Auch weiterhin fluten die Notenbanken das Weltfinanzsystem mit billigem Geld in einem noch nie da gewesenen Umfang, um die Konjunktur zu fördern und zugleich die staatlichen Ausgaben für Zinsen unter Kontrolle zu bekommen. Für die Landwirte bedeutet es in ihrem Wirtschaftsumfeld, die betriebliche Vermögensaufbaustrategie immer wieder auf die aktuellen volkswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Entwicklungen hin zu überprüfen und anzupassen.
Mit diesem Statement eröffnete Karlheinz Gritsch, Vorsitzender des Frankfurter Landwirtschaftlichen Vereins (FLV), die jüngste Vortragsveranstaltung im Winterhalbjahr kurz vor Weihnachten. „Wir spüren es bis heute, was die Finanzwelt vor dreißig Jahren angestellt hat“, sagte Dr. Wolfgang Bischoff bei seinem Vortrag über „Betriebliche und private Vermögensstrategien im Zeichen globaler Verwerfungen“.
Den Ursprung der Finanzkrise sieht der Referent in Japan. Hier ging der Wert von Immobilien und Aktien am Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in enorme Höhen.
Wie sich weltweite Entwicklungen auswirken
Die japanische Notenbank intervenierte mit einer schnellen Diskontsatzerhöhung, doch trotz damaliger Niedrigstzinspolitik „platzte die Blase“. Durch so genannte „Carry Trades“ – „Billiggeldtransporte“ – vor allem über Investmentbanken und Hedgefonds fand „billiges Geld“ auch seinen Weg nach Europa und in die USA. Leider floss das billige Geld kaum in die Realwirtschaft, sondern mehr in die Finanzmärkte und förderte dort die Entstehung weiterer Blasen.
Schließlich brachte das Nichteinschreiten bei der Lehmannpleite die Weltwirtschaft an den Abgrund: „Keine Bank traute der anderen mehr“. Aktionen der Regierungen wie Konjunkturprogramme, Garantien oder Bereitstellung billigen Geldes verhinderten zwar das Schlimmste, führten aber zu enormen Staatsverschuldungen.
Kette finanzieller Verflechtungen
Hinzu kamen die Euro-Krise, die hastige Schnürung des Rettungsschirmes, der Ankauf von Staatsanleihen und Unternehmensanleihen durch die großen Notenbanken der USA, Japans und Europas. Als Folge dieser lockeren Geldpolitik sanken die Zinsen fast auf Null, die Staatsverschuldung stieg weltweit auf enorme Höhen. Aus der Null-Zins-Politik folge, dass Schulden zu machen für Staaten so billig wie noch nie sei und: ein Großteil deutscher Staatsanleihen verzinse sich negativ. Auch Investoren profitierten von niedrigen Zinsen, was zum Beispiel höhere Baukosten oder Kaufpreise für Immobilien und andere Güter ermögliche. Dabei entfernten sich zunehmend die Kaufpreise von den Sachwerten, also die Herstellungskosten abzüglich Alterungsabschläge. Doch oft fehle eben die Vorstellungskraft, was passieren könnte, wenn die Zinsen doch wieder steigen.
Wie sich die Zinspolitik auf die Landwirtschaft auswirkt
Als Beispiel führte der Referent den Bau eines Milchviehstalles für 210 Kühe an: Eine Finanzierung bei aktuell mit 1,5 Prozent auf zehn Jahre fest, Restschuld in zehn Jahren noch rund 1 000 000, bei zum Beispiel 5 Prozent Zinsanstieg belastet das den Zielgewinn und Cashflow mit minus 50 000 Euro im Jahr. Da eingeleitete Maßnahmen die Konjunktur bis jetzt noch nicht hätten anschieben können, sei zu fragen, ob deutliche Zinserhöhungen etwas brächten. Doch wahrscheinliche Folgen wären Belastungen der Staatshaushalte, Verteuerung von Investitionen und Konsum mit Wirtschaftsabschwung, Druck auf Immobilienpreise, steigende Kreditausfallraten und insgesamt die Gefahr einer Abwärtsspirale.
Es mangelt weiterhin an Nachfragepotenzial
Was fehlt, seien echte Nachfragesteigerungen. Um die zu erreichen, ohne die Verschuldungssituation weiter zu verschärfen, werde auch über unkonventionelle Maßnahmen nachgedacht. Neben der Tatsache negativer Anlagezinsen würde bereits über Spar-Negativzinsen, Einschränkung des Bargeldverkehrs oder so genanntes Helikoptergeld als Haushalte-Direkthilfe diskutiert. Staatliche Entschuldungen durch Schuldenschnitte oder eine Gesamtentschuldung durch eine konzertierte Währungsreform nannte der Referent als „letzte Wahl, aber nicht ganz auszuschließen“.
Er verdeutlichte, dass wir uns derzeit mitten in einem gewaltigen geldpolitischen Experiment und technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen mit ungewissem Ausgang befinden. Auch für landwirtschaftliche Unternehmen sei die Bandbreite denkbarer Szenarien groß. Hohe Priorität habe der Erhalt von Liquidität und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Dabei werde ein Cash-Flow-Puffer (Kassenüberschuss) gegen mögliche „Überraschungen“ oder liquidierbare Vermögenspositionen für den Ernstfall zunehmend wichtig. Als Stresstest sollte ein Unternehmensmodell des Betriebes samt Preisänderungen, Produktionsausfällen oder Ausfall einer Arbeitskraft erstellt und durchgespielt sowie nach Risiken oder Optimierungmöglichkeiten gesucht werden.
Informationen zu Sondertilgungsrechten
Bei der Finanzierung von Investitionen sollten Darlehen so zügig zurückgeführt werden, dass nach Ablauf der Zinsbindung keine Probleme mehr entstehen können. Neben Sondertilgungsrechten seien auch Splitting der Zinsbindungsdauer oder variabel verzinste Darlehen zu erwägen. Bei Überlegungen zur privaten Vermögensstrategie seien länger laufende Zinsanlagen derzeit überwiegend ungeeignet, besser Tagesgeld als „Risikopuffer“ oder Bargeld im sicheren Banktresor. Klassische kapitalbildende Versicherungen seien wegen der Zinsproblematik und hoher Kosten unattraktiv, während bestehende Kapitalversicherungen mit hohen Garantiezinsen und bereits mehrjähriger Laufzeit fortgeführt werden sollten. Direktkauf von Aktien oder physischem Gold sei ebenso in Ordnung wie Anlagen über zugelassene offene Investmentfonds. Zu warnen sei vor Geldanlagen in Form von Zertifikaten, bei Bankabwicklungen seien sie in der Regel nicht gesichert.
Fähigkeit zur Flexibilität und Anpassung nötig
Der Redner betonte, dass für landwirtschaftliche Unternehmer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit noch wichtiger werden. Es gelte, die Wettbewerbsfähigkeit auch unter sich ändernden Rahmenbedingungen aufrecht zu erhalten. Nicht ändern werde sich, dass der größte Teil des Unternehmenserfolges weiterhin am „Faktor Mensch“ hänge.
Rü – LW /2017