Der Braugerstenanbau wird traditionell stark von der Nachfrageseite bestimmt. Um für die kommende Saison die Weichen zu stellen, trafen sich Anbauer, Mälzer und Brauer zur Braugerstentagung in der Darmstädter Privatbrauerei. Außerdem wurden die besten Gersten aus der abgelaufenen Saison prämiert.
Werner Wald, Vorsitzender des Hessischen Braugerstenvereins, begrüßte am letzten Donnerstag Mitglieder sowie Vertreter des Handels, der Mälzereien, Brauereien und Saatzuchtunternehmen in der Darmstädter Privatbrauerei. „Wir haben in diesem Jahr wiederholt erfahren müssen, dass der Einfluss der Witterung auf die Qualität von Braugerste, das gilt im Übrigen auch für andere Getreidearten, enorm ist“, eröffnete Wald die Veranstaltung. Der niederschlagsarme Winter habe im Frühjahr hohe Nmin-Werte beschert, die letztendlich dazu geführt hätten, dass der Eiweißgehalt vieler Braugerstenpartien zu hoch gewesen sei. „Es ist erfreulich, dass die Branche offensichtlich mit Zugeständnissen auf dieses Qualitätsproblem reagiert. Erfreulich ist auch, dass für Braugerste zurzeit deutlich mehr gezahlt wird als für Futtergerste. Das war in den vergangenen Jahren eher die Ausnahme“, freute sich Wald.
Kein Glyphosat in heimischem Bier
Zur politischen Lage in Berlin bemerkte Wald, dass Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt Rückgrat gezeigt habe, als es um die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat um weitere fünf Jahre ging. Schmidt habe sachlich richtig entschieden, denn „für die bodenschonende, energiesparende und erosionsmindernde pfluglose Bodenbearbeitung wäre das Glyphosat-Verbot ein schwerer Schlag.“ Leider habe Glyphosat Negativ-Schlagzeilen verursacht, nachdem in namhaften deutschen Biersorten unbedenkliche Spuren von Glyphosat gefunden wurden. „Nach meinen Informationen wurde bislang in hessischer Braugerste aber kein Glyphosat gefunden. Das ist ein gutes Marketing-Argument und spricht dafür, auf regionaler Ebene enger zusammenzuarbeiten“, so der Vorsitzende.
Dr. Jörg Hüther vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gratulierte den Siegern des Hessischen Braugerstenwettbewerbes: Silvia Wetz aus Butzbach-Griedel zum ersten und Roland Kraft (3. v. links), Trebur, zum zweiten Platz. Zu den Gratulanten gehörten auch Wolfgang Köhler (links) von der Darmstädter Privatbrauerei, und (v. r.) Bernd Weber, Geschäftsführer des Hessischen Braugerstenvereins und Vorsitzender Werner Wald.Foto: BeckerBier aus Darmstadt wird als „Braustüb´l“ vermarktet
Die Unternehmensphilosophie der Darmstädter Privatbrauerei stellte Wolfgang Köhler vor. Das Unternehmen wurde 1847 gegründet und wird in der sechsten Generation vom Inhaber geführt. „Unser Vertriebsgebiet ist Südhessen; wir arbeiten eng mit Gastronomiebetrieben zusammen und engagieren uns bei Sportvereinen, Großveranstaltungen und kulturellen Institutionen. Seit einem Markenrelaunch 2014 vertreibt man heute das Darmstädter Bier ausschließlich unter dem Label „Braustüb´l“, was die negative Absatzentwicklung umgekehrt habe, weil man neue Märkte vor allem im Frankfurter Raum habe hinzugewinnen können. „Braustüb´l ist keine Marketing-Erfindung, sondern hat bei uns als Name des Gasthausausschankes am Standort eine lange Tradition“, betonte Köhler. Das Malz für die regional aufgestellte Brauerei beziehe man aus Schriesheim und Pfungstadt.
Marktaussichten für den Braugerstenanbau
Carl Offergeld von der Raiffeisen Warenzentrale Rhein-Main beurteilte die allgemeine Marktsituation für Ernteprodukte aufgrund der weltweit guten Versorgung und des relativ starken Euros als „unter Druck“, zumindest was die Preisnotierungen an der Agrarbörse MATIF in Paris angehe. Hinsichtlich der Braugerstenvermarktung konnte er aber auch positive Signale vermelden, denn es bestünden keine Sommerbraugersten-Überhänge aus der Saison 2017. Außerdem bestehe Nachfrage nach Sorten aus dem Berliner Programm. Aktuell liege die Braugersten-Prämie – also der Preisaufschlag zum Futtergerstenpreis – bei 40 bis 50 Euro.
Avalon und Propino zum Anbau empfohlen
Über die Sortenempfehlungen bei Braugerste referierte Rainer Cloos vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH). Für Hessen werden Avalon und Propino zum Anbau empfohlen, RGT Planet nur im Vertragsanbau nach Absprache mit der aufnehmenden Hand. Für den Herbst 2018 stehen bei Winterbraugerste die Sorten KWS Liga und Sy Tepee im Vordergrund, zum Probeanbau könne KWS Sommerset herangezogen werden. „Wir sollten bei der Entscheidung, ob Winter- oder Sommerkulturen angebaut werden, nicht nur auf den Ertrag schauen, mahnte Cloos, denn Sommerungen seien geeignet, den immer drängender werdenden Resistenzproblemen entgegenzuwirken.
Keine Höchstpunktzahl im Braugersten-Wettbewerb
Aufgrund der widrigen Witterungsverhältnisse vor allem zur Ernte hin, konnten in diesem Jahr keine Höchstqualitäten bei Eiweiß, aber auch bei den Vollgerstenerträgen erreicht werden. Den ersten Platz im Braugerstenwettbewerb 2017 belegte Silvia Wetz aus Butzbach-Griedel mit der Sorte Avalon und 29 von 31 Punkten. Platz zwei ging an Roland Kraft, Trebur, ebenfalls mit der Sorte Avalon (28 Punkte), und Daniel Merz aus Nidda-Michelnau belegte mit der Sorte Tepee und 27 Punkten Platz drei. Insgesamt waren 15 Proben eigereicht worden. Auf die Sorte Avalon entfielen elf, auf Tepee drei und auf die Sorte Laureate eine Einreichung zum Wettbewerb.
KB – LW 50/2017