Anfang März trafen sich Bauern und Winzer in der Radsporthalle in Klein-Winternheim zur ordentlichen Vertreterversammlung im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV). Kreisvorsitzender Ludwig Schmitt sprach vielen aus dem Herzen, wenn er sagte: „Wir kämpfen für unsere Rechte, unsere Zukunft und unsere Familien“.
Dass dazu noch viele dicke Bretter in der Politik zu bohren sind, darüber waren sich alle zahlreich anwesenden Bauern und Winzer einig. So war es keine Option, die am darauffolgenden Tag anberaumte Demonstration in Mainz wegen Corona abzusagen. Schmitt lobte die nie da gewesene Einigkeit der Landwirtschaft, die mit der Bewegung „Land schafft Verbindung“ und dank der sozialen Medien den Landwirten zur gesellschaftlich notwendigen Aufmerksamkeit verhalf. Mit dem Insektenschutzprogramm, das sich ausschließlich an die Landwirtschaft wendet, habe die Politik den Bogen überspannt.
„Zum Insektenschwund führen auch die Lichtverschmutzung, der Klimawandel, die Versiegelung und der Straßenverkehr“, betonte Schmitt. Die Landwirtschaft alleine so in die Verantwortung zu nehmen, obwohl diese Teil der Lösung und nicht nur des Problems ist, sei nicht fair. Schmitt ist überzeugt, dass Arten- und Naturschutz nur mit den Landwirten und Eigentümern erfüllt werden kann. Projekte wie „Blühendes Rheinhessen – Wein, Weizen, Wildbienen“, das aus Mitteln der Aktion Grün gefördert wird, das FRANZ-Projekt in Ingelheim und zahlreiche Kooperationen, wie das Biodiversitätsprojekt Südpfalz rund um Herxheim seien Beispiele.
Viele gute Beispiele werden vor Ort umgesetzt
Ebenso das kürzlich im Donnersbergkreis aufgelegte MoKo, Modell-Kooperation, das die niederländische Greening-Variante mit regionaler Umsetzung von Arten- und Naturschutzmaßnahmen in Absprache mit den lokalen Naturschutzverbänden umsetzt, zeigen, dass bereits viel getan wird, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.
Als Hauptredner war Olaf Bandt, der Vorsitzende des BUND Deutschland geladen, doch er hat krankheitsbedingt abgesagt, sodass kurzfristig Sabine Yacoub, die Vorsitzende des BUND in Rheinland-Pfalz seinen Part übernahm.
Unter dem Titel „Gemeinsame Chancen für die bäuerliche Landwirtschaft und den Umweltschutz“ verdeutlichte Yacoub, dass die Landwirtschaft und der Naturschutz bei den Themen Düngung und Pestizide weit auseinander liegen. „Nitrat im Grundwasser wollen wir nicht“, so die Naturschutzvertreterin. Der BUND wünsche sich eine reich strukturierte Landschaft, weiß jedoch um die Tatsache, dass die Landwirte zuerst ihre Familien ernähren müssen. Yacoub gab zu, dass sie im Dialog mit der Landwirtschaft stets dazulerne. Dass die heimische Landwirtschaft mit ihren hohen Standards mit weltweiten Produkten konkurriert, die ohne soziale oder ökologische Standards hergestellt werden, und dass die Lebensmittel in Deutschland zu billig sind. Und daher schlug sie vor, dass man Allianzen schmiedet, um bei den Themen Freihandelsabkommen und Flächenfraß gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um neue Regeln für den Import durchzusetzen und die kleinen Strukturen, wie sie derzeit sind, erhält. „Denn Dialog ist möglich, auch wenn wir nicht überall einer Meinung sind“, schloss Yacoub.
BWV-Präsident Eberhard Hartelt plädierte an alle, den Insektenschwund und die Nitratbelastung als Entwicklung anzunehmen und nun gegenzusteuern. Nur zu 6,2 Prozent sei die Landwirtschaft in Deutschland an der Treibhausgasemmission beteiligt, es sei keine Frage der Schuld, sondern eine Frage der Erkenntnis und der Reaktion. So sei deutlich mehr Forschung notwendig, um die heimischen Ökosysteme und deren Zusammenwirken zu erhalten.
Fehltritte kreativ und mit der Branche korrigieren
Hartelt gesteht der Landwirtschaft wie der ganzen Gesellschaft auch Fehler zu: „Wir haben Fehltritte in der Mobilität, im Energiesektor und in der Landwirtschaft, die politisch so angeordnet wurden, dies ist die Erkenntnis.“ Die Reaktion der Politik lautet: „Reparieren mit neuem Ordnungsrecht.“ Dabei werde der Blick fürs Ganze verloren. Schließlich hat Deutschland nur eine Region, in der die Tierhaltung so sehr übertrieben wurde. Das niedersächsische Cluster, in dem ein Schwein für 4,50 Euro geschlachtet werden kann, inklusive Fleischbeschau, während diese alleine in Kaiserslautern schon 40 Euro kostet. Das Borchert-Papier nannte Hartelt nicht kompatibel mit den europäischen Regelungen. Die knappe Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmittel, die dazu führte, dass im Jahr 2016 die Obstbauern machtlos zusehen mussten, wie ihre Kirschen am Baum verrotteten und dennoch im Supermarkt schönste Kirschen zu kaufen waren, aus der Türkei. „Dies ist eine Schizophrenie, ein Marktversagen und wir dürfen den Lebensmitteleinzelhandel hier nicht aus der Verantwortung nehmen“, betonte Hartelt.
Hohe Standards verlagen und billig importieren
Eine ähnliche Situation herrscht im Bereich der Lagerhaltung. Hier ist nur noch ein Mittel auf dem Markt gegen Schädlinge. Doch wenn ein Käfer in der Fracht ist, dann werde die ganze Partie vom Handel abgelehnt. „Es geht um unsere Existenz“, fasste Hartelt zusammen und kritisierte den Lebensmittelgipfel: „Es braucht höhere Erzeugerpreise, das bedeutet nicht automatisch, dass es höhere Lebensmittelpreise sein müssen.“ Es gehe um den Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfungskette. Hier müsse das veraltete Kartellrecht dringend überarbeitet werden.
Kreisvorsitzender Schmitt verdeutlichte die Lage der Betriebe, die sich im Rahmen des Klimawandels auf mehr Frost, Hagel, Starkregen und Trockenheit einstellen müssen. Dies benötige mindestens eine sichere Komponente. Daher forderte er eine mehrjährige stabile Agrarförderung. Er nannte die EU-Gelder langfristig unsicher, sprach sich gegen eine Umschichtung der Gelder von der ersten in die zweite Säule und schlug vor, dass die zukünftige Finanzierung der Agrarumweltmaßnahmen in Gesprächen mit der Industrie erörtert werden sollten.
Binnendifferenzierung wird begrüßt
Natürlich war auch die Düngeverordnung noch Thema an diesem Abend. Sowohl Hartelt als auch Schmitt begrüßen die Binnendifferenzierung. Hartelt forderte die Reduktion um 20 Prozent in Roten Gebieten zu kippen, die Ergebnisse der DÜV 2017 abzuwarten, eine saubere Datengrundlage zu schaffen, Insekten- und Vogelzählungen durchzuführen und die Umweltleistungen reel zu bezahlen.
Steitz nannte die Ergebnisse der Messstellen in Rheinhessen unlogisch und mutmaßte, dass die Bodenbearbeitung in dieser niederschlagsarmen Region eine große Rolle spielen könnte.
Weitere Themen an diesem Abend waren die Weinbaupolitik, das Bezeichnungsrecht sowie die ungleichen Beiträge zur Sozialversicherung. Besonders deren Herleitung wurde hinterfragt und die Ergebnisse im Obstbau kritisiert. Steitz versicherte, dass hier bereits Untersuchungen durch Prof. Dr. Enno Bahrs von Hohenheim angeordnet wurden.
Peter Acker, der stellvertretende Kreisvorsitzende, schloss die Versammlung mit den Worten, dass man sich morgen auf der Demonstration sehe.
zep – LW 11/2020