Bei der Landwirtschaftlichen Woche Nordhessen erläuterte der Abteilungsleiter Forsten im hessischen Umweltministerium, Carsten Wilke, die Rolle der Forstwirtschaft in der Hessischen Landespolitik. Die „nackten“ Zahlen vorweg betrachtet – Hessen hat 894 180 ha Wald, das sind 42 Prozent der Landesfläche – klar, dass die Forstwirtschaft in diesem Bundesland und in der Politik der Landesregierung eine Rolle spielt. 38 Prozent dieser Waldfläche gehört dem Land Hessen, 1 Prozent dem Bund. 418 Kommunen besitzen 36 Prozent des Waldes und die übrigen 25 Prozent sind Eigentum von etwa 60 000 Privatpersonen.
Im hessischen Wald mit 32 Prozent Buchenanteil und nur 23 Prozent Fichte dominiert Laubholz mit einem sehr hohen Holzvorrat von 341 Festmetern (FM) pro ha. Auch wirtschaftlich ist die Forstwirtschaft im ländlichen Raum bedeutend. In den Forstbetrieben sind rund 4 000 Menschen direkt tätig und erwirtschaften einen Umsatz von rund 200 Mio. Euro. Im gesamten Forst- und Holzsektor sind in Hessen 50 000 Menschen tätig mit einer Bruttowertschöpfung von rund 10 Mio. Euro.
Die energetische Nutzung von Holz ist in den vergangenen Jahren zum weiteren Standbein der Forstbetriebe geworden. Rund 250 000 FM Energieholz vermarktet der Landesbetrieb Hessen-Forst aus dem Staatswald sowie dem betreuten kommunalen und privaten Waldbesitz. Im Privatwald mit Eigenverbrauch und Vermarktung wird die Energieholzmenge ebenfalls auf 250 000 FM geschätzt.
Leistung für den Klimaschutz
Die hessischen Wälder entziehen durch Wachstum der Atmosphäre jährlich etwa 2 Mio. t Kohlenstoff. Auf der Klimakonferenz in Paris sei erneut deutlich geworden, dass weltweit die Zerstörung mit jährlich etwa 13 Mio. ha ungebremst weiter geht, so Wilke. Eine Trendwende sei nicht in Sicht. In 300 Jahren nachhaltige Forstwirtschaft zeigen, dass man Wälder erhalten und zugleich nachhaltig nutzen kann. Für die Nachhaltigkeit im Umgang mit Wald gebe es bei den Waldbesitzern ein ausgeprägtes Bewusstsein. Das sei der Hessischen Landesregierung sehr bewusst, unterstrich Wilke. Seit der Verabschiedung des ersten Hessischen Forstgesetzes in den 1970er Jahren habe sich vieles verändert. Immissionsbedingte Waldschäden, Klimawandel, der Verlust von Biodiversität habe die Landesregierung dazu gebracht, Nachhaltigkeit zum Gegenstand der Politik zu machen. Das Hessische Waldgesetz sei im Jahr 2013 grundsätzlich neu geregelt worden.
In vier Jahren ist die Waldfläche um 100 ha größer geworden
In Hessen habe die Waldfläche in den Jahren 2011 bis 2014 insgesamt um 104 ha zugenommen – dabei seien überwiegend im Ballungsgebiet 491 ha gerodet und umgewandelt und überwiegend im ländlichen Raum 596 ha neu aufgeforstet worden. Etwa 2 Prozent der Waldflächen, nämlich rund 19 000 ha seien zu Bannwald erklärt worden. Bannwälder sind vor allem im Ballungsraum die grüne Lunge. Dennoch sind seit dem Jahr 2002 in Hessen 423 ha Bannwald umgewandelt worden. Die Landesregierung habe daraufhin den gesetzlichen Schutz dieser unersetzlichen Wälder noch einmal verbessert.
Der Waldzustand sei auch im vergangenen Jahr trotz des heißen und trockenen Sommers insgesamt stabil. Die mittlere Kronenverlichtung sei um 2 Prozent gesunken und die Absterberate der Bäume habe abgenommen. Allerdings rechnen die Forstfachleute in den nächsten Jahren mit Trockenheitsschäden, denn die Bäume reagieren zeitverzögert. Der Bodenzustand habe sich durch die Schutzkalkung stabilisiert. Eingelagerte Schwefelverbindungen und Stickstoffzufuhr aus der Luft versauern den Boden jedoch immer wieder. Daher müsse die Bodenschutzkalkung forstgesetzt werden. Der Wald im Hessischen Ried sei sehr stark geschädigt. Mit dem Ergebnisbericht des Runden Tisches liege nunmehr ein Bündel von Maßnahmen zur Sanierung der Wälder vor, die es umzusetzen gelte.
Ein erhebliches Problem ergebe sich aus den Verbiss- und Schälschäden in Hessens Wäldern. Seit den 90er Jahren erhebe das Land die Verbiss- und Schälschäden und hier sei in den letzten Jahren ein erneuter Anstieg zu verzeichnen. Im Jagdjahr 2013/14 sei in Hessen der höchste Rotwildabschuss aller Zeiten realisiert worden. Die Schälschadensbelastung deute in vielen Rotwildgebieten auf eine Rotwildpopulation hin, die nicht an die Lebensraumverhältnisse angepasst ist. Daher sei es richtig, dass die neue Jagdverordnung die Jagdzeiten für alle Schalenwildarten synchronisiere und am 31. Januar enden lasse.
Wilke erläuterte auch die Neuordnung des Nationalparkamtes und der Naturschutzdatenhaltung.
Das Ziel der Biodiversitätsstrategie, 5 Prozent der Waldfläche einer natürlichen Entwicklung zu überlassen verfolge die Landesregierung vorrangig im Staatswald. Die bislang nutzungsfrei gehaltenen 6 Prozent Kernflächen werden durch Nutzungsverzicht auf 8 Prozent – das sind 25 000 ha – erweitert. Im Staatswald werde weiter schrittweise die Zertifizierung nach den Standards des FSC eingeführt unter Berücksichtigung der ökologischen und ökonomischen Ergebnisse. Es werde so mehr Akzeptanz der Forstwirtschaft in der Bevölkerung erwartet. Dennoch solle der Staatswald einen Nadelholzanteil von 43 Prozent behalten. Das sei mit den Standards von FSC vereinbar. Wilke sprach auch die Beratung und Betreuung des Privatwaldes durch angewandte Forschung, Rat und tätige Mithilfe von Hessen-Forst an. Die Mobilen Waldbauerschulen führten jedes Jahr etliche Schulungen für die Privatwaldbesitzer durch. Bei den neuen Beförsterungskostenbeiträgen sei auch dank der durchaus kritischen Beiträge des Waldbesitzerverbandes eine gute Regelung gefunden worden.
„Wir schauen nach vorne“, so Wilke. Das Angebot von Hessen-Forst sei attraktiv, aber keine Verpflichtung.
Mit der neuen Förderrichtlinie für die Forstwirtschaft sei ein erweitertes Angebot gemacht worden. Die Mittel seien von bisher 3,5 Mio. auf 7 Mio. Euro aufgestockt worden. Für Aufforstungen gebe es keine Flächenpauschalen mehr. Der Nachweis der Mittelverwendung erfolge durch Vorlage der Rechnung. Außerdem habe man in der Richtlinie die Antragszeitpunkte erweitert. Für große Förderprojekte könne ein Antrag für das Folgejahr gestellt werden. Ein neues Kapitel befasse sich mit der Förderung der Forstbetriebsgemeinschaften. Dieses Angebot gelte es zu erschließen und für die Zusammenschlüsse zu nutzen. Mit dem Paragraf 20 sei im neuen Hessischen Waldgesetz eine neue Rechtsgrundlage für die Gemeinschaftswälder geschaffen worden. Die zur Regelung der inneren Organisation der Gemeinschaftswälder erforderliche Verordnung sei nun am 1. Januar in Kraft getreten. Wilke ging auch auf das Verfahren des Bundeskartellamtes in Zusammenhang mit der Forstverwaltung Baden-Württemberg ein. Forstpolitisch stelle das Bundeskartellamt die Organisationsform des Einheitsforstamtes in Frage. Dagegen wehre sich das Land Baden-Württemberg vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf. Von der Gerichtsentscheidung hänge viel ab, denn in Ländern wie Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und auch Hessen seien die Verwaltungsstrukturen ähnlich. Einige Sachverhalte seien für die Zusammenarbeit von Hessen-Forst mit waldbesitzenden Kommunen und privaten Waldbesitzern relevant. Die Analyse der Holzmärkte führe in Hessen zwar zu anderen Ergebnissen. Aber das Bundeskartellamt wolle den staatlichen Forstverwaltungen auch die den Holzverkauf vorbereitenden forstwirtschaftlichen Arbeiten untersagen. Daher werde derzeit eine Änderung des Bundeswaldgesetzes betrieben, mit der die vorbereitenden Arbeiten von den Beschränkungen des Wettbewerbsrechts ausgenommen werden sollen.
Christian Raupach – LW 4/2016