Auch zum Beginn des Jahres 2018 hatten der Saatbauverband West und der LLH zu einer Vortragsveranstaltung im Rahmen der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen eingeladen, die als Weiterbildungsmaßnahme zur Sachkunde im Pflanzenschutz anerkannt werden konnte. Aktuelle Pflanzenschutzthemen – chemisch wie mechanisch – und die neue Düngeverordnung standen in Baunatal im Vordergrund.
„Aktuelle Entwicklungen im Pflanzenschutz – viele Probleme, neue Lösungen?“ hatte der Vortrag von Dr. Dominik Dicke, Pflanzenschutzdienst Hessen, zum Inhalt. Der allgemeine Trend im Pflanzenschutz zu immer weniger Mitteln werde sich weiter fortsetzen, auch unter dem Aspekt, dass die Mittel für Mensch, Tier und Biodiversität noch verträglicher beziehungsweise sicherer werden müssen. Bei Glyphosat, dessen Anwendung kürzlich für fünf weitere Jahre genehmigt worden war, sei jetzt bei Neuzulassungen mit Auflagen zum Schutz der Biodiversität zu rechnen. „Es ist jedoch noch nicht klar, wie diese im Detail aussehen werden“, so Dicke. Als Beispiele nannte er Verbote im Haus- und Kleingartenbereich, auf Grünflächen, öffentlichen Wegen und Plätzen sowie weitere Verschärfungen bei der Vorerntebehandlung.
Neue Resistenz bei Weidelgras in Südhessen
Ein weiteres Problem stelle die fortschreitende Resistenz bei Ackerfuchsschwanz dar, die durch immer weniger zugelassene Mittel weiter verschärft werde. „Mittlerweile sind weit mehr als die Hälfte der getesteten Verdachtsproben resistent gegen Wirkstoffklasse A und etwa ein Viertel der getesteten Verdachtsproben resistent gegenüber WK B.“ Außerdem sei eine neue Resistenz bei Weidelgras in Südhessen festgestellt worden; Wirkstoffklasse A und B wirken dort nicht mehr. „Nur ein einziger Mais-Wirkstoff der Wirkstoffklasse B wirkt noch ausreichend gegen diese resistente Population. Im Wintergetreide wirken nur noch bestimmte Bodenherbizide, sodass bei Problemen mit resistentem Weidelgras hier im Herbst behandelt werden muss“, erläuterte der Referent. Eine mögliche Lösunge wurde am Beispiel Windhalm dargestellt: Mit einem auf langjährigen Betriebsdaten beruhenden neuen Prognosemodell lasse sich berechnen, wie unterschiedliche ackerbauliche Maßnahmen den Wirkungsgrad von Herbiziden (WK B) auf Dauer beeinflussen werden. „Man kann schauen, wie sich das Drehen an ackerbaulichen Schrauben auf den zukünftig zu erzielenden Wirkungsgrad auswirkt und Anpassungen bei ackerbaulichen Maßnahmen vornehmen, damit der Wirkungsgrad der Wirkstoffklasse B bei Windhalm möglichst lange hoch bleibt“, stellte Dicke in Aussicht. Als einen der Lösungsansätze zum verbesserten Bestäuberschutz wurden Untersuchungen zu Droplegdüsen vorgestellt. Hier hat sich in Großparzellenversuchen bei Landwirten gezeigt, dass „Droplegdüsen auch unter Starkbefallsbedingungen Sklerotinia genauso gut bekämpfen wie die konventionelle Spritz-Technik“. Droplegdüsen seien geeignet, die Anlagerung von Pflanzenschutzmitteln an Rapsblüten stark zu reduzieren und so den Eintrag von Wirkstoffen aus der Blütenbehandlung in Bienenstöcke weitgehend zu vermeiden. Große Hoffnungen setzt der Pflanzenschutzexperte in die Technik-Lösungen im Bereich Smart Farming, womit in naher Zukunft eine zielgenaue Bekämpfung von Unkräutern und Krankheiten mit selbstlernenden Erkennungsalgorithmen und GPS-Technik möglich werde. „Der nächste große Wurf im Pflanzenschutz wird technischer Natur sein“, ist sich Dr. Dicke sicher.
Ackerbauliche Maßnahmen ständig anpassen
Über ackerbauliche Anpassungsstrategien außerhalb der Düngungs- und Pflanzenschutzmaßnahmen referierte Marc Fricke-Müller, LLH. Ziel aller dieser Maßnahme im Rahmen des integrierten Pflanzenbaus sei eine nachhaltige Ertragsentwicklung. Dazu sei es notwendig, alle Flächen zu verschiedenen Zeitpunkten in Augenschein zu nehmen, vor allem zu Vegetationsbeginn. Die bis dahin erfolgten Maßnahmen sollten hierbei überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden, auch im Hinblick auf die kommende Saison. „Ein wesentlicher Teil dieser Anpassungen kann über die Fruchtfolge geschehen. Sie ist ein Schlüsselelement für die erfolgreiche Bewirtschaftung ei-ner Fläche“, so Fricke-Müller. Der Ackerfuchsschwanz beispielsweise sei bestens an Fruchtfolgen mit hohem Winterungsanteil angepasst. Auch Krankheiten wie Fusarium, Halmbruch oder Schwarzbeinigkeit könnten über Änderungen in der Fruchtfolgegestaltung eingedämmt werden.
Pflanzenschutz und Düngung kommen on top
Weitere Anpassungen bei den Anbaustrategien könnten über die Sortenwahl und die Bodenbearbeitung vorgenommen werden. Bei der Sortenwahl müsse auf die Standorteignung Resistenzen und auch die Saatgutqualität geachtet werden. Bei der Bodenbearbeitung stehe die Beurteilung des Bodenzustandes am Anfang. Je nach Feuchte, Ernteresten oder Unkrautbesatz sei dann eine angepasste Bearbeitung mit Fingerspitzengefühl gefragt. „Eine penible Kontrolle der eigenen Arbeitsqualität ist im Anschluss unerlässlich, um die richtigen Schlüsse für das weitere Vorgehen und die nahe Zukunft der Fläche zu treffen“, so Fricke-Müller. Denn: „Dünge- und Pflanzenschutzmaßnahmen können im Vorfeld verursachte Schäden nicht reparieren, sondern nur einen guten Zustand erhalten.“
Aktuelle Regelungen der Düngeverordnung
Handlungsempfehlungen zur neuen Düngeverordnung (DüV)gaben die LLH-Wasserschutzberater Lisa Fröhlich und Jan Schrimpf. Zunächst wurden die aktuell geltenden Sperrfristen für Düngemittel mit wesentlichen Stickstoffgehalten dargestellt. Ab Mitte Juli dürfen demnach in Winterweizen, Wintergerste ohne Getreidevorfrucht, Roggen und Triticale, seit 1. Oktober in Wintergerste nach Getreidevorfrucht, Winterraps, Zwischenfrüchte und Feldfutter und seit 1. November auf Dauergrünland und mehrjährigem Feldfutter diese Dünger nicht angewendet werden. Diese Sperrfristen enden für alle genannten Kulturen am 31. Januar. Für Festmist von Huf- und Klauentieren sowie für Kompost gilt eine Sperrfrist von Mitte Dezember bis Mitte Januar. Darüber hinaus dürfen die Böden bei der Ausbringung nicht überschwemmt, wassergesättigt, schneebedeckt oder gefroren sein. Ab 2020 gilt außerdem auf bestelltem Ackerland, dass flüssige organische oder organisch-mineralische Düngemittel einschließlich Wirtschaftsdünger nur noch streifenförmig ausgebracht werden dürfen. Ab 2025 gilt dies auch für Grünland, machte Lisa Fröhlich deutlich. Ein Bestandteil der DüV ist auch die Düngebedarfsermittlung im Frühjahr. Die Referentin zeigte an Beispielen, wie der Düngebedarf verschiedener Kulturen über Tabellenwerte und die dort angegebenen Zu- und Abschläge ermittelt werden kann. Auf Grünland fließen das Ertragspotenzial des Schlages, das Nährstoffnachlieferungsvermögen des Standortes, der Leguminosenanteil des Bestandes und die Nachlieferung aus organischen Düngergaben in die Berechnung ein.
Der Aufzeichnungsaufwand steigt weiter
Des Weiteren muss nun auch eine P-Bedarfsermittlung durchgeführt werden. All diese Werte müssen natürlich dokumentiert werden, wobei es Ausnahmen für Betriebe gibt, die weniger als 15 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaften, maximal 2 ha Gemüse, Hopfen Wein und Erdbeeren anbauen, nicht mehr als 750 kg N aus Wirtschaftsdüngern aufwenden und die keine Wirtschaftsdünger oder Gärsubstrate übernehmen. Jan Schrimpf fasste zusammen, was zu beachten ist: Im Herbst gilt eine vereinfachte Düngebedarfsermittlung mit einer Begrenzung auf 30 kg NH4-N und 60 kg Gesamt-N. Für die Frühjahrs-N-Bedarfsermittlung gelten einheitliche Stickstoffbedarfswerte mit Zu- und Abschlägen. Für alle organischen Düngemittel, auch Gärreste gilt eine Obergrenze von höchsten 170 kg Gesamt-N/ha. Für den Nährstoffvergleich beziehungsweise die Feld-Stall-Bilanz gibt es Kontrollwerte für Stickstoff und Phosphor. Die Stoffstrombilanz beinhaltet eine Betriebsbilanz für N und P.
Beeinträchtigungen von Gewässern vermeiden
Über aktuelle Rechtsgrundlagen zum Pflanzenschutz informierte Friedrich Göge vom LLH-Beratungsteam Pflanzenbau. Einen Schwerpunkt legte er hierbei auf den Schutz von Oberflächen- und Grundwasser vor Pflanzenschutzmitteleinträgen. „Die Hälfte der Belastungen in Oberflächengewässern stammen aus Punktquellen wie Hofabläufen, wo Spritzen befüllt oder gereinigt wurden“, stellte Göge fest. Der Rest werde vor allem über Oberflächenabfluss, aber auch über die Drainagen und zu geringem Teil auch über Drift in die Gewässer verbracht. Um solche Verunreinigungen zu vermeiden, seien die Spritzenreinigung und auch das Befüllen möglichst auf der Behandlungsfläche vorzunehmen. Wenn doch auf dem Betrieb befüllt werde, sollte dies beispielsweise auf einer Folie erfolgen, sodass verschüttete Mengen aufgefangen werden können. Während der Behandlung sind je nach eingesetztem Mittel zahlreiche Abstandsauflagen einzuhalten, die unter anderem die Beschaffenheit des Ufers (bewachsener Randstreifen) und die Hangneigung, aber auch die aktuellen Witterungsverhältnisse oder die vorgenommene Bodenbearbeitung berücksichtigen. „Ohne Düsen der Abdriftsminderungsklasse 90 Prozent ist Pflanzenschutz eigentlich kaum noch zu machen“, resümierte der Berater. Er wies auf einige neue Anwendungsbeschränkungen hin, wie beispielsweise das Verbot, Chlortoluron-haltige Mittel innerhalb eines Kalenderjahres zwei mal auf einer Fläche anzuwenden. Dies gelte auch für Tankmischungen.
Mechanische Unkrautbekämpfung
Über die vielfältigen Möglichkeiten der mechanischen Unkrautbekämpfung informierte Dr. Thorsten Haase vom LLH-Beratungsteam ökologischer Landbau. „Im ökologischen Anbau geht es nicht ohne, aber auch im konventionellen Betrieb gewinnt das Striegeln wieder an Bedeutung“, so Haase. Schwindende Möglichkeiten bei der Mittelpalette und zunehmende Resistenzprobleme führten dazu, dass mechanische Maßnahmen – auch begleitend zum chemischen Pflanzenschutz – attraktiver werden. Je nach Gerät werden Unkräuter verschüttet oder ausgerissen beziehungsweise beides. „Entscheidend ist es, die Schadpflanzen in einem empfindlichen Stadium zu erwischen und die Kultur möglichst unbeschadet zu lassen“, so Haase. Der Referent zeigte verschiedene Techniken, die auf ihre Einsatzmöglichkeiten hin überprüft wurden. Dabei wurden reihenunabhängige Ansätze ebenso berücksichtigt wie reihenabhängige. „Es gibt für jeden Boden und jede Kultur eine Lösung, allerdings muss man die Flächenleistung, die Wirtschaftlichkeit und auch die teils immensen Preisunterschiede bei der Anschaffung beachten.“ Näheres zu diesen Untersuchungen wird im Laufe des Jahres im Rahmen eines Fachbeitrages dargestellt werden.
KB – LW 4/2018