„Licht und Schatten“ lautet die Metapher für das Wirtschaftsjahr 2021/22. „Licht“, weil Ackerbau- und Futterbaubetriebe trotz enormer Kostensteigerung voraussichtlich im Plus sein werden – „Schatten“, weil Schweinehalter fast ohne Gewinnerwartung dem Wirtschaftsjahresende entgegensehen, schreibt die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz in ihrer Prognose für das aktuelle Jahr.
Jedes Jahr im Januar erstellt die Landwirtschaftskammer eine Vorschätzung über die Entwicklung der Ergebnisse für das aktuell laufende Wirtschaftsjahr. Die vorliegende Prognose basiert auf den Buchführungsergebnissen von Haupterwerbsbetrieben des Vorjahres 2020/21, auf Ergebnissen des ersten Halbjahres 2021/22 und auf Trendanalysen.
Das Wirtschaftsjahr 2021/22 bringt unter den allgegenwärtigen Pandemiebedingungen für die landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe unterschiedliche Unternehmensergebnisse. Im Ackerbau wird eine deutliche Verbesserung der Gewinne prognostiziert. Im Futterbau er-scheint die Talsohle des Milch- und Rindfleischmarktes der vergangenen Jahre durchschrit-ten. Die Unternehmensergebnisse werden davon profitieren. Besonders hart trifft es im zwei-ten Jahr in Folge die Veredlungsbetriebe. Nach einem düsteren Vorjahr hat sich die Situation der Schweinehalter nochmals verschlechtert und hat nunmehr existenzbedrohende Formen angenommen, fassen die Steuerexperten die Zahlen zusammen.
Der Winter 2020/21 war erneut zu mild, aber mit mehr Niederschlag als im Vorwinter. Es folgte ein lang anhaltender zu kühler Frühling mit unterdurchschnittlicher Niederschlagsmenge. Eine Hitzephase Mitte Juni ließ hohe Ernteerwartungen für Getreide und Raps „schmelzen“. Von Mai bis August lagen die monatlichen Niederschlagsmengen deutlich über dem lang-jährigen Mittel. Immer in Erinnerung bleiben wird der Starkregen Mitte Juli mit seinen verheerenden Folgen an der Ahr, aber auch in Nordrhein-Westfalen und in der Eifel. Nutznießer des feuchteren Sommers waren vor allem Kartoffeln, Mais und Zuckerrüben.
Grundfutter: Reichlich, aber von schlechter Qualität
Die Erträge bei Getreide lagen leicht über Vorjahresniveau. Raps wurde deutlich weniger als im durchschnittlichen Vorjahr geerntet. Bei Zuckerrüben und Kartoffeln lagen die Hektarerträge wesentlich höher als im schlechten Jahr 2020.
Der Futtermais erfreute durch gute bis sehr gute Erträge. Auch das Grünland brachte reichlich Futtermenge ein. Endlich waren die Landwirte in der Lage, wieder Futter-Vorräte anzulegen. Aber: Eine kühle Witterung in Verbindung mit fehlender Sonne verursachte geringe Futterqualitäten. Diese Energie- und Eiweißdefizite, vorwiegend bei der Grassilage, müssen durch einen vermehrten Zukauf an Kraftfutter ausgeglichen werden. Insofern steigen die Futterkosten – trotz eines großen Aufwuchses – deutlich.
Preise für Marktfrüchte ziehen teils kräftig an
Die Getreideernte fiel auf der Nordhalbkugel wesentlich geringer als erwartet aus. In gleich mehreren wichtigen Exportregionen blieb die Ernte deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Erzeuger-Preise für Getreide gehen deshalb gerade zu steil nach oben. Über das gesamte Wirtschaftsjahr 2021/22 gesehen rechnet die Landwirtschaftskammer mit Preisen, die gut 20 Prozent über dem Vorjahreszeitraum liegen.
Um den europäischen Markt mit Raps versorgen zu können sind erhebliche Importe erforderlich. Vor allem Kanada als Exporteur fällt derzeit aus. Die Erzeugerpreise für Raps haben deshalb in bislang nicht gekannter Weise zugelegt. Für das aktuell laufende Wirtschaftsjahr rechnet die Landwirtschaftskammer mit Preisen die über ein Drittel höher sind als 2020/21.
Stärkere Nachfrage sorgt für steigende Notierungen bei Kartoffeln. Gleiches gilt für Zuckerrüben.
Endlich: Trendwende am Milchmarkt?
Eine verhaltene Milchproduktion bei gleichzeitig weltweit steigender Nachfrage stützt die Milchpreise EU-weit. So haben auch die heimischen Preise im ersten Halbjahr des neuen Wirtschaftsjahres zugelegt. Nach Einschätzung der Landwirtschaftskammer wird sich der Preis auch im zweiten Halbjahr auf höherem Niveau halten. Es wird von einem ganzjährigen Plus des Erzeugerpreises in Höhe von 9 Prozent ausgegangen.
Im zurückliegenden Halbjahr haben die Preise für Jungbullen Rekordhöhe erreicht. Für das zweite Halbjahr ist mit schwankenden Kursen zu rechnen. Für das Wirtschaftsjahr 2021/22 wird mit 14 Prozent höheren Bullenpreisen als im Vorjahr gerechnet. Auch die Kälberpreise und die Preise für Altkühe und Färsen ziehen über das gesamte Jahr gesehen an.
Schwein: Schlimmer geht immer
Trotz des deutlichen Abbaus der Angebotsüberhänge am Schlachtschweinemarkt bleibt die Gesamtlage hoch angespannt. Insbesondere coronabedingte Stornierungen, Exportbe-schränkungen und verhaltene Nachfrage aus der Gastronomie drücken auf den Fleischabsatz.
Bereits im abgeschlossenen Wirtschaftsjahr 2020/21 mussten betroffene Landwirte das niedrigste Preisniveau für Schlachtschweine seit 15 Jahren hinnehmen. Und nun rutschen die Erzeugerpreise noch einmal ab. Auch der Preisverfall für Ferkel setzt sich im laufenden Wirtschaftsjahr fort. Im März 2020 kostete ein Ferkel fast 80 Euro. Um die Jahreswende 2021/22 bekam der Sauenhalter noch knapp 20 Euro pro Tier. Die Preise sind also atemberaubend abgestürzt. Die Landwirtschaftskammer rechnet damit, dass sich der Ferkelpreis für das laufende Wirtschaftsjahr 2021/22 auf noch niedrigerem Niveau als im Vorjahr einpendeln wird.
Produktionskosten steigen in vielen Positionen deutlich
Vor allem bei Düngemitteln (Preise zeitweise verdreifacht), Kraftfutter und Treib- und Schmierstoffen wird mit deutlicher Kostensteigerung gerechnet. Aber auch fast alle anderen Produktionskosten steigen. Die Euphorie wegen der hohen Verkaufspreise im Acker- und Futterbau wird dadurch gebremst.
Die Umsatzerlöse (geerntete Menge x Verkaufspreise) von Getreide steigern die Unterneh-mensergebnisse der Ackerbaubetriebe um über 30 Prozent. Raps hat einen positiven Einfluss von über 6 Prozent. Zuckerrüben von über 3 Prozent. Aber: Düngemittel und Diesel haben negativen Einfluss von 28 Prozent.
Trotzdem ist eine Vergütung der eingesetzten Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital möglich. Das Maß der Vergütung wird als Nettorentabilität bezeichnet und in Prozent angegeben. Per Saldo ergibt sich im Ackerbau eine Faktorvergütung um 108 Prozent. Das entspricht einer Verbesserung von über 20 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr.
Da auch die Marktleistungen von Kartoffeln, Zuckerrüben und Feldgemüse gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen sind erreichen 2021/22 auch Hackfrucht- und Betriebe mit hohem Anteil Feldgemüse Unternehmergewinne (Nettorentabilität über 100 Prozent).
Erholung im Futterbau
Hohe Kosten treffen die Futterbaubetriebe vor allem durch Futterzukäufe. Ähnlich wie im Ackerbau machen gestiegene Milch- und Rindfleischpreise diese Nachteile mehr als nur wett. Deshalb legen die Betriebsergebnisse der Rinderhaltenden Betriebe zu. So steigen die Unternehmensergebnisse gegenüber dem Vorjahr um über 16 Prozent. Die Nettorentabilität verbessert sich ebenfalls um 16 Prozent-Punkte auf einen Wert von rund 92 Prozent. Die Steigerungen gelten gleichermaßen für spezialisierte Milchviehbetriebe, wie auch für Betriebe mit Schwerpunkt Rindfleischproduktion.
Vom Boom des Wirtschaftsjahres 2019/20 bleibt Schweinehaltern im Jahr 2021/22 nur eine erhöhte Steuerlast. Im laufenden Jahr wird die Situation noch dramatischer als im Vorjahr. Die Unternehmensergebnisse brechen um fast 70 Prozent ein. Ausgehend von einer Nettorentabilität im Vorjahr von 64 Prozent gibt diese im laufenden Wirtschaftsjahr um über 80 Prozent nach.
Die eingesetzten Produktionsfaktoren können nur noch zu knapp 10 Prozent vergütet werden. Die Betriebsergebnisse bleiben hinter dem Durchschnittsgewinn der zurückliegenden fünf Jahre zurück, und zwar bis zu 80 Prozent.
Im Weinbau Stabilisierung der Ergebnisse erwartet
Die Weinmosterträge lagen 2021 auf dem guten Niveau des Vorjahres. Regional erschwerte starke Verpilzung den Winzern die Ernte und führte vereinzelt bis zum Totalausfall. Auch „Starkregenereignisse“, vor allem an der Ahr, vernichteten ganze Ernten. Das Erntegut stellt allgemein höhere Anforderungen an die Kellerwirtschaft. Die Kosten, nicht nur in diesem Bereich, steigen.
Trotz allgemeiner zum Teil deutlicher Kostensteigerung werden Weinbaubetriebe im Wirtschaftsjahr 2021/22, bei leicht höheren Preisen gegenüber dem Vorjahr 2020/21, ihr Unternehmensergebnis halten können.
Der Ackerbau hat sich deutlich stabilisiert. Ähnlich präsentiert sich die Entwicklung im Futter-bau, aber es reicht noch nicht, um volle Kostendeckung zu erreichen. Und in der Schweinhal-tung ist es übler als je zuvor.
Am deutlichsten steigern Betriebe mit Marktfruchtbau ihr Ergebnis gegenüber dem Vorjahr um 27 Prozent. Rinderhaltende Betriebe werden auch, dringend benötigt, zulegen. Mit einem Minus von fast 70 Prozent wird das Ergebnis der Veredler aller Voraussicht nach den ohnehin schon schnellen Strukturwandel in der Schweinehaltung dramatisch beschleunigen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Volatilität der Märkte seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich zugelegt hat. Damit hat auch die rheinland-pfälzische Landwirtschaft zu kämpfen und es erschwert uns die Prognose von Ergebnissen.
Das zeitgleiche Auftreten der Afrikanischen Schweinpest, der Geflügelgrippe und klimawan-delbedingter Wetterkapriolen sorgen für übergreifend schlechte Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft. Mit einer dauerhaften Stabilisierung der Preise für Marktfrüchte, Milch und Rindfleisch ist nicht zu rechnen. Kräftig steigende Preise für die verbliebenen Ferkel und Mastschweine wären wünschenswert und dringend erforderlich.
Günter Müller, lwk rlp – LW 4/2022