Im November letzten Jahres hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil gefällt, das den Handel schon 2024 dazu verpflichtet, zukünftig nachzuweisen, dass angelieferte Ernte-Produkte aus zertifiziertem Z-Saatgut oder aus lizenziertem Nachbau stammen. Wie dieser Nachweis aussehen soll, hat das Gericht offengelassen. Darüber diskutieren jetzt Verbände, Handelsorganisationen und die Saatgut-Treuhandverwaltung (STV).
Die STV wurde von den Pflanzenzüchtern beziehungsweise Sortenschutzrechtsinhabern gegründet und erhebt für diese die Nachbaugebühren, die jeder Landwirt zu entrichten hat, der Nachbau von geschützten Sorten betreibt.
Die Züchter favorisieren Erntegut-Bescheinigungen
In einer Pressekonferenz machte die STV am 3. Juni zu diesem Urteil klar, dass man ab diesem Sommer ein kostenfreies System anbieten werde, über das Landwirte sich eine Erntegut-Bescheinigung erstellen lassen können, die ihrem Abnehmer Rechtssicherheit bei Aufnahme, Handel und Verarbeitung des Ernteguts gibt. Um die Erntegut-Bescheinigung zu erlangen, müssen grundsätzlich die Ackerfläche in Hektar je Fruchtart, die verwendeten Mengen Z-Saatgut je Sorte und/oder die verwendete Menge an Nachbausaatgut erklärt werden. Die STV bietet danach zwei Verfahrensweisen an:
Entweder können diese Angaben durch das Hochladen entsprechender Dokumente direkt belegt werden. Auf der Grundlage der bereitgestellten Daten erhält der Landwirt eine Erntegut-Bescheinigung durch die STV. Bei korrekter Angabe ist der Vorgang für den Landwirt erledigt.
Alternativ gibt es die Möglichkeit, keine die eigenen Angaben stützenden Dokumente hochzuladen und die Erntegut-Bescheinigung zu erhalten. Voraussetzung für diese Variante ist die Zustimmung des Landwirtes, im Falle einer späteren Stichproben-Prüfung entsprechende Belege einzureichen.
„Mit der Erntegut-Bescheinigung bieten wir einen für Handel und Landwirtschaft kostenfreien und weitgehend unbürokratischen Service an, mit dem die rechtmäßig erzeugte Ernte dokumentiert werden kann“, erklärte Stephanie Franck, Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) und des STV-Verwaltungsrats. Und sie betonte, dass die Züchterhäuser auf korrekte Zahlung der Nachbaugebühren angewiesen seien. Von den geschätzt etwa 32 Mio. Euro, die den Sortenschutzinhabern durch den Nachbau geschützter Sorten zufließen müssten, würden nur etwa 19 Mio. Euro gezahlt. „Gerade kleinere Züchtungsunternehmen sind auf diese Mittel angewiesen, um den Züchtungsfortschritt voranzutreiben. Werden sie zu Einsparungen gezwungen, wird das zuerst die kleinen Kulturen treffen, die weniger lukrativ sind als die großen Fruchtarten wie Getreide, Raps oder Mais.“
Handel will Selbstauskunft und sieht Vertragsstrafen vor
Der Agrarhandel sieht sich in einer Stellungnahme „nun in ein Problem hineingezogen, für welches Landwirte und Züchter seit Jahrzehnten keine Lösung gefunden haben“. Da immer wieder einzelne Anbauer Sortenschutzverletzungen begehen, hätten die Züchter dem Handel, der als Flaschenhals bei der Annahme der Ernte fungiert, nun mit diesem Urteil „die Daumenschrauben“ angelegt.
Um den Aufwand für die Landwirte möglichst gering zu halten, empfehlen der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) und der Verband „Der Agrarhandel“ e.V. (DAH) ihren Mitgliedern eine sogenannte Textbaustein-Lösung. Dabei sichert der Landwirt mit einer sogenannten Selbstauskunft zu, sich an die gesetzlichen Vorgaben zum Sortenschutz zu halten. Die RWZ Köln und die Raiffeisen Kassel haben dem LW bestätigt, sich dieser Empfehlung anzuschließen.
Die bisher vorgelegten Textbausteine zur Selbstauskunft beinhalten allerdings zusätzlich Vertragsstrafen, die der Landwirt bei Verstoß zu leisten hat. „Der ehrliche Landwirt hat durch diese Zusicherung nichts zu befürchten“, betonen die Handelshäuser. Gerade aber dieser Punkt zieht die Kritik des Bauernverbandes auf sich; außerdem spricht die STV dieser Lösung die Rechtssicherheit ab.
Bauernverband kritisiert Bürokratie-Aufwand und Strafen
Der Deutsche Bauernverband (DBV) fordert, die Klauseln zu Vertragsstrafen zu streichen, da er der Meinung ist, dass das BGH-Urteil dafür keine Rechtsgrundlage bietet. Formulierungen seitens des Erfassungshandels wie „mit dem Bauernverband abgesprochen“ in solchen Formularen zur Selbstauskunft entsprächen nicht den Tatsachen. Entsprechend empfiehlt auch der Hessische Bauernverband (HBV) seinen Mitgliedern, lediglich zu bestätigen, dass die sortenschutzrechtlichen Verpflichtungen eingehalten wurden.
Auch die Erteilung einer Erntegut-Bescheinigung seitens der STV sieht der DBV kritisch und befürchtet ein Bürokratie-Monster. DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken hierzu in einem Interview (s. LW 22): „Es ist nicht in Ordnung, das Urteil nun dafür zu nutzen, ein unverhältnismäßiges Überwachungssystem zu installieren. Landwirte, die Z-Saatgut kaufen oder ordnungsgemäß ihre Nachbauerklärung abgeben, dürfen nicht mit weiteren Dokumentationspflichten belästigt werden.“ Er betonte aber auch, dass der Bauernverband zum Sortenschutz stehe, allerdings dürfe nicht ein Generalverdacht gegen die Landwirte in den Raum gestellt werden.
Seitens des Bauernverbandes wird den Landwirten aktuell geraten, keine Vereinbarungen zu unterzeichnen, die weitere Garantieerklärungen oder gar Vertragsstrafen beinhalten. Hinsichtlich der Online-Plattform zur Erstellung von Erntegut-Bescheinigung müsse deren Veröffentlichung abgewartete werden, insgesamt lehnt man aber den zusätzlichen bürokratischen Aufwand ab.
Nach Ansicht des Bauernverbandes ist die Auslegung des Urteils noch nicht abschließend juristisch geklärt und vor allem der Handel am Zug. „Es ist nicht an uns, hier eine Lösung zu präsentieren“, so Krüsken.
KB – LW 23/2024