Die Markgenossenschaft Bellersheim bei Hungen sucht und erprobt wie viele andere Waldbesitzer Strategien und Baumarten, die unter den geänderten und künftigen mutmaßlichen Klimabedingungen bestehen können. In Mittelhessen am Rande der Wetterau gelegen mit tief- bis flachgründigen Braunerden und Parabraunerden sowie etwa 650 Millimeter jährlichem Niederschlag, war Bellersheim bislang ein klassischer Buchenstandort. Aber auch hier leiden die Buchen wie in vielen anderen hessischen Wäldern unter dem Klimawandel und zeigen deutliche Kronenverlichtungen.
Der Bestand ist ein Buchenmischwald mit Eichen, Ahorn sowie vereinzelten Lärchen, Kiefern und Douglasien. Die Fichte, die ohnehin nur einen Anteil von knapp zehn Prozent im rund 200 Hektar großen Gemeinschaftswald hatte, ist in den vergangenen Trockenjahren durch Käferbefall geschädigt und entnommen worden.
Die Vorsitzende des Gemeinschaftswaldes, Markmeisterin Sylvia Ruppel, und Förster Wolfram Peppler suchen also nach Alternativen. Vergangene Woche präsentierten sie einer Gruppe von Agrarjournalisten eine Pflanzung mit Eichen, Weißtannen, Schwarznussbäumen, Vogelkirschen und Winterlinden, die auf einer kleinen eingezäunten Fläche gepflanzt wurden. Eichen und Weißtannen verkraften auch trockene Jahre gut, weil sie tiefes Wurzelwerk bilden, erläuterte Peppler. Die Weißtanne ist in der Pflanzung derzeit kniehoch und wird von Himbeersträuchern beschattet.
Sehr aufwändig gestaltet sich die Anlage von Pflanzungen. Dabei müssen die Verunkrautung in Schach gehalten und die Beschattungspflanzen kontrolliert werden, auch damit sie im Winter mit ihrer Schneelast die jungen Bäume nicht erdrücken. Die Schwarznuss stammt aus Nordamerika, wo sie an der Ostküste verbreitet ist. Sie ist trockenheitsverträglich, wächst sehr schnell und liefert ein wertvolles Holz für die Möbelindustrie. „Vorteil der Art ist, dass bei ihr bislang noch kein Schädling aufgetreten ist“, sagte Peppler. Dies habe sich bei vielen anderen Baumarten wie Esche, Ulme und auch Douglasie geändert.
Eine Schwarznuss-Jungpflanze kostet zurzeit zirka 1 Euro. Günstiger lässt sich ein Bestand mit Nüssen anlegen, die nur 30 Cent pro Stück kosten. Sie werden in eine flache Furche gelegt und sind somit schnell und mit wenig Arbeit ausgebracht.
Neupflanzungen sind teuer. Beispielsweise muss man pro Hektar einer Eichenpflanzung inklusive Pflanzgut, Bodenvorbereitung und Einzäunung mit rund 20 000 Euro rechnen, erläuterte Peppler. Bis zu 85 Prozent seien bei der Neuanlage einer Pflanzung förderfähig, allerdings nur für heimische Baumarten, soPeppler. Der Förster hat die 0,6 Hektar große Pflanzung mit Stahlmatten aus dem Betonbau eingezäunt. Die Matten waren vor Jahren noch viel preisgünstiger. Vorteil ist, dass auch Schwarzwild den Zaun nicht überwinden kann. Ansonsten könnte es den Rehen und dem Verbiss der Jungpflanzen den Weg ebnen. Außerdem sind die Stahlmatten wiederverwendbar, im Gegensatz zu Knotengeflecht-Zäunen.
Wie im Gespräch deutlich wurde, gibt es bei den in Betracht kommenden klimaangepassten Baumarten, abgesehen von der Weißtanne, bislang nur wenige Nadelhölzer. Damit könnte auch Bauholz hierzulande weniger verfügbar werden, fürchtet Peppler. Insgesamt ist außerdem zu erwarten, dass bei geringeren Niederschlägen und höheren Temperaturen Wasser knapper und damit die Holzproduktion pro Flächeneinheit geringer wird.
Die Markgenossenschaft und ihre Vorgänger bestehen seit dem 15. Jahrhundert. Das älteste Dokument datiert aus dem Jahre 1419. Heute gibt es 49 Eigentumsanteile, wie Sylvia Ruppel erläuterte. Der Wald gehört Bürgern aus dem Dorf gemeinschaftlich, die Stadt Hungen und zwei Kirchengemeinden haben ebenfalls Anteile. Die Eigentümer können nur gemeinschaftlich über die Bewirtschaftung des Waldes entscheiden, und Eigentumsanteile dürfen nur vererbt, aber nicht verkauft werden. Seit vier Jahren wird der Wald von Wolfram Peppler beförstert, der ein privates Forstunternehmen mit fünf Mitarbeitern in Ranstadt in der Wetterau führt. Zuvor wurde der Wald von HessenForst betreut. Auch damit waren die Bellersheimer zufrieden, doch anlässlich des Ruhestands der bisherigen Betreuer habe man sich zu einem Wechsel entschlossen.
Der Wald bietet vielen Tieren Platz. So leben im Bellersheimer Wald beispielsweise 15 von 19 in Hessen vorkommende Fledermausarten. Förster Peppler schaut, dass potenzielle Schlafbäume für die Tiere stehen bleiben, und markiert sie entsprechend. Forscher der Universität Gießen untersuchen die Population der Fledermäuse und arbeiten gut mit der Markgenossenschaft zusammen. „Wir setzen uns für die Artenvielfalt ein und schauen auch nicht auf eine maximale Gewinnerzielung. Den weitaus größten Teil der erwirtschafteten Gewinne investieren wir wieder in den Wald“, betonte Ruppel. Dieses Engagement müsse anerkannt werden, wünscht sich Ruppel, mit Blick auf immer neue Forderungen der Gesellschaft. „Den Wald zu erhalten, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Klimaveränderungen stellen uns vor riesengroße Herausforderungen. Um diese zu bewältigen, brauchen wir Freiräume, um tragfähige Lösungen für unterschiedliche Voraussetzungen zu finden.“
CM – LW 28/2024