Dass während der turbulenten 60er Jahre, als die Jugend rebellierte und 1967 zu den Studentenunruhen führte, gleichzeitig aktive Winzer, Landwirte und Gärtner zusätzlich zur täglichen Arbeit die Fortbildung zum Meister ihres Berufes auf sich nahmen, war nicht selbstverständlich.
„Das war die Zeit des rasanten Modernisierens und der technischen Entwicklung. Das Fernsehen wurde bunt und die enorme Leistungssteigerung führte dazu, dass gleichzeitig alles kritisiert und in Frage gestellt wurde“, sagte der Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Ökonomierat Norbert Schindler, anlässlich der Goldenen Meisterfeier des Jahrgangs 1967.
Wirtschaftlicher Aufschwung und kritische Fragen
Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz konnte in diesem Jahr 70 Goldene Meisterbriefe drucken und 45 davon persönlich an die Meister überreichen, die im Jahre 1967 erfolgreich ihre Meisterfortbildung abgeschlossen haben. Sie erhalten damit eine Auszeichnung für ihre Lebensleistung mit hohem Wert für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Landwirtschaftskammer hat hierzu ins Kurhaus nach Bad Kreuznach eingeladen, um in feierlichem Rahmen die Goldenen Meisterbriefe zu überreichen und die Jubilare zu ehren.
Präsident Schindler betrachtete in einem kurzen Rückblick die Zeit um 1967, eine Zeit des steilen wirtschaftlichen Aufschwungs, verbunden mit den kritischen Fragen der Jugend und einer stärker werdenden Rebellion und Auflehnung gegen tradierte Strukturen und Werte. Die jungen Führungskräfte mussten als Winzer, Landwirte und Gärtner in dieser Phase neben der eigentlichen Produktion die Entwicklung ihrer Betriebe vorantreiben und die Voraussetzungen für die Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit schaffen. Die Meisterqualifikation sei dabei für viele eine selbstverständliche Grundlage für ihre berufliche und unternehmerische Existenz geworden. Als Ausbilder hätten sie ihr Wissen vielfach an den beruflichen Nachwuchs weitergegeben, und damit entscheidend zur Zukunftssicherung des Berufsstandes beigetragen.
Besonders hob Schindler die Mitwirkung in den Gehilfen- und Meisterprüfungsausschüssen und als sachverständige Prüfer in der Qualitätsweinprüfung und Prämierung hervor. Ein ehrenamtliches Engagement, das für die Arbeit der Kammer von entscheidender Bedeutung sei.Dabei sei in diese Zeit auch bei vielen die Phase der Familiengründung gefallen.
Mit Babyboom, generationsübergreifendem Zusammenleben und den beruflichen Aktivitäten war der Alltag voll ausgefüllt. Einige engagierten sich auch in außerordentlichem Maße in der Kommunalpolitik als Bürgermeister und Ratsmitglieder und in den berufsständischen Organisationen, wie bei der Landwirtschaftskammer und den Bauernverbänden. Sie sind und waren engagierte Vertreter und Streiter der landwirtschaftlichen und weinbaulichen Interessen. Als Beispiel hob Präsident Schindler Ökonomierat Karl-Otto Engel hervor, der seit über 40 Jahren Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde Brücken ist und zudem seit über 40 Jahren in der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer und in Ausschüssen mitarbeitet.
140 000 landwirtschaftliche Betriebe 1967 im Land
Mit einem Zahlenvergleich von rund 140 000 landwirtschaftlichen Betrieben damals in Rheinland-Pfalz und 18 000 heute, machte der Kammerpräsident den seitdem vollzogenen Strukturwandel in der Landwirtschaft deutlich.
Für die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz ist es alljährlich eine große Rechercheaufgabe, die Goldenen Meister zu ermitteln. Erst 1972 wurde die heutige Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz aus drei regionalen Landwirtschaftskammern gegründet. Hinzu kommt, dass auch Namens- und Wohnortänderungen über den langen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Auch viele staatliche landwirtschaftliche Schulen und Dienststellen wurden an neuen Standorten zusammengefasst. Daher haben die zur Verfügung stehenden Daten keinen Anspruch auf Vollständigkeit, trotz frühzeitigem Aufruf in der Presse. „Wir freuen uns daher, alljährlich die Mehrzahl der Jubilare ermitteln zu können und ihnen den Goldenen Meisterbrief zu überreichen“, so der Kammerpräsident.
Die vielen Gespräche mit den Jubilaren zeigen, dass diese Auszeichnung als hohe Anerkennung ihrer Lebensleistung empfunden wird. Dabei wird häufig auch mit Begeisterung berichtet, was in der Zeit der Meisterkurse erlebt wurde und in den 50 Jahren danach passiert ist. Viele kleine, unterhaltsame und spannende Geschichten geben einen Überblick über den Wandel in den unterschiedlichen Lebensbereichen. In zwei kleinen Gesprächsrunden kommen die Jubilare daher selbst zu Wort, um aus ihrem Leben zu berichten.
Ausgezeichnet wurden zudem 12 langjährig in der Amtlichen Qualitätsweinprüfung tätige Sachverständige Ursel Becker, Bernkastel-Wittlich; Ralf Haag, Bernkastel-Wittlich; Alfons Hausen, Trier-Saarburg; Hannelore Hübner, Alzey-Worms; Christa Jüngling, Bernkastel-Wittlich; Wolfgang Kappes, Landau; Bernward Keiper, Trier; Jochen Kuhmann, Bad Dürkheim; Heinz-Josef Leggewie Bernkastel-Wittlich; Dr. Ute Michalsky, Mainz-Bingen; Carola Waller, Mainz-Bingen; Günter Willem, Trier-Saarburg sowie sieben Mitarbeiter in einem landwirtschaftlichen Betrieb für 20, 30 sowie 40 Jahre Betriebszugehörigkeit.
lwk – LW 24/2017