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Stölzinger Wölfin geht über alle Zäune

Weidetierhalter nicht mit Wolf-Problem alleine lassen

Mindestens 26 gerissene Schafe, Ziegen und Kälber und vermutlich einige gerissene Wildtiere – das ist die traurige Bilanz der Stölzinger Wölfin. Der Ärger unter den Landwirten in den Landkreisen Hersfeld- Rotenburg und Werra-Meißner ist groß. Schließlich ist die Region und besonders das „Stölzinger Gebirge“ geprägt von Weidetierhaltung, ohne die die Flächen verbuschen würden. Grund genug für die Kreisbauernverbände (KBV) Hersfeld-Rotenburg und Werra-Meißner im Rahmen des Tages der offenen Weide in Weißenhasel zu einem gemeinsamen Pressetermin einzuladen.

FFH-Reporter Marcel Ruge befragt die Vorsitzenden der Kreisbauernverbände Hersfeld-Rotenburg und Werra-Meißner Jörg Schäfer und Torsten Möller zu den vermehrten Wolfsrissen vor Manuel Stück, Anke Ross, Klaus Jopp und Christian Möller (v.l.n.r.). Foto: Stefanie Wittich

„Nach den vermehrten Übergriffen durch die mittlerweile als sesshaft eingestufte Stölzinger Wölfin ist es ein Anliegen unserer Landwirte zu zeigen, welche Auswirkungen die Anwesenheit von großen Raubtieren auf die Landwirtschaft hat“, so Torsten Möller, Erster Vorsitzender des KBV Werra-Meißner in seiner Begrüßung. Er betonte, dass sich die Landwirtschaft sehr für Biodiversität einsetze und so in der Region zahlreiche Naturschutzgebiete mit seltenen Pflanzen entstanden seien.

Jörg Schäfer, Vorsitzender des KBV Hersfeld-Rotenburg ergänzte, dass die Weidetierhaltung oft in benachteiligten Gebieten stattfinde. Das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) mache es sich entschieden zu einfach, wenn jetzt auch noch der Wolfsschutz auf die Landwirtschaft abgewälzt werden solle. „Wölfe verursachen nicht nur finanzielle Schäden“, so Schäfer, „auch die emotionale Belastung für unsere Landwirte ist hoch. Niemand weiß, was ihn bei der nächsten Weidekontrolle erwartet.“

Vom Aussterben bedrohtes Rotes Höhenvieh gerissen

Das kann Manuel Stück, Landwirt aus Rotenburg- Wüstefeld, bestätigen. Er züchtet das vom Aussterben bedrohte Rote Höhenvieh. An einem Morgen fand er sein totes Kalb mit deutlichen Rissverletzungen vor. Die Mutterkuh musste ebenfalls eingeschläfert werden, da sie völlig verstört und agressiv war – ein allgemeines Problem von Herden nach einem Wolfsangriff. „Das Senckenberg Institut konnte in einer ersten DNA-Probe keine Spuren vom Wolf nachweisen.

Deshalb erhielt ich keine Entschädigung“, erzählt er. Daraufhin habe er eine eigene Probe zu einem weiteren Labor geschickt, die zweifelsfrei DNA-Spuren vom Wolf nachweisen konnten. Die Entschädigung blieb dennoch aus. Bei Nebenerwerbsschäfer Christian Möller aus Erkshausen wurden gleich vier Schafe gerissen. „Als ich meine Tiere umtreiben wollte, stellte ich fest, dass die Herde nicht vollzählig war“, berichtet er. Ein totes Tier konnte er bereits außerhalb des Zauns entdecken und brachte die übrige Herde zur Sicherheit in den Stall. Drei weitere Tiere wurden, teils mehrere hundert Meter von der Weide entfernt, tot aufgefunden. Am 18. August bestätigte das Ministerium, dass auch hier die Stölzinger Wölfin, GW1409f, zugeschlagen hat.

Zurzeit werden zwar gerissene Tiere erstattet, aber die Tierhalter selbst tragen die Folgekosten, wenn Tiere nach einem Angriff verlammen oder die Herde nicht mehr zu führen sei, so Christian Möller. „Wir brauchen eine unbürokratische Erstattung der Schäden.“ Bei beiden Landwirten waren die Weiden ordnungsgemäß eingezäunt. „Da die Stölzinger Wölfin mehrfach Zäune überwand, besteht die Gefahr, dass sie ihr Wissen an potentiellen Nachwuchs weitergibt. Das muss unbedingt vermieden werden“, fordert Torsten Möller, „auffällige Tiere müssen entnommen werden können.“ Das wird auch von seinem Hersfelder Amtskollegen Schäfer bekräftigt. „Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz vor einem Wolfsangriff.“ Weder ein Zaun halte diesen ab, noch die Anwesenheit von Hunden. Der Einsatz von Herdenschutzhunden als Alternative sei nicht nur sehr teuer, sondern bringe eine weitere Schwierigkeit mit sich: Als Herdenschutzhund sei die Aufgabe, die Herde vor jeglicher Gefahr zu schützen – auch vor Spaziergängern oder Hunden.

In Landkreisen, die vom Tourismus profitieren, sei es fraglich, ob Herdenschutzhunde das richtige Konzept zum Schutz vor Wölfen seien, so Schäfer. Herdenschutzmaßnahmen müssen einfach und unbürokratisch einschließlich der Arbeitszeit entschädigt werden.

Eine Einzäunung könne dabei nur dem Schutz vor einem Ausbrechen der Tiere dienen, nicht aber als Schutz vor Wolfsangriffen. Deshalb dürfen Entschädigungen nicht daran bemessen werden, ob der Zaun einen Wolf hätte abhalten können, Tiere zu reißen, sondern ob der Zaun einer guten fachlichen Praxis entspreche.

Schutz der Weidetiere muss vorgehen

„Der Schutz der Weidetierhaltung muss vor dem Schutz des Wolfes stehen“, fordern Torsten Möller und Jörg Schäfer, „wie sonst sollen Grünland und Naturschutzflächen nachhaltig erhalten werden, wenn nicht durch Beweidung?“

Die Wiederansiedelung des Wolfs dürfe nicht uneingeschränkt vorangetrieben werden. Die Belange der Weidetierhaltung und der Landwirte, aber auch deren gesellschaftlichen Leistungen im Naturschutz und in der Landschaftspflege müssen angemessen berücksichtigt werden.

Stefanie Wittich  – LW 37/2020
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