Um den Praktikern eine Informationsgrundlage für die Sortenwahl zu liefern, führt der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) amtliche Sortenprüfungen durch. Im aktuellen Prüfjahr wurden an zwei hessischen Standorten insgesamt sieben Sorten getestet. Gabriele Käufler, Fachreferentin Marktfruchtbau am LLH Eichhof, stellt die Ergebnisse vor.
Sommergerste wurde in Hessen auf 14 600 Hektar angebaut. Damit ist die Anbaufläche im Vergleich zum Vorjahr um rund 5000 Hektar reduziert worden. Auch bundesweit sieht die Entwicklung ähnlich aus, die Fläche ging um 27 000 Hektar zurück. Die Anbauer haben auf die enttäuschenden Erträge und die Preissituation im Erntejahr 2015 reagiert. Ertragsstarke Winterungen oder Mais beziehungsweise Zuckerrübe erhalten unter solchen Bedingungen oft den Vorzug. Allerdings sprechen unter anderem arbeitswirtschaftliche Aspekte sowie die Möglichkeit der Fruchtfolgeerweiterung durch Zwischenfrüchte für den Anbau von Sommergerste. Aus den Daten der Besonderen Ernteermittlung 2016 ergibt sich im Landesdurchschnitt ein Ertrag von 51,8 dt/ha und damit ein Anstieg von rund 3 dt/ha im Vergleich zum Vorjahr. Meist wird Sommergerste an abtragender Stelle in der Fruchtfolge und überwiegend nicht auf Flächen der besten Bonität platziert. Daher bleiben insgesamt die Praxiserträge oft deutlich unter dem Potenzial dieser Kultur. Insbesondere in Jahren mit Frühsommertrockenheit reagiert Sommergerste mit Mindererträgen, wenn die Wassernachlieferung aus dem Boden nicht gesichert ist. Aktuell ist die Marktlage bei Braugerste eher günstig zu bewerten, im Vergleich zur Futtergerste wird ein Aufpreis von rund 5 Euro/dt geboten. Da der deutschen Ware überwiegend gute Qualität bescheinigt wird, sind auch für den Export positive Signale vorhanden. Eine Preisabsicherung für Teile der kommenden Ernte kann sinnvoll sein.
Landessortenversuche im Anbaujahr 2016
Alle Prüfsorten der aktuellen Landessortenversuche (LSV) haben eine Verarbeitungsempfehlung der Braugerstenvereinigung (Berliner Programm) beziehungsweise waren zum Zeitpunkt der Versuchsplanung in großtechnische Verarbeitungsversuche aufgenommen. Spezielle Futtergerstensorten wurden nicht mehr mitgeprüft. Aus den bisherigen Prüfreihen lässt sich feststellen, dass das Ertragsniveau moderner Braugersten so hoch ist, dass sie bei entsprechender Bestandesführung inklusive erhöhter N-Düngung problemlos als Futtergersten angebaut werden können. Die Aussaat der LSV erfolgte Mitte März unter guten Bedingungen. Die Frühjahrswitterung gestaltete sich über einen langen Zeitraum feucht-kühl. Dies führte sowohl in der Praxis als auch in den LSV zu einer eher verhaltenen Bestandsentwicklung. Im April und bis Anfang Mai kam es immer wieder zu leichten Nachtfrösten bevor im Juni dann höhere Temperaturen einsetzten. Durch die hohen Niederschläge war die Wurzelentwicklung, wie in der Praxis auch, standortspezifisch teilweise negativ beeinträchtigt, was sich unter anderem auf die Nährstoffaufnahme auswirkte.
Mehltau, Netzflecken und Ramularia bestimmten den Befall
Die Anlage von zwei Intensitätsstufen in den LSV ermöglicht über den Vergleich der unbehandelten mit der behandelten Stufe Aussagen zu Gesundheit, Standfestigkeit und Ertragssicherheit der einzelnen Sorten. Die bestimmenden Krankheiten in diesem Jahr waren neben Mehltau auch Netzflecken und Ramularia. Durch die in der Stufe 2 eingesetzten Wachstumsregler und Pflanzenschutzmittel konnte am Standort Bad Hersfeld ein Mehrertrag von rund 18 dt/ha erreicht werden. In diesem Versuch trat zur Ernte deutliches Lager sowie Halm- und Ährenknicken auf. Am geringsten betroffen war die Sorte RGT Planet. Am südhessischen Standort Griesheim lagen die Mehrerträge bei dem dort insgesamt niedrigeren Ertragsniveau und dem geringeren Krankheitsdruck jedoch nur bei gut 5 dt/ha.
Nicht empfohlene Sorte Planet liegt ertragsmäßig deutlich vorne
In den LSV zeigt sich, welche Leistungen moderne Braugerstensorten auch unter schwierigen Witterungsbedingungen in der vergleichsweise kurzen Vegetationszeit erzielen können. Am Standort Bad Hersfeld wurden in der Stufe 2 durchschnittlich 69 dt/ha geerntet, die beste Sorte erreichte dort über 80 dt/ha. In Griesheim litten die Bestände unter der anhaltenden Frühjahrsnässe. Der Durchschnittsertrag lag dort bei 52,5 dt/ha, was gegenüber der Situation im Vorjahr mit ausgeprägter Frühsommertrockenheit immer noch ein Plus von rund 15 dt/ha war. Die beste Ertragsleistung brachte an beiden Standorten die nun zweijährig geprüfte RGT Planet, gefolgt von Avalon. In Stufe 1 konnten sich RGT Planet und Avalon ebenfalls als ertragsstärkste Sorten zeigen. Nur Quench brachte hier auch ein überdurchschnittliches Ergebnis. Ventina blieb in Stufe 1 knapp, in Stufe 2 deutlich unter dem Durchschnitt und zeigte insgesamt stärker streuende Ergebnisse. Die erstjährig geprüfte Cervinia bildete das Schlusslicht. In Tabelle 1 sind die Erträge der Prüfsorten im Überblick dargestellt.
Agronomische Eigenschaften und Brauqualitäten
Neben den agronomischen Eigenschaften sind bei der Braugerste eine Vielzahl von Qualitätseigenschaften von Interesse. Einen direkten Einfluss auf die Vermarktung des Ernteguts haben Eiweißgehalt, Sortierung und Hektolitergewicht. Angestrebt wird ein Rohproteingehalt zwischen 9,5 und 11,5 Prozent. Auf dieses Ziel ist die N-Düngung sowie im Vorfeld die Flächenauswahl und Fruchtfolgestellung auszurichten. In der weiteren Verarbeitung kommen dann noch viele weitere „innere“ Werte hinzu, die in der Vermälzung beziehungsweise im Brauprozess bedeutsam sind. Tabelle 2 fasst die Qualitätsdaten der diesjährigen Versuche zusammen. In diesem Jahr lagen die Eiweißgehalte in Griesheim mit 9,8 Prozent deutlich unter den Werten in Bad Hersfeld (13,7 Prozent). Die späte Stickstoffnachlieferung war dort problematisch. In der Rangfolge unterschieden sich die Standorte nicht: RGT Planet zeigte die niedrigsten Eiweißgehalte, gefolgt von Quench und Cervinia. Aus gesonderten Versuchsreihen ist bekannt, dass bei modernen Braugersten mit sehr hohem Ertragspotenzial die N-Düngung moderat erhöht werden kann, ohne dass daraus negative Auswirkungen auf den Rohproteingehalt resultieren. In solchen Sorten mit genetisch niedrigen Eiweißgehalten kann damit das Ertragsniveau noch weiter angehoben und somit die Wirtschaftlichkeit des Anbaus verbessert werden.
Die Vollgerstenanteile in der Stufe 2 lagen mit 91,2 Prozent deutlich unter den hervorragenden Werten des Vorjahres (95,7 Prozent). Im Mittel blieben in Griesheim die Vollgerstenanteile 2 Prozent niedriger als die Werte vom Standort Bad Hersfeld. Die beste Sortierung brachte in Griesheim Ventina (93,9 Prozent) gefolgt von RGT Planet und Marthe. In Bad Hersfeld lagen Planet, Avalon und Grace mit 93,6 Prozent gleichauf. Dass sich eine Fungizidbehandlung in der Braugerste auszahlt, zeigt der Blick auf die Werte der Stufe 1. Bei unterlassener Fungizidbehandlung blieben die Vollgerstenanteile bei durchschnittlich 85,1 Prozent stehen. Ein ähnliches Bild ergibt sich im Vergleich der Hektolitergewichte. In Stufe 1 wurden 64,4 kg/hl ermittelt, in der Stufe 2 erreichte die beste Sorte (Marthe) 69,1 kg/hl, im Versuchsmittel aller Sorten waren es 67,7 kg/hl. Im Gesamtergebnis brachte die Sorte RGT Planet mit 65,3 dt/ha den höchsten Vollgerstenertrag, ein deutlicher Abstand zu Avalon mit 58,4 dt/ha.
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