In der Landwirtschaft gibt es viele Anlässe zur Wertermittlung
Landwirtschaftliche Sachverständige tagten in Alsfeld
Das Regierungspräsidium Kassel als Bestellungsbehörde in Hessen für Sachverständige der Land- und Forstwirtschaft, des Garten- und Weinbaus sowie der Fischerei und der HLBS-Landesverband luden zur Tagung nach Alsfeld-Eudorf ein. Neben Steuerberatern und Sachverständigen nahmen insgesamt 140 Fachleute aus Beratung, Berufsverbänden, Behörden und Buchstellen an der Veranstaltung teil.
Foto: Corinna Grebing
Wertermittlung von Hofstellen
Die sachgerechte Bewertung derartiger Objekte gewinnt daher zunehmend an Bedeutung. Ziel der SV-Tagung sei es, die von der Finanzverwaltung geforderten Inhalte und methodischen Vorgehensweisen bei der Erstellung von Verkehrswertgutachten für Hofstellen, besonders bei der Überführung in das Privatvermögen, herauszuarbeiten, so Laczny. Dazu referierte Justus Beier, öffentlich bestellter und vereidigter (öbv) Sachverständiger aus Nüsttal, Landkreis Fulda, und stellte beispielhaft die Bewertung einer Denkmal geschützten Hofstelle im Innenbereich eines städtischen Zentrums vor. Bewertungsanlass war die steuerliche Entnahme des landwirtschaftlichen Teils der Hofstelle mit aufstehenden Wirtschaftsgebäuden. Da derartige Objekte, die in der Regel überdimensioniert sind, nicht oft gehandelt werden, liegen so gut wie keine Marktdaten vor. Daher sei es sehr schwierig, Vergleichspreise zu erhalten, so Beier. Auch könnten vorliegende Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses nur bedingt verwendet werden, da sie sich meist auf kleinere Grundstücksgrößen beziehen. Richtwerte werden aus Durchschnittspreisen auf in der Vergangenheit gehandelter Objekte gebildet, sie können daher Anhaltspunkte sein, aber nicht die aktuelle Marktlage abbilden.
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Herr Prof. Dr. Harald Müller, öbv Sachverständiger und Lehrbeauftragter an der Technischen Hochschule in Friedberg, stellte die Methodik und Vorgehensweise zur Bewertung einer Hofstelle im Außenbereich vor, die im Prinzip mit der Bewertung von bebauten Grundstücken im Innenbereich vergleichbar sei. Er ging insbesondere auf die deduktive Wertermittlung ein, die dann anzuwenden ist, wenn keine Vergleichspreise vorliegen und Bodenrichtwerte von nutzungsgleichen Bauflächen im Innenbereich als Bewertungsgrundlage dienen. Deduktiv bedeute, dass man ausgehend vom vorliegenden Bodenrichtwert entsprechende Abschläge für die Entfernung zum Baugebiet, auf das sich der Bodenrichtwert bezieht, für die besondere Lage, für ggf. unzureichende Erschließung, für eingeschränkte Nutzungsänderungsmöglichkeiten sowie für die Übergröße des Grundstücks vornimmt. So ergäbe sich bei einem Bodenrichtwert von 55 Euro/qm für benachbarte gewerbliche Flächen nach Abzug der Wertanpassungen ein Verkehrswert von 16,50 Euro/qm, so Müller.
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Auf die Anforderungen an ein Verkehrswertgutachten zum Zwecke des steuerlichen Nachweises ging aus Sicht der Finanzbehörden Christian Huber, Bausachverständiger, ein. Ein Gutachten muss nach den Allgemeinen Bewertungsvorschriften erstellt werden, nach der Immobilienwertermittlungs-Verordnung 2010 (ImmoWertV 2010), Bodenrichtwert-Richtlinie (BRW-RL 2011), Sachwert-Richtlinie (SW-RL 2012) mit Normal-Herstellungskosten (NHK 2010), Wertermittlungs-Richtlinie-2006, Vergleichswert-Richtlinie (VW-RL 2014) und der ErtragsÂwert-Richtlinie. Die Bewertungen können vom Ortsgericht, dem örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder durch geeignete Sachverständige vorgenommen werden, die nicht zwingend öffentlich bestellt und vereidigt sein müssen. Im Gegensatz zur Erbschafts-und Schenkungssteuer genügt zum Beispiel für die Ermittlung des Entnahmewertes aus dem Betriebsvermögen eine glaubhafte schriftliche Darlegung des Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt. Wichtig sei, dass die Wertermittlungen fachlich nachvollziehbar, den Tatsachen entsprechend und insgeÂsamt glaubhaft sind, so Huber. Sollte das nicht der Fall sein, ist dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, beanstandete Sachverhalte zu korrigieren. Erst wenn begründete Mängel nicht ausgeräumt werden, kann die Finanzbehörde das Gutachten ablehnen. Eine Pflicht zur Erstellung eines Gegengutachtens besteht im Übrigen nicht, wies Huber hin.
Foto: Corinna Grebing
Eine ausführliche steuerliche Einschätzung zur Bewertung von Wirtschaftsgütern bei einer Betriebsaufgabe nahm Reiner Reinke, Steuerberater und Vorsitzender des HLBS-Landesverbandes, vor. Eine Betriebsaufgabe liegt bei Verpachtung oder Veräußerung des Gesamtbetriebes sowie bei Übergabe an weichende Erben vor.
Die Voraussetzung für eine Betriebsaufgabe ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige durch Erklärung oder Handlung der Finanzbehörde anzeigt, dass der Betrieb in seiner bisherigen Form nicht fortbesteht. Die Erklärung kann auch „rückwirkend“ für maximal drei Monate abgegeben werden. Alle wesentlichen Betriebsgrundlagen müssen innerhalb einer kurzen Zeit in einem einheitlichen Vorgang veräußert oder entnommen werden. Der vorgegebene Zeitraum beträgt in der Regel sechs Monate, im Einzelfall und auf Antrag sind bis zu 18 Monaten möglich. Reinke rät eindringlich zu einer sorgfältigen Vorbereitung der Betriebsaufgabe. Es könne im Vorfeld ein optimaler Zeitpunkt gewählt werden sowie die Höhe des Gewinnes durch Einbeziehung von Rücklagen, Aktivierung des Feldinventars in Verlustjahren, nachhaltige Veräußerung von Einzelwirtschaftsgütern zur Einhaltung der Gewinngrenze für den Freibetrag, gesteuert werden. Dabei ist zu beachten, dass die Ermittlung des Aufgabegewinnes durch einen öbv landwirtschaftlichen Sachverständen vorgenommen wird. Nur unter Vorlage verlässlicher Daten könne der Steuerberater seine Arbeit im Sinne des Steuerpflichtigen realisieren und gegenüber der Finanzbehörde vertreten, so Reinke.
Viele neue Vorgaben für die Betriebe
Dr. Volker Wolfram, Vorsitzender der HLBS-Fachgruppe Landwirtschaft, führte durch die Nachmittagsveranstaltung. Er begrüßte Dr. Jörg Hüther aus dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Klima, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der zum aktuellen Stand zur Umsetzung der im Juni dieses Jahres in Kraft getretenen Düngeverordnung referierte. Hüther gab einen umfassenden Überblick über die Anforderungen des Wasserschutzes und die seit Jahren unveränderten Nitratgehalte im bundesweiten Messstellennetz. Die Düngebedarfsermittlung für Stickstoff auf Acker- und Grünland wird bundeseinheitlich geregelt und konkretisiert. Ertragsabhängige standort- und kulturartenbezogene Obergrenzen für die Stickstoffdüngung werden eingeführt. Zeiträume, in denen keine Düngemittel aufgebracht werden dürfen, werden verlängert. Die für bestimmte Kulturen im Herbst zulässigen Stickstoffgaben verringern sich auf 30 kg pro ha Ammonium-Stickstoff, beziehungseise 60 kg pro ha Gesamtstickstoff. Die einzuhaltenden Abstände für die Stickstoff- und Phosphatdüngung in der Nähe von Gewässern werden vergrößert. Die Einarbeitungspflicht auf unbestelltem Ackerland ist innerhalb von vier Stunden durchzuführen. Die Länder werden ermächtigt, weitere Maßnahmen in sogenannten gefährdeten Gebieten mit Grundwasserkörpern von mehr als 37,5 mg/l Nitrat vorzuschreiben. Erleichterungen gelten für Betriebe mit „guten“ Kontrollwerten von 35 kg N/ha im Dreijahresdurchschnitt. Dr. Günther Lißmann, früherer Leiter der BestellungsbeÂhörde, wurde für seine herausragenden Leistungen durch den HLBS-Verband gewürdigt. Er hätte durch sein EngaÂgeÂment maßgeblich die gute Entwicklung des Sachverständigenwesens in Hessen mitgeprägt, so Vorsitzender Wolfram. Die Bestellungsbehörde für öbv Sachverständige beim Regierungspräsidium Kassel hat zurzeit 84 AgrarsachverstänÂdige. Davon sind in den Bereichen Landwirtschaft 29, Gartenbau 23, Forstwirtschaft 17, Fischerei fünf, Weinbau zwei und Umweltschutz acht Sachverständige tätig. Eine Auflistung der Sachverständigen in Hessen mit ihren FachÂgebieten und Adressen, findet sich unter www.rp-kassel.de.
Grebing – LW 43/2017