Aus der Region | LW HEUTE

Die Entschädigungspraxis im Energieleitungsbau prüfen

Berufsstand fordert jährlich wiederkehrende Zahlungen

Die Entschädigungspraxis beim Energieleitungsbau einschließlich der dazu noch offenen Fragen, gerade bei den umstrittenen neu geplanten Erdkabeltrassen, waren die Schwerpunkte des diesjährigen Leitungsbausymposiums des Hauptverbands der landwirtschaftlichen Buchstellen und Sachverständigen (HLBS).

Beim Energieleitungsbau sind Eingriffe in den Boden durch Umschichtung, Ver­mischung, Befahrung und Verdichtung nicht vermeidbar. Maßnahmen zum Bodenschutz sind über die gesamte Bauphase zu treffen. Foto: Moe

Die gesetzten Themen waren der Grund für den außerordentlich guten Besuch des Symposiums mit rund 130 Teilnehmern aus allen Teilen Deutschlands. Dr. Volker Wolfram, Veranstaltungsleiter und „Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“, eröffnete die Tagung in Kassel vor Vertretern der Energiewirtschaft, der Netzbetreiber, der Leitungsbaufirmen, der Land- und Forstwirtschaft sowie vor Agrarsachverständige und mit der Materie befassten Juristen.

Außer Aufwuchsschäden auch Ackerfolgeschäden

Auf die bisherige Entschädigungspraxis bei der Leitungsverlegung ging Dr. Wolfram ein und erinnerte dazu an das Jahr 1961, in dem es begann, Dienstbarkeits­entschädigungen nach Prozentsätzen von 20 Prozent des Verkehrswertes im Schutzstreifen festzusetzen. Seit dem Jahr 1980 wurden ne­ben den reinen Aufwuchsschäden auch Ackerfolgeschäden mit bescheidenen 50 Prozent im ersten Folgejahr akzeptiert. Er verfasste im Jahr 1983 eine wissenschaftliche Ausarbeitung zu den Ackerfolgeschäden, in deren Folge die Rohertragsausfälle für die drei Jahre nach der Bauphase mit zusammen 100 bis 150 Prozent angehoben wurden. Seit 2011 plädiert er dafür, weil beim Erdleitungsbau Dauerschäden von circa 5 bis 20 Prozent bleiben, dass sie in die Regulierungspraxis Eingang finden müsse.

Weite Spannbreite bei den Vereinbarungen feststellbar

Eine neue Dimension bezüglich des Eingriffs in den Boden wurde durch die im Juni 2015 er­lassene Vorgabe der Politik zum Vorrang der Erdverkabelung bei Höchstspannungsleitungen erreicht. Geplante Trassenbreiten beim Bau von 30 bis 40 m und Schutzstreifen von 21 m stellen einen gewaltigen Eingriff in den Boden dar. Damit einhergehende Gesetzesänderungen haben die Rechte der Eigentümer und der Bewirtschafter weiter eingeschränkt. Die Rechts­positionen im Naturschutz sowie insbesondere der hierfür tätigen Organisationen wurden gestärkt. Die Ausgaben für landschaftspflegerische Begleitpläne und Naturschutzkompensation liegen geschätzt bei dem Vier- bis Fünffachen der Beträge, die den direkt Betroffenen als Entschädigungs- und Schadenersatzbeträge gezahlt werden, stellte Dr. Wolfram weiterhin fest. Die Spannbreite für Dienstbar­keits­entschädigungen bei Gas, Strom und Telekommunikationsleitungen seinen erheblich. So belaufen sich die Entschä­digungen bei enteignungsfähigen Leitungen etwa zwischen 0,60 Euro/ m2 und 4,00 Euro/m2 im Schutzstreifen. Bei nicht enteignungsfähigen Leitungen liegen sie auf einem weit höheren Niveau und bewegen sich zwischen 3 Euro pro m2 und 35 Eu­ro je m2 im Schutzstreifen. Dabei sind die Gasleitungen am oberen Ende und die Telekommunikations- und Stromleitungen am unteren Ende zu finden. Die große Diskrepanz zwischen den derzeitigen Positionen gilt es, sachgerecht zu verringern.

Die Dienstbarkeitsentschädigung, ausgehend von den Verkehrswerten prozentual zu erhöhen und die Verkehrswerte selbst jeweils an den aktuellen Markt im oberen Segment entsprechend anzupassen, wären Lösungsansätze. Zumal die Dienstbarkeitsentschädigung von 20 Pro­zent ursprünglich für Freileitungen konzipiert war und die heutige Erdverkabelung einen viel stärkeren Eingriff in das Bodeneigentum darstellt. Rechtsanwalt de Witt hält für Erdverkabelungen eine Dienstbarkeitsentschädigung von 50 Pro­­­zent des Verkehrswertes für gerechtfertigt. Berufsvertretungen, wie der Deutscher Bauernverband, Grund- und Waldbesitzerverbände, fordern jährliches Durchleitungsentgelt. De Witt sieht dafür nur geringe Chancen. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, dass die Vereinbarungen sowie Entschädigungen befristet abgeschlossen werden und in einem Rhythmus von 10 bis 20 Jahren nach zu verhandeln wären. Der Beschleunigungszuschlag gilt der Verfahrensbeschleunigung und ist auch dafür beizubehalten.

Den ganzen Beitrag können Sie sich hier im PDF-Format herunterladen.Dr. Günther Lißmann – LW 21/2017
In der Landwirtschaft gibt es viele Anlässe zur Wertermittlung Landwirtschaftliche Sachverständige tagten in Alsfeld
Praxis der Entschädigung bei Energieversorgungsleitungen HLBS-Leitungsbausymposium in Kassel durchgeführt