Am 25. November lud der Hessische Braugerstenverein zunächst zur Mitgliederversammlung des Vereins in das historische Rathaus der Stadt Pfungstadt ein. Dabei ging es in diesem Jahr nur um die üblichen Verbandsformalien, welche alle ohne Komplikationen vonstatten gingen. Im Anschluss fand die Braugerstentagung statt, bei der es um aktuelle Themen rund um das Getreide ging.
Diskutiert wurde die finanzielle Unterstützung eines Social Media Projektes des Baden Württembergischen Mälzerbundes. Dieses hat zum Ziel, den Braugerstenanbau sowie das Wissen um Ackerbau und Braugerste zu fördern. Der Kanal „Braugerste by Magnus“ wird vom Landwirt Magnus Häußler aus der Nähe von Ulm bespielt. Die Mitglieder des Verbandes stimmten einstimmig für die Unterstützung des Projektes mit 250 Euro.
Getreidemarkt beeinflusst von Trump und Putin
Im Anschluss fand die Braugerstentagung des Vereins statt. Gut 35 Personen nahmen teil und informierten sich über verschiedene aktuelle Themen rund um die Braugerstenerzugung.Den Anfang machte Saskia Scholz, ihres Zeichens Braugerstenhändlerin bei der Raiffeisen Agritrading mit Sitz in Köln. Sie gab den Gästen einen Überblick über das aktuelle Geschehen auf den Getreidemärkten, welche aktuell unter dem Einfluss des Ukrainekriegs, der Wahl von Trump zum US-Präsidenten sowie natürlich dem Wetter weltweit stehen. Die Bauernweisheit „Rain made grain“ – also Regen macht Getreide, konnte in diesem Jahr für Deutschland und weitere Teile Europas nicht belegt werden. Denn die Erträge waren im feuchten Jahr 2024 unterdruchschnittlich.
Aktuell seien die Getreide- beziehunsgweise Weizenpreise eher niedrig, Russland bringe überdurschnittlich viel Ware auf den Markt und erschwere das europäische Exportgeschäft. Gleichzeitig kaufe China nach einem abgelaufenen Importbann in diesem Jahr wieder Getreide in Australien und nicht mehr in Europa. Insgesamt seien aber die Endbestände an Weizen, also Erzeugung versus Verbrauch negativ im Saldo. Dies sei bereits das vierte Jahr in Folge zu beobachten. In Bezug auf die Maismärkte sei es von essentieller Bedeutung, wie der wieder gewählte Donald Trump über Fracking in den USA entscheide, denn die USA sind der größte Maisexporteur weltweit.
Bei der Braugerste sorgten nasse Felder im Herbst 2023 zu einer vergößerten Anbaufläche deutschlandweit. Die Ernte war zwar in Hessen noch unterdurchschnittlich, lieferte in der Regel aber gute Qualitäten. Zudem lieferten die nördlichen europäischen Nachbarländer ebenfalls Braugersten in hohem Umfang. Das Problem in diesem Jahr: eine komfortable Versorgung mit Braugerste trifft auf eine geringe Nachfrage! Denn zum einen sinkt der Absatz von Bier weiterhin, zum anderen fahren die deutschen Mälzereien nicht mit voller Auslastung. Es wird berichtet von maximal 80 Prozent Auslastung, wenn es denn gut läuft. Ein weiteres großes Problem für deutsche Braugerste und deutsche Mälzereien: Malz wird mehr als üblich importiert aus Ländern mit geringeren Produkionskosten (Energie) wie zum Beispiel Tschechien oder Polen. Somit sanken die Preise für Braugerste um rund 70 Euro/t innerhalb eines Jahres bei aktuell geringen Aufschlägen von Futtergerste zu Braugerste. Erwartet wird, dass die Preise noch näher zusammen wachsen könnten.
Bitburger Braugruppe ist Familienunternehmen
Dr. Georg Stettner, von Haus aus Brauer und Leiter von Technologie und Qualitätswesen bei der Bitburger Braugruppe, stellte das Familienunternhemen Bitburger, welches in siebter Generation zu 100 Prozent von der Familie geführt wird, vor. Die Braugruppe setzt ausschließlich auf ihre Premiummarken Birburger, Köstritzer, Licher, Benediktiner und König Pilsener. Darüber hinaus werden keine Handelsmarken gefüllt.
Das Konzept des Unternehmens ist es, für diese Premiummarken höchste Qualitäts- und Sicherheitsstandards einzuhalten. Dies fängt bei der Rohstoffbeschaffung und -untersuchung an. Die Braugruppe hat ein eigenes hoch modernes Labor, in dem pro Tag hunderte Analysen gemacht werden. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen, alle Warenflüsse und Vorgänge werden strengstens kontrolliert und überwacht, Proben von jedem LKW gezogen. Die Malzbeschaffung soll von regionalen Mälzereien am jeweiligen Sitz der Brauereien erfolgen. Um auch in der Produktentwicklung bzw. bei der Prüfung neuer Verfahren/Anlagen nichts dem Zufall zu überlassen, besitzt und betreibt das Unternehmen eine eigene Versuchsbrauerei.Ein weiteres Standbein der Qualitätssicherung ist der zentrale Einkauf und die zentrale Qualitätsprüfung am Standort Bitburg. Von hier aus wird alles zentral gesteuert und überwacht.
Doch auch das Versuchswesen war immer ein Standbein für höchste Qualität in der Bitburger Braugruppe. Dazu wurden seit Jahrzehnten eigene Versuche durchgeführt. Seit der Neukonzipierung des Berliner Programms 2005 nahm man konstant daran teil und konnte damit die Qualitätssicherung noch erweitern und zu einem Teil in das Berliner Programm ausgliedern. Dieses untersucht an zahlreichen Standorten von agronomischen Merkmalem bis zu Verarbeitungsmerkmalen in Mälzerei und Brauerei neue Braugerstensorten und liefert so deutschlandweit anerkannte und neutrale Ergebnisse. Diese Ergebnisse könnten einzelne Unternhemen alleine nicht liefern. Mit diesen will Bitburger die Rohstoffbeschaffung aktiv gestalten und seine Produkte weiter optimieren. Darüber hinaus eigne sich das Berliner Programm, um mittel- und langfristige Züchtungsziele zwischen allen Beteiligten der Wertschöpfungskette zu kommunizieren und damit mehr Planungssicherheit zu erreichen. Es sei insbesondere bei den immer häufiger auftretenden Klimaextremen und weniger zur Verfügung stehenden Pflanzenschutzmitteln wichtig, aussichtsreiche Sorten zu entwickeln und zu prüfen.
Gemeinsame Versuche senken Kosten und Risiken
Damit, so Dr. Stettner, sei das Berliner Programm aus Brauersicht von großer Bedeutung und Wichtigkeit und nicht mehr weg zu denken. Insbesondere bei sich verändernden Bedingungen in der Produktion und steigenden Kosten sei es von hohem Wert für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette. So könne man sich auf geprüfte Sorten verlassen, am Züchtungsfortschritt teilhaben, die Verfügbarkeit von Sorten und Saatgut sicherstellen und damit Risiken und potentielle Verluste reduzieren. Aber auch Kosten auf alle aufteilen.
Cecilia Hüppe vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen stellte, wie in jedem Jahr Tradition, die Versuchsergebnisse für Braugersten der Landessortenversuche vor. Dabei zeigte ein Blick auf die aktuellen Vermehrungsflächen, dass Hessen mit gut 280 ha Vermehrungsfläche für Sommergerste auf einem stabilen Niveau liegt. Nennenswert vermehrt werden in absteigender Reihenfolge die Sorten Amidala, Leandra, Lexy und Sting. Bei den Landessortenversuchen in Hessen sowie überregional fiel auf, dass die neueren Sorten die etablierten Sorten mittlerweile in einigen Merkmalen übertrumpften. Allerdings sind dies mitunter noch vorläufige Ergebnisse, denn gerade bei den wechselnden klimatischen Bedingungen geht es nicht nur um den Ertrag selbst, sondern vor allem um die Ertragsstabilität, so Hüppe. Doch bisher zeigten sich die noch nicht dreijährig geprüften Sorten, wie LG Caruso oder auch Sting und Ostara, vielversprechend.
Südhessen lag bei der Braugerste vorne
Johannes Orth, Vorsitzender des Vereins, stellte die Gewinner des Braugerstenwettbewerbs 2024 vor. Insgesamt wurden 30 Proben aus ganz Hessen eingereicht, davon bekam jeder Betrieb eine schriftliche Rückmeldung mit den einzelnen Boniturergebnissen seiner eingereichten Probe. Die zehn besten Sorten wurden vor Ort ausgestellt. Besonders auffällig war, dass alle drei Siegersorten in diesem Jahr aus Südhessen, und zwar aus Riedstadt-Leeheim kamen. Auf dem ersten Platz war Daniel Luley, Sorte Amidala. Den zweiten Platz belegte eine Winterbraugerste mit der Sorte KWS Somerset von Marion Wald und den dritten Platz belegte Torsten Jakobi, wieder mit der Sorte Amidala. Dr. Kruse aus dem hessischen Landwirtschaftsministerium überbrachte Grüße des Ministers Jung sowie eine Ehrenmedaille für den Sieger des Braugerstenwettbewerbs.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen lud Christian Leisler, Sponsor der veranstaltung und Geschäftsführer der Malzfabrik Rheinpfalz mit Sitz im Pfungstadt, die Anwesenden als besonderes Highlight zu einer Führung in die Malzfabrik ein. So bekamen die Interessierten Einblick in die verschiedenen Produktionsschritte der Malzerzeugung von weichen, über das keimen bis hin zum Darren sowie der Logistik. Leisler legte Wert darauf zu zeigen, dass auch eine kleine Mälzerei in der Region sich gut aufstelle und in den Standort investiere. Die größten Probleme in der Branche seien neben dem aktuellen Nachfragetief die extrem gestiegenen Energiekosten, welche vor allem für das trocknen der eingeweichten Körner notwendig ist, sowie die zuverlässige Abwicklung der Transporte über die LKW-Logistik. Als potentielles Hemmnis für die Standortentwicklung sah Leisler die zukünftig mögliche Stromversorgung, bei steigendem Bedarf in der Mälzerei, aber auch der Privathaushalte rund herum mit alten Stromleitungen.
Esther Wernien – LW 49/2024