den Erhalt der Betriebe, sagte der Vorsitzende des Frankfurter Landwirtschaftlichen Vereins (FLV), Karlheinz Gritsch, bei der Eröffnung des Erntefestes.
Themen gäbe es also genug, und deshalb sollten wir das Erntefest und dessen „ländliche Atmosphäre“ nutzen, um den Dialog und damit das Verständnis zwischen Stadtgebiet und ländlichem Raum zu fördern, so der FLV-Vorsitzende weiter.
Landwirtschaft und Landleben der städtischen Bevölkerung nahezubringen, das sei das Ziel des Erntefestes. Lebensmittel seien heute allzu oft anonyme Produkte, die im Supermarkt ohne Bezug zu ihrer landwirtschaftlichen Herkunft gekauft würden. Kaum jemand wisse heute noch, wie sie produziert werden und wie Tiere heute wirklich gehalten würden.
Das Erntefest in Frankfurt biete Gelegenheit, sich selbst „aus erster Hand“ über heimische Landwirtschaft, deren Strukturen und Produktionsweisen zu informieren. Der überwiegende Teil der Aussteller sind landwirtschaftliche Direktvermarkter. Hier gebe es direkt vom Erzeuger fast alles zu kaufen und zu probieren, was das Herz begehrt. „Überzeugen Sie sich von dem hohen Leistungsstand der heimischen Landwirtschaft“, so Vorsitzender Gritsch. Neben den Tier- und Landtechnik-Schauen sowie einem ständig wechselnden Rahmenprogramm auf der Aktionsbühne bot der FLV als Veranstalter in diesem Jahr Besonderheiten, wie das Schweinemobil. Als ein „Schweinestall auf Rädern“ werde die moderne Schweinehaltung gezeigt und man lade so alle Interessierten zum Dialog ein, betonte Gritsch.
Bei der Eröffnung begrüßte FLV-Vorsitzender Gritsch den Präsidenten des Hessischen Bauernverbandes, Karsten Schmal, die stellvertretende Vorsitzende des Hessischen Landfrauenverbandes, Gudrun Stumpf, den Vorsitzenden der Hessischen Landjugend, Lars Döppner, den ehrenamtlichen Stadtrat Dr. Matthias Mehl, den Landrat des Hochtaunuskreises, Ulrich Krebs und die Hessische Milchkönigin Sarah I. sowie die Hessische Rapsblütenkönigin Katharina I., die in ihren Grußworten die Bedeutung des Erntefestes für den Dialog zwischen den Landwirten, den Erzeugern von Lebensmitteln und den Verbrauchern hervorhoben.
Betriebe haben erheblichen finanziellen Aufholbedarf
HBV-Präsident Schmal ging zunächst auf die schwierigen Bedingungen in der vergangenen Ernte ein, die bei Getreide mit erheblichen regionalen und betrieblichen Unterschieden im Mittel rund ein Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre lag. Bei Kartoffeln und Zuckerrüben seien die Ertragserwartungen hoch. Auch wenn sich die Erzeugerpreise nach der Preiskrise in den letzten beiden Jahren wieder im Aufwärtstrend befänden, müssten die finanziellen Löcher aus dieser Zeit in den Betrieben noch gestopft werden.
Zunehmende pauschale Kritik an der Landwirtschaft
„Abgesehen von wirtschaftlichen Problemen belastet uns Bauernfamilien die zunehmende pauschale Kritik an der modernen Landwirtschaft“, so Schmal. Gerade Veranstaltungen wie das Frankfurter Erntefest, stellten eine gute Möglichkeit dar, mit den Verbrauchern in Kontakt zu treten und ihnen die Leistungen der Bauernfamilien für die Gesellschaft zu erklären. In Bezug auf den zu befürchtenden Flächenverlust der Betriebe im Raum Frankfurt, sagte Schmal „Ich hoffe, dass die Frankfurter Stadtpolitik dem wertvollen Boden den Stellenwert beimisst, den er verdient und beim Umfang der Bebauung maßvoll plant und die fruchtbaren Böden schont. Denn ohne Landwirtschaft vor Ort gibt es auch keine Versorgung mit regionalen Lebensmitteln – das muss allen klar sein.“
Ausweisung von Bauflächen mit mehr Augenmaß
Kreislandwirt Dr. Mehl bezeichnete „den Flächenhunger unserer Gesellschaft als das derzeit größte Problem der Landwirte“. Frankfurt plane derzeit im Nordwesten der Stadt an der Autobahn A 5 einen neuen Stadtteil mit rund 10 000 Wohnungen für bis zu 30 000 Bewohner. Erneut würden einschließlich der Flächen in benachbarten Gemarkungen rund 550 ha bestes Ackerland für immer der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Es handele sich um tiefgründige Lösslehmböden, die Wasser speichern und Pflanzen eine vorzügliche Lebensgrundlage bieten. Mehrere Landwirtschaftsbetriebe wären durch die Ausweisung eines solchen Baugebietes in der Existenz bedroht. Im Stadtgebiet gingen zudem weitere 135 ha Ackerland, Grünland und Gartenland verloren, die bereits in Bauleitplänen zur Bebauung ausgewiesen seien. „Wir fordern eine Ausweisung von Bauflächen mit Augenmaß, die die Belange der Landwirtschaft mit berücksichtigt“, betonte der Kreislandwirt.
Rü – LW 39/2017