„Die Biene ist deutschlandweit das Zeichen der Landfrauen. Die Bienen sind in ihrer Existenz bedroht. Und wie die Bienen ist der Berufsstand der Bäuerinnen in seiner Existenz bedroht und braucht Schutz“, eröffnete Präsidentin Hildegard Schuster die Gesprächsrunde der südhessischen Bäuerinnen mit Landwirtschaftsministerin Priska Hinz.
Zum dritten Mal hatte der Landfrauenverband Hessen unter dem Motto „Im Dialog mit der Politik“ zu einem offenen Austausch von Bäuerinnen mit der Landwirtschaftsministerin eingeladen, diesmal auf den Hof der Familie Knaup in Einhausen. Gut vorbereitet, brachten rund 30 Bäuerinnen ihre Sorgen und Nöte vor und verdeutlichten der Ministerin ihre Ängste um die wirtschaftliche Existenz ihrer zumeist kleinen und mittleren Familienbetriebe.
Umweltgerechtes Wirtschaften
Kaum ein Berufsstand müsse sich ständig so rechtfertigen wie die Landwirte, beklagten die Bäuerinnen. Dies gelte ganz besonders für konventionell wirtschaftende Betriebe. Regelrecht diskriminiert fühlten sie sich, wie „schwarze Schafe“. „Wieso soll Öko besser sein?“, fragte stellvertretend Marita Billau, die Vorsitzende des Bezirkslandfrauenvereins (BV) Heppenheim, mit Blick auf die Förderrichtlinien. Konventionelle Landwirtschaft sei nicht „schlecht“, auch die meisten konventionell arbeitenden Betriebe bemühten sich um umweltgerechtes Wirtschaften, und die jungen Landwirte seien heute bestens ausgebildet. „Ich habe nie gesagt, dass konventionelle Landwirtschaft schlecht ist“, entgegnete Hinz. Viele Förderprogramme würden für ökologisch und konventionell arbeitende Betriebe gleichermaßen gelten. „Öko-Landbau erfüllt in hohem Maß Umweltstandards, kann deshalb nicht intensiv betrieben werden“, führte die Landwirtschaftsministerin aus. Durch die wenigen besonderen Förderprogramme für die ökologische Landwirtschaft solle verhindert werden, dass die wachsende Nachfrage nach Öko-Produkten durch Importe gedeckt werden müsse. „Wir wollen, dass die Landwirtschaft insgesamt umweltschonend arbeitet“, erklärte sie und erinnerte daran, dass die hohe Nitratbelastung im Grundwasser mit auf die Landwirtschaft zurückzuführen sei und dass die Artenvielfalt unter intensiver Bewirtschaftung gelitten habe.
Wirtschaftliche Existenz
Vor allem die Sorge um die wirtschaftliche Existenz ihrer Betriebe belastet die Bäuerinnen. Angesichts der in Deutschland vergleichsweise niedrigen Lebensmittelpreise könne kaum ein Einkommen erzielt werden, um eine Familie – oft noch zwei bis drei Generationen – zu ernähren. „Landwirtschaftliche Produkte kosten nicht das, was sie kosten müssten, wenn die Bauern ordentlich bezahlt würden“, stimmte die Ministerin zu. Jedoch erfolge der größte Teil der Wertschöpfung in der Lebensmittelproduktion und in der Vermarktung nicht bei den Erzeugern, sondern bei den Handelsketten. Hier sei eine Verbesserung der hessischen Marktstrukturen notwendig. Und es sei wichtig, Verbraucher über Preisstrukturen aufzuklären, damit sie nicht nach jedem Billigprodukt aus dem Discounter griffen. „Qualität hat ihren Preis!“, sagte die Ministerin.
Projektmittel für „Bauernhof als Klassenzimmer“
Wichtig sei es, den Alltag auf den landwirtschaftlichen Betrieben realistisch in der Öffentlichkeit darzustellen, um bei den Verbrauchern ein Bewusstsein über Herkunft und Qualität von Lebensmitteln zu schaffen, waren sich die Ministerin und die Landfrauen einig.Und dies fange bereits bei den Kindern an. „Kindern müssen lernen, wo Lebensmittel herkommen“, bekräftigte die Ministerin. Sie könne jedoch keine verpflichtenden Bauernhof-Besuche für Klassen einführen. Deshalb seien gemeinsame Projekte wie „Bauernhof als Klassenzimmer“ wichtig. Präsidentin Schuster wies darauf hin, dass dies von den Betrieben nicht zum Nulltarif geleistet werden könne, und forderte, ihnen eine Aufwandsentschädigung zu gewähren. Ministerin Hinz kündigte an, dem Landfrauenverband Hessen im kommenden Jahr 10 000 Euro für dieses Projekt zur Verfügung zu stellen.
Zur Sprache kamen auch die Konsequenzen für die regionale Vermarktung durch die Schließung des Schlachthofs in Bensheim sowie der Verlust landwirtschaftlicher Flächen zugunsten des Naturschutzes. Die Hofabgabeklausel wurde thematisiert, die – so die Landwirtschaftsministerin – nicht leicht umzusetzen sei.
Neuregelungen beim Mindestlohn
Die Neuregelungen zum Mindestlohn, die das ohnehin hohe Maß an bürokratischen Auflagen in der Landwirtschaft noch steigern würden, finden nach Aussage der Ministerin erst ab 2017 in der Landwirtschaft Anwendung. Dann gelten die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen für alle Betriebe. Man versuche jedoch, bis dahin noch Flexibilisierungen insbesondere bei der Arbeitszeitregelung für Saisonarbeiter zu erreichen.
Zum Thema Massentierhaltung sagte die Ministerin, dies sei nur ein Schlagwort für schlechte Tierhaltung. Eine Definition gäbe es nicht. Zu den Anforderungen an das Tierwohl sei in ihrem Haus eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden.
Weitere Themen, die mit der Ministerin ausführlich diskutiert wurden, waren die Folgen der Änderung der Gebietskulissen sowie objektive Messmethoden zur Bestimmung der Qualität von Obst und Gemüse.
Marita Billau zog nach der Diskussion mit der Ministerin eine positive Bilanz. Gemeinsamkeiten und Widersprüche seien fair ausgesprochen worden. Die Ministerin machte – trotz aller Sorgen – den Landfrauen Mut: „Die Landwirtschaft hat Zukunft!“
LFV – LW 32/2015