AGZ, Wolf und Politik bedrücken Weidetierhalter im Odenwald
Info-Gespräch zwischen Politikern und Tierhaltern
Fehlende finanzielle Mittel durch den weitgehenden Wegfall der AGZ, vor allem aber die als gleichgültig oder sogar als ablehnend empfundene Grundeinstellung der Hessischen Landesregierung den Weidetierhaltern gegenüber bereiten den Odenwälder Schaf-, Ziegen- und Fleischrinderhaltern ernsthafte Sorgen über die Zukunft ihrer Betriebe. Dies wurde während eines Info-Gespräches deutlich, zu dem der Regionalbauernverband (RBV), der Schäferverein Odenwald und die Interessengemeinschaft (IG) Odenwälder Fleischrinderhalter in die Heu- und Strohhalle des RBV-Sprechers Hans Trumpfheller Politiker der Landes- und kommunalen Ebene am vergangenen Sonntag nach Bad König-Momart geladen hatten.

Foto: Dietz
Wegfall der AGZ ist schwerer Schlag ins Kontor
Den weitgehenden Wegfall der Ausgleichszahlungen (AGZ) in den Odenwälder Gemarkungen bezeichnete Trumpfheller als schweren Schlag in das Kontor. „Der Odenwald ist hierbei landesweit der Verlierer. Bei Haupterwerbsbetrieben waren das bei 60 bis 70 Hektar bis zu 3 500 Euro, die jetzt im Jahresergebnis fehlen. Das ist in einem Realteilungsgebiet eine grobe Benachteiligung“, betonte er. Die Abgrenzung dürfe nicht allein durch geophysikalische Gegebenheiten begründet werden. Hierzu werde im Herbst eine Gebietsabgrenzung nach neuen Kriterien erwartet.
Tritt und Verbiss schaffen Biodiversität
Der Tourismus im Odenwald lebe von der attraktiven Landschaft, die vom Wechsel von Wald und Offenland mit Äckern, Weiden und Streuobstwiesen geprägt sei. Falle die Weidetierhaltung weg, wüchsen die Steillagen mit Wald zu; die Vielfalt an Pflanzen und Tieren, die es alleine durch Verbiss und Tritt gebe, würde verschwinden. Flora und Fauna im Odenwald seien gefährdet.Trumpfhellers Bitte an Politik und Gesellschaft: „Unterstützen Sie die Anstrengungen der Weidetierhalter, sonst steigen die wegen Überlastung aus!“
Robert Brandt von der IG Odenwälder Fleischrinderhalter erinnerte daran, dass es mal Weidetierprämien in der EU-Förderung gab. Im Zuge von Reformen seien die jetzt auf reine Flächenprämien reduziert – also ersatzlos gestrichen worden.
Wolf sitzt Weidetierhaltern im Nacken
Die Weidetierhalter litten jetzt schon den dritten Sommer an Futterknappheit, die durch teuren Zukauf abgemildert werden müsse. „Der Wolf als Einzeltier, demnächst im Rudel, sitzt den Weidetierhaltern im Nacken und von Frau Hinz hören wir lapidar: Damit müsst ihr umgehen. Das Verhalten der Landespolitik ist unehrlich“, so sein Resümee. Mehr noch: Die Weidetierhalter seien selbst schuld. Wegen angeblich schlechter Zäune würde kein Schadenersatz gezahlt, dieAussagen der Landespolitik seien von Augenwischerei geprägt. Die Weidehaltung von Nutztieren in der heutigen Form sei erst rund 150 Jahre alt. Sie habe es vorher wegen des Wolfes und seiner Übergriffe so nicht gegeben. Die Politik wolle offensichtlich diesen alten Zustand wieder herstellen und beschrieb diesen mit den Worten: raus mit der Weidetierhaltung aus der Landschaft! An die anwesenden Politiker richtete er den Appell: „Helft den Weidetierhaltern!“
Schützende Zäune nur in zoologischen Gärten
Für Bernd Keller, Vorsitzender des Odenwälder Schäfervereins, gibt es kein friedliches Nebeneinander von Weidetieren und Wolf. Wirksam schützende Zäune gibt es seiner Meinung nach nur in zoologischen Gärten. Die Erfahrungen in Deutschland zeigten, dass der Wolf bis zu 2,80 m hohe Zäune überwindet. Problemwölfe wie die Stölzinger Wölfin müssten entnommen werden. Aber es geschehe nichts. Laut Keller sei viel geredet worden über unbürokratische Entschädigungen. Etwaige gezahlte Beträge blieben im Dunklen. Es gebe keinerlei Aussagen darüber, wo und welche Beträge gezahlt worden seien; allenthalben Untätigkeit. Keller weiter: Aussagen über Entschädigungsregelungen? – Fehlanzeige. Lediglich die Aussage stehe im Raum: „Es wird keine zweistelligen Millionenbeträge geben.“
Bei dem zugesagten Austausch mit anderen Bundesländern sei fünf Jahre lang nichts passiert. Der zugesagte enge Austausch des Hessischen Landwirtschaftsministeriums mit Schaf- und Ziegenhaltern im Odenwald sei nicht erfolgt, ein glatter Wortbruch.
90 Prozent der Schafhalter außen vor
„Beim Herdenschutz gibt es Mittel erst ab einer Weidefläche von 5,4 Hektar Betriebsgröße“, zitiert Keller das Ministerium. Das entspreche einer Mindestanzahl von 40 bis 50 Mutterschafen je Betrieb. „Damit fallen ein Drittel der gehaltenen Schafe aus der Förderung und 90 Prozent der Schafhalter, weil die Herden im Odenwald sehr klein sind. Das interessiert in Wiesbaden offensichtlich niemanden“, beschreibt Keller die seiner Meinung nach bei der Landesregierung nicht vorhandene Wertschätzung gegenüber den Schafhaltern und ihrer Leistung für Landschaftspflege und Biodiversität.
Keller forderte von der Politik, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen und die Beweislast bei Wolfsrissen umzukehren. Zudem sollten Rissgutachten nicht in staatlicher Hand bleiben.
Eine Tierärztin im Ruhestand, selbst Halterin von Rhönschafen, brachte einen anderen Aspekt in die Diskussion: „Der Wolf muss erzogen werden. Der Mensch muss ihm Grenzen setzen, auch mit der Flinte. Er darf nicht bei jedem Angriff untätig zuschauen. Erst wenn ein Rudel erfährt, dass der Zweibeiner ein mindestens ebenbürtiger Gegner ist, wird es Abstand halten, auch von Weidetieren. Mit der Rückkehr des Wolfes wird seine Erziehung durch den Menschen zur Daueraufgabe. Der müssen wir uns stellen.“
Wolf genießt alle Freiheiten – muss aber erzogen werden
Dies bekräftigte Trumpfheller und stellte fest: „Der Wolf muss sich integrieren. Außerdem ist er nicht vom Aussterben bedroht. Bisher hat niemand aus der Politik erklärt, warum der Wolf alle Freiheiten genießen soll.“ Die Weidetierhalter könnten nicht einfach wegziehen. Mit der Rückkehr des Wolfes sähen sie alles gefährdet, was sie in Jahrhunderten aufgebaut hätten.
Auf die Feststellung, der Wolf bedürfe der Erziehung, ging der Landtagsabgeordnete Frank Diefenbach von den Grünen nicht ein. Er zeigte Verständnis für die Betroffenheit der Weidetierhalter und würdigte ihre Leistung für Umwelt und Natur. Angesichts von Äußerungen von Schafhaltern wie „Wolfskuschler“, „grün-ideologische Mitarbeiter“, „Lügen seitens der Ministerin“ empfahl er allen, erstmal verbal abzurüsten und ins Gespräch zu kommen.
Bernd Keller antwortete Diefenbach, dass die Weidetierhalter mit dem Wolf durchaus leben könnten, dass das eine oder andere Jungtier oder Schaf zu verschmerzen sei. Aber es müsse klar sein, dass die Gesellschaft akzeptiert, dass Tierhalter davon leben müssen. Aber seit Jahren herrsche völlige Unsicherheit darüber.
Die Weidetierhalter befänden sich in purer Verzweiflung darüber, dass sie auf ihre dringenden Fragen einfach keine Antworten erhielten, dass sie von der Landespolitik im Stich gelassen würden.
Achim Weidmann, stellvertretender CDU-Kreisvorsitzender und Kreistagsmitglied, resümierte: „In der Gesellschaft macht sich eine Walt-Disney-Mentalität breit. Tiere, auch der Wolf, werden vermenschlicht und ihre Natur gar nicht mehr wahrgenommen.“ Er forderte, in der anstehenden Debatte den normalen Menschenverstand einzuschalten.
Landrat Frank Matiaske stellte fest: „Der Wolf kommt, weil das politisch gewollt ist. Viele Fagen wurden nicht gestellt, sind deshalb auch nicht beantwortet. Wir müssen gemeinsam klären, wie viel Wolf verträgt die Natur, verträgt der Mensch.“
Dz – LW 37/2020