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Obstbautag Rheinhessen im Zeichen des Klimawandels

Mit Frostkerzen und Bewässerung Klima trotzen

Besonders die Obstbauern spüren täglich die Spannungen zwischen den Anforderungen des Lebensmitteleinzelhandels, des Naturschutzes und der klimatischen Veränderungen, die ihre Betriebe zerreiben. Der Obstbautag Rheinhessen im Rahmen der 71. Agrartage in der Ludwig-Eckes-Halle in Nieder-Olm versuchte Lösungen zu bieten mit den Themen Spätfrostbekämpfung, Risikokommunikation und Optimierung der Fruchtqualität bei Süßkirschen.

Frostkerzen können an Standorten mit wenig Wasser eine Temperaturerhöhung bewirken und somit Spätfrost im Obst- oder Weinbau verhindern. Foto: Dr. Leonhard Steinbauer
Dr. Leonhard Steinbauer Foto: Dr. Leonhard Steinbauer
Monika Möhler Foto: Dr. Leonhard Steinbauer

Aus der Steiermark in Österreich kam Dr. Leonhard Steinbauer von der Versuchsstation Obst- und Weinbau in Haidegg, um über ihre Erfahrungen mit Spätfrostereignissen in den Jahren 2016 und 2017 zu berichten. 180 ha Obstanlagen sind im Jahr 2016 durch Schneefälle eingebrochen, dazu Frost. Und auch 2017 gab es spät im Jahr Frost, sodass viele junge Früchte braun von den Bäumen fielen. Da es in der Region nur wenig Wasser gibt, stellen die Alternativen zur Frostberegnung die oberste Priorität dar, so Steinbauer: Frostkerzen und Frostöfen seien die bevorzugten Mittel.

Von fünf Herstellern testeten sie die Frostkerzen, die auf ihren Brennwert hin überprüft wurden. Es zeigte sich, dass nicht unbedingt die Brenndauer ausschlaggebend ist, sondern der Brennwert und die Wärmestrahlung. Sie unternahmen Versuche mit Frostkerzen und haben die minimale Heizleistung gemessen, einmal mit Kerzen auf der Erde und einmal mit Kerzen, die in ein rund 50 cm tiefes Loch in die Erde eingelassen wurden. In den ersten Ergebnissen zeigte sich, dass es große Unterschiede hinsichtlich der Wärmeleistung bei den verschiedenen Frostkerzen gibt. „Die Unterschiede müssen unbedingt bei der Aufstellungsdichte berücksichtigt werden“, bemerkte Steinbauer. Die ökonomisch und ökologisch vertretbaren Heizsysteme sind mit Holzmaterialien oder Kohlebriketts betriebene Öfen und Dosen.

Mit 400 Kerzen kann man um 1,5 °C erwärmen

In einem anderen Versuch in Weinbergen wurde auch die Konvektion am Hang mitberechnet. Dabei zeigten die Ergebnisse, dass bei flächigen Frostheizsystemen die Konvektion und die Strahlungswärme etwa gleich wichtig sind. Der Konvektionsstrom entsteht durch thermo-dynamische Ungleichgewichte und funktioniert deshalb nur bei Windstille und sehr schwachem Wind. Man müsse bei Frostkerzen mit Kosten zwischen 3 000 bis 4 000 Euro/ha in Apfelanlagen rechnen. Mit knapp 400 Frostkerzen wird eine Heizleistung von 8 640 MJ/h und somit eine Temperaturerhöhung von 1,5 °C erreicht.

Auch stationäre Windmaschinen, die bis zu 45 000 Euro kosten, werden bei Strahlungfrost eingesetzt. Dazu muss wärmere Luft in höheren Luftschichten vorhanden sein. Eine Windmaschine kann bis zu 7 ha Fläche vom Frost freihalten. Auch mobile Windmaschinen werden eingesetzt, die nur 1,5 bis 2 ha abdecken. Letztere zeichnen sich durch eine gute Geländeanpassung aus, da sich deren Kopf um sechs Grad neigen lässt, während stationäre Windmaschinen nur um zwei Grad geneigt werden können. Da in der Steiermark zu 80 Prozent Strahlungsfröste auftreten, ist der Einsatz von Windmaschinen gut möglich.

Steinbauer gab als sinnvolle Reihenfolge der Maßnahmen folgende an:

Ist kein Wasser vorhanden, dann Frostkerzen aufstellen, ist dies nicht möglich, dann Windmaschinen einsetzen. Er bemerkte aber auch, dass es für die zusätzlichen Maßnahmen zum Retten der Ernte, keinen Preisausgleich am Markt gibt. Diese Zeiten seien in der so stark globalisierten Welt vorbei.

Und Steinbauer gab zu bedenken, dass Maßnahmen zur Reduktion von Witterungsschäden Geld kosten und niemals die Nachteile der nicht geeigneten Standortwahl ausgleichen können.

Dr. Gaby-Fleur Böl vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hielt einen sehr unterhaltsamen Vortrag zum Thema Risikokommunikation. Dabei gab sie zu bedenken, dass Informationen über ein bestimmtes Risiko immer eine Frage der Dosis sind und dass auch immer gefragt werden muss, woher die Information komme. Zeitungen haben nun mal ein Interesse daran, möglichst viel Auflage zu machen, das geschieht mit reißerischen Meldungen und nicht mit der Pressemeldung des BfR. Böl sprach auch von der Kluft zwischen Bauchgefühl und Realität, die im Lebensmittelbereich sehr groß ist. So trägt derzeit die mediale Berichterstattung stark zur Verunsicherung mit der Afrikanischen Schweinepest bei. „AFS ist absolut kein Risiko für den Menschen. Der Mensch kann sich nicht anstecken.“

Solche Ereignisse tragen dazu bei, dass die Bevölkerung ein pessimistisches Verhältnis zu gesunden Lebensmitteln hat. So denken, laut einer Umfrage, 44 Prozent, dass die Lebensmittelqualität eher schlechter wird, 38 Prozent denken, dass sie eher gleich bleibt und 16 Prozent sagen, dass diese besser wird. Das Risiko entsteht aus Gefährdungspotenzial multipliziert mit der Exposition. Eine Rolle spiele auch, ob man sich diesem Risiko freiwillig aussetzt oder man gezwungen wird. Auch die Kontrollierbarkeit entscheidet enorm über die Risikowahrnehmung. „Jeder kennt das, wenn man das Steuer vom Auto selbst in der Hand hat, hat man das Risiko im Griff, fährt der Ehemann oder sonst ein anderer Mensch, ist die Risikowahrnehmung viel höher gesetzt“, so Böl. Hat ein Risiko einen positiven Nebeneffekt, wie beim Rauchen die Entspannung, dann ist das Risiko-Nutzen-Verhältnis deutlich verschoben zur Realität. Auf die Frage eines Landwirts, ob es jemals Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel gegeben hätte, bemerkte Böl: „Nein, nie durch das Einnehmen von Lebensmitteln, nur durch die Anwendung der PSM in Südamerika vor vielen Jahren als der Anwenderschutz nicht eingehalten wurde.“

Monika Möhler vom Lehr- und Versuchszentrum Gartenbau in Erfurt sprach zur Optimierung der Fruchtqualität in Süßkirschen. In den vergangenen zwei Jahren stellte die Größe der Süßkirschen immer wieder ein Ausschlusskriterium für die Vermarktung dar, weshalb man sich genauer mit dem Phänomen beschäftigen wollte. Seit 29 Jahren unternehmen die Kollegen in Erfurt Bewässerungsversuche an Süßkirschen. Man habe ähnlich trockene Standorte wie in Rheinhessen, der Jahresniederschlag im Jahr 2019 lag bei 391 mm in Erfurt. In Versuchen wurden verschiedene Abdeckungen untersucht: Ziegelsplitt von 10 cm, Nadelholzspäne von 10 cm, Strohabdeckung von 20 cm, Rasenschnitt mit effektiven Mikroorganismen von 10 cm, tägliche Fertigation, Fertigation nach KWB (Klimawasserbilanz) und die letzte Variante war die Fertigation nach Tensiometermessung. Bei der Steuerung der Fertigation nach klimatischer Wasserbilanz werden die Temepratur, der Niederschlag, die Verdunstung, der Kc-Wert im Entwicklungsstadium der Obstart sowie die Bestandsdichte als Kriterien herangezogen.

40 Tage nach Vollblüte steigt der Wasserbedarf der Süßkirschen

Der Versuch lief im Jahr 2015 an der Sorte Bellise, die im siebten Standjahr auf der Unterlage Gisela 5 wuchs. Die Ergebnisse zeigten klar, dass zwar die Variante Rasenschnitt mit effektiven Mikroorganismen den höchsten Ertrag lieferte, aber bei genauerer Betrachtung zeigt sich auch, dass die Variante vor allem kleine Früchte unter 26 mm lieferte. Alle anderen Varianten lieferten einen deutlich geringeren Ertrag zwischen 22 und 26 kg/Baum, dabei jedoch über die Hälfte große Früchte über 28 mm. In geringer Menge konnten Früchte über 32 mm erreicht werden mit den Varianten Fertigation täglich, dabei wurden 389 l/Baum gegeben, Fertigation nach KWB mit 276 l/Baum, Nadelholzspäne und Tensiosteuerung mit 154 l/Baum.

Möhler gab als allgemeine Empfehlung über die Menge der Bewässerung und den richtigen Zeitpunkt: „Nach der Blüte bis zum Rötelfall mäßig bewässern mit zwei bis vier Liter/Baum. 40 Tage nach der Vollblüte sollte die Wassermenge gesteigert werden auf vier bis acht Liter/Baum nach dem Fruchtwachstum von Prof. Dr. Knoche. Bei Vollertrag und hohen Temperaturen sollten acht Liter/Baum und pro Tag gegeben werden.“ In diesem Zeitraum steigt die Masse der Frucht enorm an. Sei die sortenspezifische Fruchtgröße erst einmal erreicht, ist Ende der Fahnenstange, betonte Möhler.

Insgesamt könne mit rund 100 Bewässerungstagen gerechnet werden. Die Kollegen in Erfurt starten meist Anfang Mai mit der Bewässerung bei guten Wachstumsbedingungen. Zur Düngung empfiehlt Möhler einen Mehrnährstoffdünger, da hier die Nährstoffe im optimalen Verhältnis vorliegen 15:5:30:3 bei gleichzeitiger Mikronährstoffversorgung mit B, Zn, Mn, Mo, Fe und Cu. Insgesamt rechnet Möhler für eine ausgewachsene Süßkirschenanlage ab dem sechsten Standjahr mit einer Düngegabe von 80 kg N/ha, das sind rund 800 Bäume. Ein Teil des Düngers wird über den Boden als SSA gegeben, ein anderer Teil über die Fertigation als Mehrnährstoffdünger.

Möhler gab zu bedenken, dass eine Luxusversorgung von Süßkirschen mit Wasser und Düngung häufig zu zusätzlichen Verzweigungen führt, auf Kosten der Fruchtgröße. Eine optimale Bewässerung spart Wasser, Schnittaufwand und sichert einheitlich große Früchte. Und umgekehrt führt ein sortenspezifischer Schnitt auch immer zur Ausdünnung.

Möhler sah als Ergebnis vieler Versuche, dass die Bewässerung nach der klimatischen Wasserbilanz eine geeignete Methode zur Steuerung in Süßkirschen ist. Warme Böden mit einem gleichmäßigen Bodenfeuchtegehalt und geringen Temperaturschwankungen wirken sich positiv auf Ertrag und Fruchtgröße aus. Nach starken Niederschlagsereignissen ist es wichtig, die Bodendurchlüftung zu verbessern, da nasse, kalte Standorte die Fruchtgröße nicht fördern und zu Gesundheitsproblemen führen.

Tropfbewässerung hat sich in Mitteldeutschland bewährt, wo wenig Wasser zur Verfügung steht. Dabei genügt ein Schlauch und ein Tropfer je Baum.

Ertrag und Fruchtgröße beruhen auf einem komplexen System von Maßnahmen, zu denen neben der Bewässerung und Fertigation auch der sortenspezifische Schnitt der Kirschen sowie die Pflanzdichte gehört. Möhler ging in ihren Ausführungen auch auf die Unterlagen ein, hier zeigten Versuche gute Ergebnisse mit Gisela 5, doch auch die neueren Gisela 12, 13 und 17 konnten überzeugen. Der Vortrag von Monika Möhler ist auch im Internet unter www.obstbau.rlp.de zu finden.

zep – LW 6/2020
Die Branche trifft sich in Nieder-Olm 64. Agrartage Rheinhessen vom 21. bis 25. Januar 2013
Zukunftsfähig durch Markt- und Qualitätsorientierung Weinprobe im Rahmen der 64. Agrartage Rheinhessen