„Wir rechnen mit dem Schlimmsten“

Weiterbildung zur Sachkunde im Pflanzenschutz

Im Rahmen der Landwirtschaftlichen Woche in Baunatal hatten der Saatbauverband West und der LLH zu einer Vortragsveranstaltung geladen, deren Besuch auch als Weiterbildungsmaßnahme zur Sachkunde im Pflanzenschutz anerkannt werden konnte. Entsprechend gut war der Besuch und die Vorträge informierten umfassend zu aktuellen Fragen im Pflanzenbau.

Christian Deisenroth.

Im ersten Fachvortrag sprach Christian Deisenroth über ackerbauliche Erfahrungen aus Südwestfalen unter den Voraussetzungen der neuen Düngeverordnung (DVO) und des Greenings. Der Titel seines Vortrages lautete entsprechend „Erfolgreich ackern trotz Düngeverordnung und Greening?“, wobei er großen Wert auf das Fragezeichen legte, denn es gebe doch einige Änderungen, die einem nachhaltig wirtschaftlichen Arbeiten entgegenstünden. Zur Ist-Situation in seinem Beratungsgebiet, das neben intensiven Veredlungsregionen in der Soester Börde auch Grünlandgebiete in Höhenlagen umfasst, sagte er: „Bisher haben wir die N-Ãœberschüsse betreffend nur punktuell Probleme. Möglich ist dies durch ein Maßnahmenbündel bestehend aus Bodenuntersuchungen, Beachtung von Nmin-Werten, Gülledüngung möglichst im Frühjahr, effektiver Ausbringungstechnik und Aufstockung des verfügbaren Lagerraums. Und die Erträge in der Region sind in den letzten 25 Jahren kontinuierlich gestiegen.“

Vorschriften werden zu Mindererträgen führen

Dennoch stünden nun weitere Restriktionen im Rahmen der Düngeverordnung ins Haus. Beispielhaft nannte er eine Ausweitung der Sperrfristen im Herbst, weitere Einschränkungen zur Einschätzung der Aufnahmefähigkeit von Böden, Vorschriften zur Ausbringungstechnik und zur Düngebedarfsermittlung. Immerhin, die geforderte Einarbeitungspflicht innerhalb einer Stunde habe durch massiven Widerstand auf vier Stunden abgeändert werden können. Die Düngebedarfsermittlung beinhalte verbindliche, ertragsabhängige Sollwerte, die bei einigen Kulturen durch die einzuberechnenden Abschläge zu Minderträgen und -qualitäten führen dürften. Zum Beispiel dürfe eine Wintergerste mit erwarteten 80 dt/ha Ertrag nach Abzug von Nmin, der organischen Düngung zur Vorfrucht und der Herbstgülle nur noch 130 kg N erhalten.

Abwärtsspirale bei der Düngung

Dr. Thorsten Haase.

„Für Raps, Gerste und Weizen liegen die dann erlaubten Gaben teils deutlich unter dem wirtschaftlichen Optimum, vor allem wenn wir über Qualitätsweizen sprechen“, so der Berater. Moderator Axel Schreiber vom Saatbauverband bemerkte, dass sinkende Erträge dann zu einer Abwärtspirale bei der Düngung führen müssten, denn bei geringerem Ertrag sei im Folgejahr auch nur noch eine verminderte Düngung anzusetzen. Bei Mais und Rüben seien dagegen keine Einschränkungen durch diese Herangehensweise zu befürchten. Insgesamt werde sich die Abgabebereitschaft für Gülle weiter erhöhen, der Transport zwischen den Regionen zunehmen und ein Anstieg der Pachtpreise die Folge sein. „Die Herbstdüngung ist ein Auslaufmodell“, stellte Deisenroth zu diesem Teil seines Vortrages abschließend fest.

Einfache Lösungen beim Greening bevorzugt

Zum Thema Greening und ökologische Vorrangflächen habe sich im Beratungsgebiet herauskristallisiert, dass es zwar viele Möglichkeiten gebe, aber auf den guten Niederungsstandorten vor allem Zwischenfrüchte und in den Höhenlagen Brachen die erste Wahl seien. „58 Prozent unserer Betriebe und 93 Prozent der Fläche sind vom Greening betroffen. Der Prämienverlust bei Nichterfüllung der Greeningvorgaben ist zu hoch und daher muss sich jeder Betrieb die passende Strategie zurechtlegen.“

Seine Empfehlungen hierzu lauten:

  • Vorhandene Brachen und Umweltleistungen integrieren,
  • schwache Standorte oder Teilflächen stillegen,
  • Zwischenfruchtanbau in Niederungen mit Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben bevorzugen, wenn nicht Leguminosen eine Alternative sind (z.B. bei Betrieben mit nicht zu hoher Viehdichte),
  • in Höhenlagen Brachlegung prüfen oder Zwischenfrüchte (Sommergetreide) beziehungsweise Leguminosen anbauen.
  • Seine Einschätzung zu den künfti- gen gesetzlichen Rahmenbedingun-
  • gen für die Landwirtschaft fasste er mit den Worten „wir rechnen mit dem Schlimmsten“ zusammen.
  • Pflanzenschutzmittel in ihrer Wirkung erhalten

Dr. Ruben Gödecke.

Dr. Ruben Gödecke vom hessischen Pflanzenschutzdienst ging auf die Pflanzenschutzprobleme im Weizenanbau ein und fragte „gehen uns die Lösungen aus?“ Eins der drängendsten Probleme sei hierbei das Auftreten von Resistenzen. Um diese in Schach zu halten, sei ein Wirkstoffmanagement anzuwenden, das zwischen den beiden Polen „gar kein Pflanzenschutz“ oder „100 Prozent Wirkungsgrad“ anzusiedeln sei.

Hierbei gebe es immer sowohl chemische als auch ackerbauliche Optionen: Letztere seien im Herbizidmanagement beispielsweise eine Auflockerung der Fruchtfolge und die frühe und nicht zu dünne Aussaat von Sommergetreidearten. Gegen Ackerfuchsschwanz seien staunasse Böden zu vermeiden (Drainage). Chemische Optionen seien der Einsatz von Bodenherbiziden und Glyphosat, eine Nachbehandlung im Frühjahr im Bestocken des Ackerfuchsschwanzes sowie die einmalige Anwendung eines ALS-Hemmers zur Resistenzvorbeugung. „Bevor man eine Managementstrategie anwendet, ist es notwendig, sich für den eigenen Betrieb anhand der Risikofaktoren über die Resistenzgefährdung klar zu werden“, so Gödecke.Risikofaktoren seien unter anderem eine enge Fruchtfolge, ein hoher Anteil von Winterungen, pfluglose Bodenbearbeitung und der häufige Gebrauch von Präparaten mit dem gleichen Wirkungsmechanismus.

Ähnliches gelte für den Einsatz von Fungiziden, hier seien die ackerbaulichen Optionen vor allem im Stoppelmanagement und der Sortenwahl zu sehen. Dies senke die Notwendigkeit der Chemieeinsätze, die allerdings nicht mit verringerten Aufwandmengen zu fahren seien. Im übrigen sei ein Wirkstoffwechsel bei den Azolen, die Nutzung von Kontaktfungiziden und der nur einmalige Einsatz von Carboxamiden mit entsprechenden Mischungspartnern vorzusehen. Hinsichtlich der in den letzten beiden Jahren aufgetretenen Probleme mit der neuen Gelbrost-Rasse „Warrior“ empfahl der Fachmann, auf resistente Sorten zu setzen.

Mit Öko-Maßnahmen PS-Aufwand senken

„Ãœber die Fruchtfolge kann man direkt Einfluss auf die notwendigen Pflanzenschutzeinsätze nehmen“, betonte Dr. Thorsten Haase vom LLH in Kassel. „Und zwar sowohl auf chemische als auch auf mechanische, wie das Striegeln im Öko-Landbau.“ Der Berater für ökologischen Landbau zeigte, wie durch eine Stärkung der Konkurrenzkraft der Ackerkulturen, wie beispielsweise durch Düngung, durch entsprechende Bodenbearbeitung und die Integration von Sommerungen in die Fruchtfolge, der Aufwand für den Pflanzenschutz gesenkt werden kann. „Man kann zum Beispiel auch durch den Anbau von Kleegras das Halmbruchrisiko deutlich senken“, wie Erfahrungen aus dem Öko-Anbau zeigten.

Abdrift kann für Biobetriebe schwere Folgen haben

Reinhard Schmidt.

Reinhard Schmidt, ebenfalls Öko-Berater beim LLH, zeigte, wie Abdrift von Pflanzenschutzmitteln vermieden werden kann und wie mit eventuellen Schadensfällen umgegangen werden sollte. Ursachen für Abrift seien Witterungseinflüsse ebenso wie die Eigenschaften des eingesetzten Mittels. Und natürlich seien die Anwendungsbestimmungen zu beachten. „Wichtig ist, dass Sie im Falle eines Falles selbst aktiv werden – egal ob als Verursacher oder als Geschädigter.“ Um einen Schaden zu dokumentieren, sollte man Fotos mit Zeit- und Ortsangaben machen, Probenmaterial entnehmen und zunächst eine einvernehmliche Lösung mit dem Verursacher suchen. Norma­lerweise übernehme die Betriebshaftpflicht solche Schäden, die vor allem bei Biobetrieben beträchtlich sein könnten, da diese die Ware nicht vermarkten könnten und die betroffenen Flächen neu umgestellt werden müssten. Den letzten Vortrag der inte­ressanten Tagung hielt Frank Hahn vom LLH in Fritzlar zum Thema Schadnagerbekämpfung.

Ratten und Mäusen keine Behausungen bieten

Zunächst müsse die Vorbeugung im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen, denn wenn erst ein Nagerproblem entstanden sei, könne dieses oft nur mit großem Aufwand beseitigt werden, so der Berater. „Räumen Sie ihren Betrieb auf. Schrott- oder Müllhaufen geben Ratten und Mäusen Deckung und Nahrung; Löcher in Mauern und Türen sollte man verschließen.“ Wenn doch ein Problem aufgetreten sei, müsse man zunächst wissen, dass auch die professionelle Anwendung von entsprechenden Bioziden im Betrieb der Sachkunde bedürfen. Beim Einsatz der Fraßgifte dürfe man dann eben nicht erst Aufräumen, da vor allem Ratten auf Veränderungen reagierten. „Bringen Sie die Mittel in den Laufwegen der Tiere aus, dann dürfte sich nach etwa zwei Wochen ein Erfolg einstellen.“

KB – LW 3/2016